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Modulbau

Gefängnis in Ravensburg bekommt 213 zusätzliche Häftlinge

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Zahl der Plätze soll bis 2023 von heute 360 auf 570 steigen
Veröffentlicht:19.11.2018, 17:56

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Baden-Württembergs Gefängnisse sind überfüllt. Längst leben Häftlinge zu zweit in Zellen, die eigentlich nur für eine Person gedacht sind. Das Land reagiert und baut an drei Standorten neue Trakte: in Ravensburg, Schwäbisch Hall und Heimsheim. Es entstehen Modulbauten auf dem Gelände der dortigen Justizvollzugsanstalten (JVA), sie bieten jeweils Platz für 120 Häftlinge. Bereits 2022 sollen die ersten Gebäude in Ravensburg stehen, dort stockt das Land außerdem ein Gebäude auf und schafft Platz für weitere 93 Gefangene. Bis Mitte 2023 sollen alle neuen Gebäude fertig sein.

Der sportliche Zeitplan ist möglich, weil das Land Module zum Bau verwendet. Sie sind aus Beton und werden wie Schuhkästen über- und nebeneinander gesetzt. Das ist erheblich weniger aufwändig als ein massiver Bau.

Keine Sicherheitsbedenken

„Unser Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg hat bereits in der Vergangenheit Modulbauten errichtet. Diese zügige Bauweise nun im Vollzug einzusetzen ist eine neue Herausforderung“, erläutert Gisela Splett (Grüne). Die Staatssekretärin des Finanzministeriums ist für Landesbauten zuständig. Sicherheitsbedenken hat das Justizministerium nicht.

In den Modulen sollen keine Schwerverbrecher einsitzen, sondern Menschen, die Ersatzfreiheitsstrafen verbüßen. Sie wurden zu Geldstrafen verurteilt, etwa wegen Diebstahls oder leichter Körperverletzungen, zahlten diese jedoch nicht. Ende 2017 saßen rund 440 Gefangene deswegen in baden-württembergischen Gefängnissen. „Für eine derartige Belegung erscheinen Modulbauten innerhalb der Umfriedung von Anstalten des geschlossenen Vollzugs gut geeignet“, heißt es vom Justizministerium.

Die Zahl der Häftlinge ging zwischen 2004 und 2015 zurück. Das Land baute Haftplätze ab – 2008 gab es davon noch rund 8500, 2018 noch etwa 7300. Seit Herbst 2015 aber stiegen die Haftzahlen stetig. So sitzen 2018 etwa 800 Menschen mehr ein als im Jahresschnitt 2015. Derzeit verbüßen in Baden-Württemberg 7380 Gefangene ihre Haftstrafen, es gibt 7538 Plätze. Doch die wenigen freien Plätze sind alle im offenen Vollzug – also für Häftlinge, die tagsüber arbeiten und die JVA verlassen. Im geschlossenen Vollzug dagegen belegten zum 31. Oktober 6363 Gefangene die 6066 Plätze. In der JVA Ravensburg teilen sich knapp 390 Gefangene gut 360 Haftplätze. Dabei hat eigentlich jeder Häftling rechtlichen Anspruch auf eine Einzelzelle. Nur mit Zustimmung der Gefangenen ist es möglich, mehrere Insassen in einem Raum unterzubringen.

Hauptgrund für den Anstieg ist der wachsender Anteil ausländischer Häftlinge. Er liegt derzeit bei 48,5 Prozent, ein Plus von 17 Prozent im Vergleich zu 2010.

Die Enge in den Gefängnisse zu beenden ist nicht einfach. Wie lange Neubauten dauern können, zeigt der Fall Rottweil. Dort sollte 2015 eine neue JVA mit 500 Plätzen öffnen. Nach jahrelangen Debatten und Planungen wurde der Prozess 2011 gestoppt – die damals neue grüne Landesregierung versprach, einen Bürgerentscheid abzuhalten. Nun soll der Bau 2026 fertig sein, er wird etwa 210 Millionen Euro kosten – 90 Millionen Euro mehr als bei der letzten Schätzung im Jahr 2017 veranschlagt.

Eine neue JVA hat in Offenburg eine alte ersetzt, Erweiterungsbauten in Heilbronn und Stuttgart-Stammheim sind in Betrieb. In Ravensburg soll zudem ein Gebäude aufgestockt werden, so entstehen 93 weitere Plätze. Allerdings schloss das Land in den vergangene Jahren auch zahlreiche kleine Außenstellen, etwa in Ellwangen. Nun muss das marode Hochhaus der JVA Stammheim weiterbetrieben werden. Es sollte nach der Eröffnung des Neubaus schließen, doch die Platznot ist zu groß.

Explosive Mischung

„Die Belastung für Gefangene und Beschäftigte ist enorm“, sagt Alexander Schmid, Landesvorsitzende der Gewerkschaft der JVA-Bediensteten. Zwar hat das Land seit 205 bereits 240 neue Stellen im Justizvollzug geschaffen Schmid fordert aber 300 weitere – und bis zu 120, wenn die drei neuen Modulbauten fertig sind.

Strafverteidiger kritisieren die Überfüllung in den Gefängnissen als unerträglich für manche Gefangene. Der Anwalt Süleyman Yildirim aus Ravensburg berichtet von einer zunehmend explosiven Mischung. Er macht dafür unter anderem kriminelle Flüchtlinge verantwortlich „Es ist viel rauer und härter geworden. Mandanten berichten von Schikanen und Provokationen.“ Sie würden zum Beispiel gezwungen, Zigaretten abzugeben oder auf eigene Kosten für Mitgefangene einkaufen zu gehen. „Sonst bekommen sie Schläge. Gerade die Deutschen, die nicht so den Schutz einer bestimmten Gruppe genießen, leiden darunter.“