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Gleichberechtigung: „Rutenfest-Boykott, bis Mädchen trommeln dürfen“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Ist das Rutenfest frauenfeindlich, wenn Mädchen nicht überall mitmachen dürfen? Eine Stellungnahme der Rutenfestkommission hat die Debatte neu entfacht - und die Meinungen der Leser sind geteilt.
Veröffentlicht:21.02.2020, 12:10

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Mitten in der Fasnet wird in Ravensburg weiter intensiv über das Rutenfest diskutiert. Anlass ist eine Erklärung des Schülerrates, der eine Öffnung aller Trommlergruppen für Mädchen und ganz allgemein Gleichberechtigung beim Heimatfest gefordert hatte.

Derzeit würden Mädchen noch zu „Objekten degradiert“, so der Vorwurf. Unterstützung kam vom Gesamtelternbeirat. Dieter Graf hingegen, Vorsitzender der Rutenfestkommission (RFK), wirft Schülern und Eltern vor, vom Fest nicht viel verstanden zu haben. Taditionsreiche Trommlergruppen zwingen zu wollen, Mädchen aufzunehmen, verbiete sich von selbst. In den Kommentarspalten von schwäbische.de ist daraufhin eine neue Debatte entbrannt.

„Ich bin mal gespannt wie lange er noch Rutenfest-Chef sein darf, bei seinen Aussagen“, schreibt Rudi S. „Herr Graf hat bemerkenswert wenig Fingerspitzengefühl“, findet auch Stefan B.

Dagegen freut sich F.W.U. über den „Klartext“ von Dieter Graf. Der Leser stört sich vor allem daran, dass Kritiker der gängigen Praxis sich auf das Grundgesetz berufen: „Das hier einzig einschlägige Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als Ausfluss des Grundgesetzes lässt durchaus keinen Anspruch einer Frau auf Aufnahme in eine private Freizeitgestaltungs-Männergruppe oder umgekehrt zu, solange sie nicht gehindert werden, eine eigene Gruppe zur Verfolgung dieses Zwecks zu gründen! Das Adlerschießen ist eine eigenständige Veranstaltung des Trommlerkorps und wird organisatorisch von diesem vollverantwortlich betreut. Der Wunsch der weiblichen Schüler, ein äquivalentes Event als Annex durchzuführen wurde erfüllt. Bereits die Höflichkeit als Gast gebietet es deshalb, die vom Veranstalter und Rechteinhaber vorgegebenen Regeln nicht in Frage zu stellen.“

Xaver W. hat zur Gleichberechtigung ganz allgemein eine eigene Meinung und fühlt sich vom RFK-Chef bestätigt: „Da hat Herr Graf absolut Recht. Die sogenannte Gleichberechtigung nimmt seit Jahren Auswüchse an (Stichwort Gender), das ist doch nicht mehr normal. Dabei gäbe es doch weitaus wichtigere Dinge.“

„Brauchen Mädels wirklich Jungs, um trommeln zu können? Ich glaube, es schadet uns nicht, auch ein paar Dinge getrennt voneinander zu tun und ein paar Unterschiede beizubehalten“, meint Florian W.

„Die Kerle saufen unter sich“

Da ist Manfred T. ganz anderer Meinung. Er empfiehlt gar, Mädchen sollten das Rutenfest boykottieren: „Als grüner Opa rufe ich zum Rutenfest-Streik 2020 auf, alle Mädels, Damen und Sympathisanten boykotieren in diesem Jahr das Rutenfest. Das würde ein lustiges Fest werden. Die Kerle saufen unter sich und bleiben unter sich. Ich werde dem Rutenfest keinen Besuch mehr abstatten, bis Schülerinnen trommeln dürfen.“

Rainer K. schließt sich an: „In welcher Zeit lebt dieser Herr Graf eigentlich? Auf eine mehr als 100 Jahre andauernde Tradition berufen könnte man sich auch beim Zigeunerschnitzel, dem Mohrenkopf usw. Es passt trotzdem nicht mehr in die heutige Zeit.“

„Solange alte weiße Männer hier das Sagen haben, wird sich leider auch nichts ändern. Es ist eine mehr als 100 Jahre andauernde Tradition, dass man nur respektiert wird, wenn man was Intelligentes von sich gibt, nicht wenn man mit seinen Ansichten noch im Mittelalter lebt“, schlägt Dragica S. in die gleiche Kerbe.

Artur S. hat eine ganz andere Frage: „Hat man die Mädels überhaupt schon gefragt, ob sie bei den Trommlern überhaupt ernsthaft mitmachen wollen? In der Regel kommen solche Forderungen gerne von Leuten, die komplett außen vor sind. Da kommt eher der Verdacht auf, dass es grundsätzlich darum geht, Traditionen zu zerstören.“

„Wir diskriminieren keine Frauen“

Bei der ersten Schulhausprobe des Trommlerkorps und der Landsknechte war dieser Tage auch Rutenhauptmann Laurin Muschel in seiner Ansprache auf die Vorwürfe des Schülerrates eingegangen: „Wir im Trommlerkorps diskriminieren keine Frauen. Wir sind vielmehr stolz und froh über unsere Trommlerbräute.“ Auch dafür gab es Kritik im Netz.

Stefan W. meint: „Ein Trommlerkorps ist nichts weiter als eine saufende und streng hierarchische gegliederte männliche Burschenschaft, deren Hauptmann keineswegs nach nüchternen demokratischen Grundsätzen erwählt wird, und das die Frauen als ,Bräute’ (als Braut wird die Frau bis nach der Hochzeitsnacht bezeichnet) als reines Lustobjekt bezeichnet. Zustimmung von Gerhard V.: „Man sieht hier, dass Frauen und Mädchen beim Rutenfest immer noch diskriminiert werden. Für mich gibt es kein Rutenfest. Nur für Männer und Jungs.“ Der Leser M. fragt: „ Ist das Trommlerkorps denn auch stolz auf die Tradition des Wählens der Trommlerkuh, das heißt der hässlichsten Trommlerbraut?“ Und Erwin S. ergänzt: „Stolz auf die Trommlerbräute? Was soll das denn? Es geht hier doch um Mädchen-Trommlerkorps und nicht um ,Bräute’“.

Ein sehr differenziertes Meinungsbild liefert derweil eine Umfrage auf schwäbische.de. Gefragt wurde „Sollten Mädchen beim Rutenfest mittrommeln dürfen?“ Neun Prozent können sich nicht für Ja oder Nein entscheiden. 51 Prozent stimmen für „Nein, die Tradition sollte gewahrt bleiben“ und 40 Prozent sagen „Ja, es ist Zeit für Gleichberechtigung“. Mehr als 1000 Leser haben bereits abgestimmt.