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Kunstnacht

Großes Spektrum an Werken bei der Kunstnacht in Ravensburg

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Großes Spektrum in der Kunstnacht – Irgendwann stellt sich visuelle Überfütterung ein mit interessantem Effekt
Veröffentlicht:29.09.2019, 14:56

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Wie jedes Jahr hatte das durch Ravensburg stromernde Publikum bei der Kunstnacht wieder die Qual der Wahl. Aber immerhin war die Jury aus Kunstverständigen so einsichtig, diesmal „nur“ 23 Veranstaltungsorte zu einem Parcours zusammenzubinden, 2018 gab es fast doppelt so viele. Allerdings hatten auch diese 23 es in sich.

Alles drängt sich erst einmal im punktgenau eröffneten Kapuziner Kreativzentrum in der ehemaligen Schule für Gestaltung. Ein minimalistisches „K“ prangt auf der Eingangsstele und auf den schwarzen T-Shirts der Helfer, die jedem gleich einen „Stimmzettel“ für die besten fünf Werke aus dem Malwettbewerb des „Inklusiven Ateliers“ in die Hand drücken. Drinnen begrüßt Kulturamtsleiterin Verena Müller die zahlreichen Gäste. Und die haben viel zu schauen: im kleinen Filmraum Videos und Comicfilme – die würde man gern in etwas mehr Ruhe ansehen, denn hier ist gerade der Geräuschpegel hoch, schließlich ist die Kunstnacht auch ein Abend der Begegnung. Das fünfköpfige Inklusionstheater „Companie Paradox“ mischt sich unter die Gäste, unten im Keller läuft eine Führung, im Obergeschoss zeigt Peter Berger Objektbilder.

Sehr spannend ist der hintere frei geräumte Atelierraum, in dem normalerweise, wie der Geschäftsführer des Kreativzentrums, Kommunikationsdesigner Marcel Martetschläger , betont, das kreative Chaos herrscht. Unter blauem Licht sind hier unter anderem ein Riesenfisch und ein Kriechtier (über ein Skelett aus Bambus geklebtes Reispapier) zu sehen. Die Mittel für das Projekt wurden vom deutsch-syrischen Freundschaftsverein beim Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst beantragt; die Arbeiten haben das KBZO und das ZfP unter der Anleitung der britischen Künstlerin Sue Walpole gestaltet. Toller Eindruck, man freut sich schon auf die Lichterfestival-Parade, die im Februar 2020 in Ravensburg stattfinden wird. Der Showroom Ravensburg in der Nähe zeigt Malerei und Zeichnung von Thomas Volkwein, ganz schön bizarr diese Objekte, ein Tummelplatz von Dingen verwoben mit appellativer Malerei.

Nun auf in die belebte Innenstadt und zu St. Jodok : Die Bild-Ton-Aufführung „Church for Future“ in einer in Blau und Rot getauchten Architektur und mit unbewegten Großaufnahmen von exotischen Tieren kontrastiert den Lärm der menschlichen Welt mit der stillen Natur und Walgesängen. In der Central Apotheke die Perfektion der Oberfläche von Marmor oder Granit in Skulpturen von Erich Krotz, in der Galerie Inez Acrylmalerei von Milan Roknic mit lebensechten Straßenmotiven. Ein Blick ins gut besuchte Landgericht , ins übervolle Kunstmuseum und zur Galerie 21.06 zeigen das lebhafte Interesse des Publikums; auch in der Buchhandlung Anna Rahm und im Modeatelier Marini drängen sich die Besucher.

Also geht es weiter zum Bauwagen von Schülern des Welfengymnasiums an der Liebfrauenkirche. Die Versteigerung um neun Uhr ist zwar ausgefallen, aber die Stimmung gut. Nur das Wetter spielt jetzt nicht mehr ganz mit, sie werden wohl früher Schluss machen. So bleibt noch der Gebäudekomplex Bauhütte am Holzmarkt, früher Kämmerei, demnächst nach der abgeschlossenen Renovierung Sitz der Musikschule. Harald Hepner, der künftige Hausherr, kommt gerade zur Türe herein, Mitglieder des Ravensburg-Weingartener Kunstvereins haben das komplette Gebäude, das man sonst ja nie so sehen kann, mit seinen 23 Räumen für drei Tage und für 33 Ausstellende übernommen. Über zwei Etagen bietet es ein überwältigendes Spektrum von Malerei, Skulptur und Fotografie mit vielseitigen Eindrücken in einem Labyrinth mit knarrenden Dielen, das man gerne durchwandert. „Ist das Kunst? oder kann man das essen?“, fragt eine junge Frau mit Blick auf eine Schale mit Schoko-Erdnüssen, die von einem Spot beleuchtet auf einem Podest steht. Ja, man kann sie essen, aber die Frage war berechtigt und zielt tiefer: Nach einer Weile visueller Überfütterung kann das selektive Betrachten selbst zur Falle werden. Es geht auf halb elf zu, nun strömen nicht mehr die Besucher, sondern der Regen – und im Blick zurück leuchten die bunten Fenster der Bauhütte wie ein Gruß auf dem Heimweg.