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Panini war gestern: Sorare verlagert den Sammelwahn in die digitale Welt

Ravensburg / Lesedauer: 6 min

Ein französisches Start-up verlagert den Sammelwahn in die digitale Welt – Was das für Panini bedeutet
Veröffentlicht:01.12.2022, 05:00

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Tütchen aufreißen, Sticker einkleben und die Doppelten mit Freunden tauschen. Panini-Aufkleber gehören für viele Fußballfans seit Jahren zu jeder Weltmeisterschaft dazu. Aber nicht alle Sammler kleben und tauschen noch analog. Inzwischen werden die Fußballbildchen im Internet als digitale Sammelkarten für horrende Geldsummen gehandelt. Dahinter steckt aber nicht Panini, sondern ein Start-up aus Frankreich.

Sammler erhoffen sich Wertsteigerung

Sorare heißt die Plattform, auf der manche Kartensammler die digitalen Bildchen gar als Geldanlage sehen. Das Prinzip dahinter ist simpel: Sorare ist ein sogenanntes Fantasy-Managerspiel. Nutzer kaufen Spielkarten, verkaufen sie wieder und können damit Geld verdienen – genauso aber auch verlieren. Denn der Kartenwert kann sich ständig ändern.

So funktioniert das Spiel

Um beim Spiel Punkte zu sammeln, stellt ein Manager, wie die Sammler genannt werden, am Spieltag ein Team aus fünf Spielern auf und tritt damit gegen andere Manager an. Ähnliche Spielsysteme sind durch Plattformen wie Comunio oder Kickbase bereits bekannt. Die Fußballspieler auf den Karten erhalten Punkte, die ihrer tatsächlichen Leistung auf dem Platz entsprechen. Entscheidend für das Punktekonto sind etwa erzielte Tore und Torvorlagen. Rote Karten und Eigentore wirken sich hingegen negativ auf die Bewertung aus.

Top-Spieler sind besonders beliebt

Gerade deshalb sind vor allem die Karten der Spieler begehrt, die Woche für Woche starke Leistungen abrufen – Spieler wie Kylian Mbappé, Robert Lewandowski oder auch Erling Haaland . Im Netz gibt es zudem etliche Tipps, welche Karten besonders vielversprechend sein sollen, um ihren Besitzern ordentlich Punkte zu bescheren.

Ein Spielsystem, das Anklang findet. Im vergangenen Jahr belief sich der Wert des Start-ups der beiden Gründer Nicolas Julia und Adrien Montfort auf rund 3,7 Milliarden Euro. Inzwischen verzeichnet die Plattform mehr als zwei Millionen registrierte Nutzer aus etwa 185 Ländern, die meisten davon kommen aus Europa und Asien. In den vier Jahren des Bestehens ist Sorare zu einem der beliebtesten Fantasy-Fußballspiele geworden – wenn nicht gar dem populärsten.

Weltstar Lionel Messi und DFB-Direktor Oliver Bierhoff investieren in Sorare

Für sein Managerspiel hat sich Sorare die Rechte an Spielerbildern in insgesamt 50 lizenzierten Ligen gesichert, darunter die Top-Ligen in Spanien und Italien. Auch die Deutsche Bundesliga rühmt sich für die „innovative Digital-Kooperation“ mit Sorare. Obendrein tragen prominente Investoren ihren Teil zum aktuellen Erfolg der Plattform bei.

Im Sommer wurde der französische Fußball-Weltstar Kylian Mbappé als offizieller Markenbotschafter und Investor vorgestellt, im November kam der mehrfache Weltfußballer Lionel Messi dazu. Deutsche Fußballprominenz beteiligt sich auch an Sorare: Weltmeister André Schürrle zählt ebenso zu den Unterstützern wie DFB-Direktor Oliver Bierhoff.

Das ist das Sorare-Geschäftsmodell

Sorare verdient vor allem Geld, indem es neue Spielerkarten ausstellt und an die Nutzer verkauft. Anfang November teilte das Unternehmen zudem bei Twitter mit, dass Nutzer nun bei Kartenverkäufen eine Gebühr von fünf Prozent an das Start-up abgeben müssen. Diese soll vorerst für die Managerspiele zur Basketball-Liga NBA und der Baseball-Liga MLB gelten. Für den Fußballbereich will Sorare auf „absehbare Zeit“ noch keine Gebühr erheben.

