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Weihnachtscircus

„Eine Messe in einem Zirkuszelt ist etwas Besonderes“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Zirkuspfarrer Sascha Ellinghaus spricht im Interview über Seelsorge in Wohnwägen
Veröffentlicht:21.12.2017, 15:34

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Zum zehnten Ravensburger Weihnachtscircus hat Elmar Kretz einen ganz besonderen Gast eingeladen: Am Mittwoch, 27. Dezember, um 11 Uhr feiert Zirkuspfarrer Sascha Ellinghaus im Palastzelt vor der Oberschwabenhalle einen Gottesdienst. Im Interview spricht er über Seelsorge in Wohnwägen und wie er zu dem Job gekommen ist.

Sie sind katholischer Schausteller-Seelsorger. Viele gibt es davon in Deutschland?

Ich bin der einzige hauptamtlich eingesetzte Priester und Leiter des Seelsorgebereichs der katholischen Kirche im ganzen Bundesgebiet. Fünf weitere Seelsorger unterstützen mich neben- oder ehrenamtlich.

Sie wohnen in Hagen und reisen den Zirkusunternehmen und Schaustellern hinterher. Wie viele Kilometer legen sie pro Jahr zurück?

Allein rund 60 000 mit dem Auto. Flüge und Zugfahrten sind da noch gar nicht eingerechnet. Ich bin wirklich das ganze Jahr unterwegs, hunderte Stunden auf der Autobahn. Ich kenne fast jede Ausfahrt und jede Tankstelle.

Was haben Sie eigentlich bei ihrem Einsatz in Ravensburg dabei?

Ich reise immer mit einem Kleinbus mit nur einer Sitzreihe an. Dahinter packe alles, was ich für meine Arbeit brauche: Altartisch, Leuchter, Kreuz, Kelch, Hostien, Messgewänder, eine Orgel, bestickte Behänge... damit kann ich auch in einer Manege eine sakrale Atmosphäre schaffen.

Wird das am Mittwoch nach den Feiertagen ein ganz normaler Gottesdienst?

Eine Messe in einem Zirkuszelt ist immer etwas Besonderes. Das hat einfach Flair. In Ravensburg bekomme ich musikalische Unterstützung von Alphornbläsern, einem Chor und dem Zirkusorchester. Das ist dann natürlich ganz besonders stimmungsvoll.

Wenn sie keine Messe halten, kümmern Sie persönlich um die Sorgen und Nöte der Gläubigen. Wie muss man sich das vorstellen?

Ich kann natürlich nicht immer vor Ort sein, bin aber immer in Rufbereitschaft. Die großen Zirkusse machen oft weite Sprünge. Das ist eine große Herausforderung. Bei meinen regelmäßigen Besuchen werde ich zu Gesprächen in die Wohnwägen eingeladen – das ist dann immer sehr persönlich und privat. Normalen Pfarrern zeigt man ja nicht sofort das ganze Haus, aber im Wohnwagen liegt ja alles sehr eng zusammen … Oft erzählen mir die Artisten und Schausteller dort ihre Sorgen und Nöte. Wir führen aber auch Taufgespräche, organisieren die Kommunion oder die Firmung von Kindern oder bereiten Hochzeiten vor.

Sind diese Gespräche anders als bei ihren Kollegen mit festen Gemeinden?

Zum Teil schon. Das Leben in einem Zirkus bringt ganz automatisch andere Themen mit sich. Schausteller und Artisten leben und arbeiten am selben Ort. Dort ist man immer sehr eng aufeinander. Da ergeben sich ganz andere Probleme. Aber auch hier werden Menschen krank, sterben oder verstehen sich nicht mehr. Ich bin froh, wenn ich in solchen Situationen als Außenstehender helfen kann.

Haben die Menschen zu Ihnen überhaupt Vertrauen, wenn Sie eigentlich nur ab und zu auftauchen?

Ich besuche Schausteller und Zirkusse seit über 15 Jahren. Und dränge mich dabei niemals auf. Wer das Bedürfnis hat zur reden, kommt in der Regel von selbst auf mich zu, wenn ich zu Besuch bin. Glaube und Kirche ist immer nur ein Angebot. Ich will keinem auf den Wecker gehen, ich bin auch schon ohne ein ernstes Gespräch einfach wieder gegangen.

Wie sind sie zu dem Job gekommen?

Dazu wird man ernannt. Man kann sich nicht darum bewerben. Aber ich bin schon als Kind gerne im Zirkus gewesen. Bei einer Aktion für Sternsinger habe ich Kontakt zu einer Zirkusfamilie bekommen. Als die Stelle frei wurde, hat man mich empfohlen und ich habe dann gerne Ja gesagt.

Sie haben schon viele Shows gesehen. Schauen sie sich die Vorstellungen überhaupt noch an?

Ja natürlich! Ich finde Zirkus ist eine aufregende und ehrliche Unterhaltung. Das wird nicht langweilig. Zirkus ist immer echt. Menschen machen etwas für mich. Bringen sich ein und wollen mich begeistern. Hier wird mir gezeigt, was Menschen und Tiere zu leisten vermögen. Es ist immer original – nicht wie bei einem Film, wo jede Szene 20 Mal gedreht wird und das beste zusammengeschnitten wird. Im Zirkus ist alles vom Moment abhängig. Das fasziniert mich – schon seit Jahren.