StartseiteRegionalOberschwabenRavensburgFamilientragödie: So verläuft die Spurensuche

Ermittlungen

Familientragödie: So verläuft die Spurensuche

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Nach dem Schock über das Familiendrama in Untereschach laufen die Ermittlungen auf Hochtouren: Auch die Befragung des verdächtigen 53-jährigen Mannes wurde auch am Wochenende fortgesetzt.
Veröffentlicht:03.07.2016, 18:26

Von:
Artikel teilen:

Nach dem Schock über das Familiendrama laufen die Ermittlungen auf Hochtouren. Auch die Befragung des verdächtigen 53-jährigen Mannes wurde auch am Wochenende fortgesetzt.

Trauer, Schock, Verzweiflung – das sind derzeit die vorherrschenden Gefühle im Ravensburger Ortsteil Untereschach. Die Deutschlandflaggen, andernorts ein Zeichen der Freude, wehen auf Halbmast. Die Tat, bei der ein 53-jähriger Familienvater Freitagnacht seine 37-jährige Ehefrau und seine 14 und 18 Jahre alten Stieftöchter mit einem Beil und einem Messer getötet hat, schwebt über dem Dorf wie eine dunkle Wolke.

Am Tatort, einer Doppelhaushälfte, haben Menschen Blumen, Kerzen und persönliche Botschaften hinterlassen. Auch ein Blatt Papier mit der Frage „Warum?“ liegt dort. Alle Rollläden im Haus sind heruntergelassen. Die Wäsche baumelt nach wie vor zum Trocknen auf einem Wäscheständer. Ein weißer Mercedes steht unbewegt in der Einfahrt.

Ein kurzes Innehalten

Immer wieder kommen Autofahrer, Radler und Fußgänger vorbei. Manche nur zum Gucken. Manche aber auch, um Abschied zu nehmen. So wie die 14-jährige Rosella, die mit dem getöteten 14-jährigen Mädchen in einer Jahrgangsstufe war. Beide besuchten die 8. Klasse am Ravensburger Welfengymnasium. Jetzt steht Rosella vor dem Haus ihrer ehemaligen Mitschülerin und weiß: Sie wird sie nie wieder sehen, nie wieder mit ihr sprechen können. „Wir hatten am Donnerstag noch gemeinsam Kunst- und Sportunterricht und haben uns über die Schule und Mädchensachen unterhalten“, erinnert sich Rosella. Es ist spürbar, wie sehr sie die Ereignisse bewegen. Begreifen kann sie das alles noch nicht. „Es tut einfach weh“, meint Rosella und schlägt die Hände vors Gesicht. Gemeinsam mit ihrer Familie ist die Schülerin an den Tatort gekommen. Ihr Vater erklärt, dass sie hergefahren seien, um kurz innezuhalten. Auch er ringt um Fassung: „Diese Tat ist einfach empörend. Es ist Wahnsinn.“

Den Polizeiangaben zufolge soll der 53-jährige Tatverdächtige seine thailändische Ehefrau und deren Kinder aus Eifersucht umgebracht haben, weil die 37-Jährige einen neuen Partner hatte und sich trennen wollte. Eine Tat, die laut Polizei geplant war. Wie bisher bekannt ist, wollte der 53-Jährige nach dem Mord an Frau und Stieftöchtern auch die fünfjährige Tochter töten, die er gemeinsam mit seiner Ehefrau hatte. Doch das Mädchen überlebte, weil die Polizei eintraf. Die 14 Jahre alte Stieftochter hatte einen Notruf abgesetzt, bevor sie starb. Die Fünfjährige wurde noch am Freitag in die Obhut des Jugendamtes übergeben.

Gespräche in der Pizzeria

Viele aus der Nachbarschaft kommen in dieser schweren Zeit in die Pizzeria B 30 direkt an der Hauptstraße. Um nicht alleine zu sein und um zu reden. „Die Menschen versuchen, das Unbegreifliche zu erklären“, sagt der B-30-Wirt Domenico Valente. Natürlich sei auch viel Gerede darunter, meint er. Gerüchte würden jetzt die Runde machen. Nach Aussagen von Valente werde erzählt, dass die Frau ihren Mann betrogen habe, aber auch, dass er ihr gegenüber gewalttätig gewesen sei. „Was aber tatsächlich zwischen den beiden gewesen ist, weiß keiner, denn keiner war dabei“, so Valente. Er sagt, die beiden getöteten Mädchen hätten bei ihm hin und wieder Pizza bestellt. Auch beim Zeitungsaustragen habe er sie getroffen. „Es war generell eine zurückhaltende Familie, von der man wenig mitbekommen hat“, sagt der Untereschacher Wirt.

Im benachbarten Oberhofen wurde das Dorffest am Sonntag abgesagt. Frühschoppen, Bewirtung und Blasmusik seien vor diesem Hintergrund nicht angebracht, heißt es auf einem Infoschild. Der evangelische Familiengottesdienst im Freien fand trotzdem statt. Pfarrer Stefan Brückner erzählte die biblische Geschichte des Hirtenjungen David, der den aufbrausenden König Saul beschwichtigen konnte, sobald er auf seiner Harfe spielte. Dann fragte der Pfarrer: „Wo war die heilende Harfe in der Nacht von Donnerstag auf Freitag?“.

Im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“ nach dem Gottesdienst vermutet Pfarrer Stefan Brückner, dass er in den kommenden Tagen wohl einige seelsorgerische Gespräche führen wird. „Es hilft uns, unsere Klagen vor Gott zu werfen, aber eine Antwort auf das Warum werden wir nicht bekommen“, so der Pfarrer, „menschlich lässt sich diese Frage nicht erschließen.“

Mutmaßlicher Täter wird weiter befragt

Die Polizei sucht im Ravensburger Ortsteil Untereschach weiter nach Spuren und Hinweisen in dem Fall: Die Befragung des verdächtigen 53-jährigen Mannes, der in Untersuchungshaft sitzt, wurde auch am Wochenende fortgesetzt, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Konstanz sagte. In der Doppelhaushälfte der Familie seien die ersten Maßnahmen bereits abgeschlossen, die umfangreiche Spurensicherung laufe aber noch. Aufschluss über den genauen Hergang soll auch eine Obduktion der drei Leichen geben, die für Anfang der Woche geplant ist. Weitere Details zu dem Fall wollte der Polizeisprecher noch nicht nennen.

Videos zu den Ermittlungen und eine Chronologie der Ereignisse: schwäbische.de/bluttat-rv