So viel ist die Haaland-Karte wert

Aber zurück zum Sammelwahn: Viele Sorare-Nutzer spekulieren vor allem darauf, dass ihre Spielerkarten im Wert steigen – und in manchen Fällen lohnt sich das. Eine Karte des Norwegers Erling Haaland vom englischen Klub Manchester City wurde Anfang des Jahres für knapp 614.000 Euro weiterverkauft. Damals stand der Spieler noch in Diensten von Borussia Dortmund – nach seinem Wechsel auf die Insel und etlichen Toren für seinen neuen Verein dürfte der Kartenwert sogar noch gestiegen sein.

Darin liegt für viele auch der Reiz. „Unser Geschäftsmodell geht über das Wetten, Verkaufen und Sammeln hinaus – wir fesseln die Fans auf unserer Plattform“, zitiert das „Handelsblatt“ den Sorare-Chef Nicolas Julia. Ein bekanntes Konzept wie die des Fantasy-Fußballs trifft auf die traditionelle Sammelleidenschaft. Das „Fesseln“ scheint eng verbunden zu sein mit der Hoffnung mancher Nutzer, mit Sorare Geld zu verdienen.

Sorare basiert auf NTFs

Alle Sorare-Sammelkarten sind sogenannte Non-Fungible Token (NFT), also fälschungssichere Sammlerstücke, die ausschließlich digital existieren. Sie sind „non-fungible“, also nicht austausch- oder kopierbar. Dadurch ergibt sich der Wert eines solchen NFT, die in Gestalt eines Musikstücks, eines Videos oder auch eines Gemäldes auftauchen können. 2021 verkaufte das bekannte Auktionshaus Christie’s ein solches Bild des Künstlers Beeple für rund 70 Millionen Dollar. Der bislang höchste Betrag, der mit einem NFT erzielt wurde.

Kartenanzahl ist begrenzt

Und wie sieht das bei Sorare aus? Auch hier sind die Karten – dem Sammelwahn zuträglich – nicht in unendlicher Menge verfügbar. Von jedem Fußballspieler gibt es nämlich maximal 1111 Abbildungen. 1000 davon haben die Kategorie „limitiert“, 100 sind „selten“, zehn sind „sehr selten“ und eine einzelne Karte ist „einzigartig“. Die einzigartige Karte ist logischerweise am meisten wert.

Eine solche „Unique“-Sammelkarte Erling Haalands erzielte nun den Rekordwert. Günstigere Sammelkarten gibt es bei Sorare für Euro- oder Centbeträge, welche im Preis aber weiterhin steigen können.

Glücksspiel oder nicht?

Der Handel mit NFTs, im Speziellen von Sorare, birgt auch immer ein gewisses Risiko, weil der Kartenwert an der Leistung der Spieler hängt. Deshalb gilt Sorare in vielen Ländern auch nicht als Glücksspiel, denn über Gewinn und Verlust entscheidet nicht der pure Zufall. Befindet sich ein Haaland oder ein Mbappé aber einmal im Formtief oder verletzt sich, könnte der Kartenwert empfindlich fallen.

In der Schweiz steht Sorare inzwischen dennoch auf der „Schwarzen Liste“, weil ausländische Online-Glücksspiele dort verboten sind. Die Website ist nicht ohne weiteres aufrufbar. Auch die britische Glücksspielkommission hat angekündigt, Untersuchungen einzuleiten. Es bleibt abzuwarten, wie Sorare in Zukunft eingestuft wird.

Auch von anderer Seite gibt es Kritik an NFTs. Um die Einzigartigkeit der digitalen Vermögenswerte zu sichern, braucht es eine hohe Rechenleistung und viele Computer und Server – das verbraucht viel Strom. Umweltschützer prangern deshalb schon lange den erheblichen Energieverbrauch beim NFT-Handel an.

Der Markt wandelt sich – im Digitalen wie im Analogen

Der Hype um Sorare scheint aber ungebrochen. Der Sammelkarten-Markt wandert ab ins Digitale, wandelt sich aber auch im Analogen. Der Sammelkarten-Hersteller Panini rechnete in diesem Jahr ohnehin mit einer schwächeren WM-Geschäft, nennt dabei aber den ungewöhnlich späten Zeitpunkt der Winter-WM als Hauptgrund. Bereits im Frühjahr hat das Unternehmen angekündigt, zur Europameisterschaft 2024 kein Sammelheft herauszubringen.

Neuer Partner des europäischen Fußballverbands Uefa ist nämlich das US-amerikanische Unternehmen Topps, das die offiziellen Aufkleber für die nächsten Turniere vertreiben darf. Panini wurde also der Rang abgelaufen. Das heißt: Es gibt das erste Mal nach mehr als 40 Jahren kein Panini-Sammelheft mehr.