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Widerruf

Ein Allgäuer bringt VW in Bedrängnis

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Ravensburger Richter bemängelt Kreditvertrag und spricht Autobauer Anspruch auf Nutzungsentschädigung ab
Veröffentlicht:14.08.2018, 19:46

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Niederlage für Volkswagen : Das Landgericht Ravensburg hat die Bank des größten Autobauers der Welt dazu verurteilt, den Widerruf eines Kreditvertrags und damit der Rückabwicklung eines Autokaufs zu akzeptieren. Das Besondere: Der Käufer aus Isny (Landkreis Ravensburg) erhält alle gezahlten Raten und die volle Anzahlung zurück – damit hat der Allgäuer den Skoda Roomster fast zwei Jahre kostenlos genutzt. In dieser Zeit ist er mit dem Auto rund 70 000 Kilometer gefahren.

Motiviert durch die Berichterstattung der Stiftung Warentest über fragwürdige Autokreditverträge widerrief der Isnyer im Mai 2017 den Darlehensvertrag über den Kauf des Wagens, den er im Juni 2015 gebraucht bei dem Wangener VW-Autohaus Seitz erworben hatte. Grund für den Widerruf war nach Angaben von Rechtsanwalt Dirk Sinnig von der Trierer Kanzlei Lehnen & Sinnig, der den Kunden im Rechtsstreit gegen VW vertritt, die Tatsache, dass „die VW-Bank nicht ausreichend und richtig über das Widerrufsrecht belehrt hat“.

Der Allgäuer verlangte von der VW-Bank die Rückzahlung der Anzahlung und aller von ihm gezahlten Raten – und zwar ohne Abzug für Schäden am Fahrzeug oder Ersatz für die zwischenzeitlich zurückgelegten Kilometer. Zu Recht, wie das Landgericht in seinem Urteil vom 8. August entschied. Richter Harald Göller „hat den Widerruf für wirksam erachtet, weil die vertragliche Widerrufsinformation hinsichtlich der Rückabwicklung des Vertrages nach einem Widerruf nicht ordnungsgemäß gewesen sei“, wie Gerichtssprecher Franz Bernhard erklärt. Weiter habe das Landgericht Ravensburg in seinem Urteil (Az. 2 O 259/17) ausgeführt, dass der VW-Bank „kein Anspruch auf Wertersatz für den Wertverlust des Fahrzeugs zustehe.“

„Das Urteil ist ein Paukenschlag für alle Verbraucher, die einen Autokreditvertrag mit einer Autobank haben, weil das Gericht geurteilt hat, dass im Fall eines Widerrufs kein Recht auf eine Nutzungsentschädigung für die gefahrenen Kilometer besteht“, sagt Sinnig der „ Schwäbischen Zeitung “. Eine Auffassung, die Sinnigs Biberacher Kollege Florian Günthner bestätigt. „Die Entscheidung ist sensationell, nachdem erstmalig von einem Gericht entschieden worden ist, dass nach dem Widerruf keine Pflicht besteht, Wertersatz zu leisten und der Verbraucher sein Auto somit über den gesamten Zeitraum der Nutzung kostenlos gefahren hat“, erklärt der Anwalt der Kanzlei Hiller, Bartholomäus & Partner, die vor allem im Abgasskandal VW-Kunden gegen den Wolfsburger Konzern vertritt.

Millionen VW-Kunden betroffen

Betroffen sind von dem Urteil vor allem Autokäufer, die ihren Darlehensvertrag nach dem 13. Juni 2014 abgeschlossen haben, an dem Tag trat die neue Widerrufsbelehrung als Umsetzung der EU-Verbraucherrechterichtlinie in Kraft. Von diesem Tag an muss Wertersatz nur dann geleistet werden, wenn der Verkäufer korrekt über das Widerrufsrecht belehrt hat. Bis zu einem Urteil im Dezember 2017, in dem das Landgericht Berlin in einem Autokreditvertrag die Fehlerhaftigkeit einer Widerrufsbelehrung beanstandet hat, haben viele Autobanken, darunter nach Angaben von Dirk Sinnig die VW-Bank, die BMW-Bank und die Bank Santander, nicht ordnungsgemäß über den Widerruf informiert.

„Das Urteil betrifft mehrere Millionen Verbraucher, nachdem die überwiegende Anzahl der Autobanken fehlerhafte Widerrufsbelehrungen verwendet hat, sodass das Urteil des Landgerichts Ravensburg der Beginn einer Klageflut gegen die finanzierenden Banken sein könnte“, sagt Florian Günthner . In der Zeit von Juni 2014 bis Dezember 2017 sind in Deutschland rund vier Millionen Neuwagen von Privatpersonen zugelassen worden – davon ein Großteil durch Darlehen bei Autobanken finanziert.

Die Volkswagen-Bank akzeptiert das Urteil nicht. „Wir sind nach wie vor davon überzeugt, dass unsere Widerrufsbelehrungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen und korrekt sind“, sagt Sprecher Stefan Voges der „Schwäbischen Zeitung“. „Fakt ist, dass das Urteil eine Einzelfallentscheidung und nicht rechtskräftig ist. Wir werden in Berufung gehen.“ Die Entscheidung des Landgerichts Ravensburg sei missverständlich, zudem habe das Gericht die Klage auf Wertersatz nicht ausdrücklich abgewiesen. „Inhaltlich halten wir die Entscheidung über den Widerruf für falsch“, erläutert Voges weiter.

Sofern die beiden Parteien sich also nicht doch noch außergerichtlich einigen, könnte der Streit zwischen dem Allgäuer und der Volkswagen-Bank also vor dem Oberlandesgericht Stuttgart seine Fortsetzung finden. Für den Allgäuer geht es um 3460 Euro Anzahlung und 30 Raten in Höhe von 114,87 Euro – also um 6906,10 Euro. Für die Volkswagen-Bank um viel mehr: Bestätigt das Oberlandesgericht Stuttgart das Urteil, dürfen viele VW-Kunden genauso wie der Isnyer ihr gekauftes Auto einfach vor der VW-Bank abstellen. Sie erhalten dann die Anzahlung und die überwiesenen Kreditraten zurück – und zwar jeden einzelnen Cent.