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Jugendarrest

„In Haft war ich nie, aber im Jugendarrest“

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Prozess gegen „Abholer“ einer Betrugsbande dauert an – Urteil frühestens nächste Woche
Veröffentlicht:26.04.2018, 18:44

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Im Fall der „Falsche Polizisten“-Betrugsmasche ist nun doch nicht, wie geplant, am vierten Verhandlungstag am Landgericht Ravensburg das Urteil über einen weitgehend geständigen 31-jährigen Mann aus dem Kreis Sigmaringen gesprochen worden, der als sogenannter „Abholer“ in vier Betrugsfällen fungierte (die SZ berichtete).

Die 7. Große Strafkammer unter Vorsitz von Richter Franz Bernhard entschied am Donnerstagnachmittag, die Verhandlung am kommenden Mittwoch, 2. Mai, um 9 Uhr fortzusetzen. Der Grund: Ein Gutachter aus dem Bereich IT-Forensik muss erst einmal zu Unstimmigkeiten bei der Handyauswertung des Angeklagten gehört werden. Und der Verteidiger, Rechtsanwalt Hans-Christian Arnsperger, reklamiert ein frühes Verhandlungsende, weil er Karten für die Oper in Stuttgart habe.

Zwar beginnt die Verhandlung bestimmungsgemäß um 9.30 Uhr, es werden die bisherigen Vorstrafen des Mannes verlesen und seine Registereintragungen vorgetragen. Dabei kommt zu Tage, dass der Angeklagte offensichtlich vor 15 Jahren als Teenager bereits mit Marihuana, psychogenen Pilzen und Heroin in Kontakt und mit dem Gesetz in Konflikt gekommen ist. Sein Register weist insgesamt acht Eintragungen auf. Meist sind es Verstöße gegen das als „BTMG“ abgekürzte Betäubungsmittelgesetz. Aber auch Fahren ohne Fahrerlaubnis, Urkundenfälschung, Betrug (Erschleichen von Arbeitslosengeldleistungen) und nicht bezahlte Kindesunterhaltsansprüche stehen auf der Liste des 31-Jährigen. In Haft jedoch sei er nie gewesen, erklärt der Angeklagte. „Aber im Jugendarrest“, fügt er hinzu.

Polizisten sagen aus

Nach einer langen Mittagspause werden dann noch einmal zwei Männer von der Kriminalpolizei Friedrichshafen gehört, die bereits am zweiten Verhandlungstag als Zeugen zur Verfügung standen, nun aber einem eigens geladenen Gutachter in Sachen IT-Forensik Fragen beantworten sollen: Zum einen ein Polizeihauptmeister, der nach der Festnahme sowohl das Handy des Angeklagten wie auch die Daten dessen Googlemail-Accounts ausgelesen hatte. Und zum anderen ein Wirtschaftsinformatiker, der für die Kripo arbeitet und auf dem Handy nach Geo-Koordinaten suchte. Hintergrund dieser sehr techniklastigen Befragung ist: Am zweiten Verhandlungstag stand im Raum, dass der Angeklagte mit seinem Handy bereits Monate vor der Tat in Stuttgart nach dem Weg zum Wohnhaus des späteren Opfers gesucht haben solle. Zumindest wiesen sogenannte „Zeitstempel“ damals darauf hin.

Wie der Digitale Forensiker abschließend in seinem mündlich vorgetragenen Gutachten erstattet, sei eine Manipulation der Handydaten insofern möglich, als dass Aktivitäten aus dem Protokoll eines jeden Google-Kontos gelöscht werden können. Ein Einschleusen von Daten von außen (also beispielsweise durch die durchaus technikaffinen Hintermänner des Angeklagten) aber sei weder für den Zeitstempel noch für eine Google-Maps-Karte möglich. Definitiv festlegen wollte der Gutachter sich aber erst, nachdem er selbst eine „logische Extraktion der Daten“ einer bisher der Kripo nicht möglich gewesenen „physikalischen Auslesung der Daten“ gegenübergestellt habe. Auf die Frage des Richters, ob das jetzt mehr als vier Monate nach der Tat und mit neuester Software noch möglich sei, antwortet der Sachverständige mit einem klaren „Ja“. Eine Woche benötige er dafür etwa.

Bevor jedoch darüber eine Entscheidung getroffen oder aber die Beweisaufnahme geschlossen wird und Staatsanwältin und Verteidiger plädieren können, damit noch spät an Verhandlungstag vier ein Urteil gefällt werden kann, meldet sich Verteidiger Arnsperger zu Wort: Seine Karte habe er dabei und er sei fest entschlossen, um 19 Uhr in Stuttgart mit seiner Frau die Oper zu besuchen. Darauf vertagt Richter Franz Bernhard unverzüglich, aber sichtlich verärgert die Verhandlung.