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Rutenfest

Im Atelier ein Kostüm der Rutenkinder

Ravensburg / Lesedauer: 2 min

Josef Henger schuf mit dem Rutenfestbrunnen ein Zeichen für die Zukunft der Oberstadt
Veröffentlicht:15.02.2018, 17:38

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Die Sonne strahlte und drei Böller krachten vom Mehlsack: Als im Juni 1987 zum Rutenfest der Brunnen an der oberen Marktstraße eingeweiht worden ist, erklang das Heimatlied „Mein Ravensburg im Schwabenland“.

Der Ravensburger Bildhauer Josef Henger hat, wie der damalige Oberbürgermeister Hermann Vogler in seiner Ansprache betonte, an der neu gestalteten Marktstraße ein „Zeichen für die Zukunft der Oberstadt“ gesetzt. Ein zeitloses Zeichen zudem, das sich heute in einem Umfeld bester künstlerischer Gesellschaft befindet.

Bereits im Mai 1985 hatte der Technische Ausschuss den Bildhauer mit der Gestaltung des Brunnens beauftragt. Als Standort war der Treppenaufgang zur ehemaligen Humpisschule vorgesehen. Auch wenn die Idee zu einem solchen Brunnen von der Rutenfestkommission stammt – „Vorgaben für die Gestaltung gab es keine“, erinnert sich Josef Henger heute.

Weil das Gelände unterhalb der Treppe Gefälle hat, entschied sich der Bildhauer dazu, zwei Brunnenbecken aus besonders wetterbeständigem Blauberger Muschelkalk untereinanderzusetzen. „Ich habe Brunnen immer gerne so gestaltet, dass das Wasser einen möglichst langen Lauf hat“, sagt der Bildhauer. Dass er die „Zopfmädla“ und Buben darstellen wollte, die bei dem oberschwäbischen Heimatfest mit der jahrhundertealten Tradition die Hauptrolle spielen, war für Henger gleich klar. „Ich hatte solch ein Kostüm der Rutenkinder im Atelier und habe anhand von Bildern rekonstruiert, wie sie gekleidet sind“, sagt der Künstler. Über ihren Köpfen tragen die vier bronzenen Kinderfiguren Haselnusszweige. Denn schon seit dem Mittelalter sollen die Kinder beim sogenannten „Rutengehen“ zum Schuljahresbeginn mit ihrem Lehrer, dem Magister, in den Wald gegangen sein, um dort Haselnusszweige zu schneiden. Diese wiederum wurden über das Schuljahr verteilt zur Züchtigung eingesetzt - das ist zumindest eine von mehreren bekannten Erklärungen der Festherkunft.

Die Rutenkinder auf Hengers Brunnen sind mit Zweig 1,20 Meter groß und wiegen je etwa 50 bis 60 Kilogramm. Fertigen lassen hat der Künstler die Bronzefiguren in einer Kunstgießerei in Oberschleißheim bei München. „Von dort habe ich sie abgeholt und vor Ort auf dem Rutenbrunnen befestigt“, sagt Henger. Nicht nur, wenn er an der oberen Marktstraße unterwegs ist, hat er seinen 30 Jahre alten Brunnen vor Augen. Auch in seinem Atelier steht bis heute ein Entwurf des Rutenbrunnens im Maßstab 1:20.

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