StartseiteRegionalOberschwabenRavensburgDer Krieg und die Flüchtlingskrise im Comic

Flüchtlingsgeschichte

Der Krieg und die Flüchtlingskrise im Comic

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Der serbische Künstler Aleksandar Zograf stellt beim Ravensburger Kunstverein aus – Vernissage am 27. Oktober
Veröffentlicht:19.10.2016, 21:51

Von:
Artikel teilen:

Der international bekannte Comic-Künstler Aleksandar Zograf stellt ab Donnerstag, 27. Oktober, beim Neuen Ravensburger Kunstverein (NRVK) in der Möttelinstraße in Ravensburg unter dem Titel „Migrant Stories“ (Flüchtlingsgeschichten) aus. Die Ausstellung ist Teil der Reihe „Über/Grenzen“, was sich der NRVK für die derzeitige Ausstellungsreihe zum Thema gemacht hat. Am 27. Oktober um 19 Uhr wird der Künstler aus dem serbischen Pancevo, nahe Belgrad, bei der Vernissage zu Gast sein. Zudem wird es Ende Oktober einen Workshop mit ihm geben.

Aleksandar Zograf ist einer der bekanntesten Comic-Künstler im ehemaligen Jugoslawien. Er stellte bereits in vielen Ländern Europas, in den USA und im September erstmals in Russland aus. Schon früh beschäftigte sich der ehemalige Journalist mit dem Thema Karikatur und kam dadurch zu seinem Medium: dem Comic. Noch heute zeichnet Zograf, der eigentlich Sasa Rakezic heißt, für die liberale serbische Wochenzeitung „Vreme“ (Zeit).

Der 53-jährige Künstler zeigt auf anspruchsvolle Weise: Comics können durchaus ernsthaft sein und politische Geschichten erzählen. Egal ob Holocaust, Kriege oder Flüchtlingskrise . Mit dem Medium Comic will er ein möglichst breites Publikum ansprechen. „Es erreicht mehr Leute und vor allem auch junge Leute. Die greifen nämlich eher zum Comic als zu einem Buch“, sagt er. Dass er für sein Tun eventuell belächelt und als Künstler oft nicht ernst genommen wird, ist ihm egal: „Ich muss nicht berühmt werden.“ Im Gegenteil, er sieht in diesem Punkt eine besondere Freiheit der Kunst: „Der Vorteil ist doch, dass dich die Leute nicht zu ernst nehmen. Deswegen kannst du experimentieren. Überall in der Kunst gibt es Reglementierungen, aber niemand kümmert sich um Comics.“

Beginn mit dem Jugoslawienkrieg

Serbien hat eine lange Comic-Tradition, die zurück bis ins 19. Jahrhundert geht, als das serbische Königreich ausgerufen wurde. Damals schrieb man Texte unter die gezeichneten Bilder, eine Art „Proto-Comic“. In den 1930er-Jahren war die serbische Hauptstadt Belgrad einer der wenigen Orte in Europa neben Frankreich und Belgien, wo es eine Comic-Szene gab. Die Zeichner arbeiteten für lokale Zeitungen. Damals war Serbien ein Agrarstaat und dabei, sich selbst zu suchen. „Die Menschen taten einfach das, was ihnen Spaß machte, und sie suchten einen kreativen Weg, sich selbst auszudrücken“, sagt Zograf.

Angefangen mit Comiczeichnen hat Aleksandar Zograf in den 1980er-Jahren. Damals verarbeitete er hauptsächlich seine Wachträume mit sich selbst als Hauptfigur. Der Jugoslawienkrieg in den 1990ern änderte alles. „Es war nicht länger moralisch, über Humor und Träume zu sprechen, wenn das ganze Land auseinanderfällt.“ Aleksandar Zograf beschäftigte sich also mit dem Krieg, seinen Gründen und seiner Absurdität. In seinem erfolgreichen Comic „Psychonaut“ (herausgegeben vom Verlag Jochen Enterprises, Berlin), der unter anderem auch ins Deutsche übersetzt wurde, zeichnete er das Grauen des Balkankrieges und gab auch der leidenden serbischen Bevölkerung eine Stimme. Denn der Fokus richtete sich damals vor allem auf Kroaten und Bosniaken.

Und auch in diesem Comic wollte er eine politische Botschaft transportieren, die durch die momentane politische Lage mit Russland wieder aktuell ist: „Ich wollte zeigen, dass Sanktionen nichts bringen und nur die Unschuldigen treffen. Die Mächtigen macht es mächtiger und die einfachen Leute leiden. Es sollte keine geopolitische Analyse sein, sondern das widerspiegeln, was die einfachen Menschen fühlen und denken.“ Zudem beschäftigte er sich mit den Nato-Bombardements auf Serbien 1999. Denn auch seine Heimatstadt Pancevo war wegen der großen Chemie-Industrie Ziel der Bomber. Heute gibt es in der Stadt überproportional viele Krebsfälle.

Zuletzt beschäftigte sich Aleksandar Zograf mit der Flüchtlingskrise, weil Serbien im Zentrum der Balkanroute lag. Damals ein Alltagsthema in dem Land. Dafür führte er Interviews mit den Flüchtlingen, deren Geschichten er in einem Comic mit dem Titel „Flüchtlingsgeschichten“ verarbeitet hat.

Einen Auszug seiner Arbeiten präsentiert Aleksandar Zograf beim NRVK. Zudem bietet der Künstler in Ravensburg einen zweitägigen Workshop unter dem Titel „Comic Journalism and Comic Strategies“ an, bei dem die Teilnehmer sich selbst im Comiczeichnen ausprobieren können. Es geht um die Frage: Wie bediene ich mich dieser Kunstform? Aleksandar Zograf bringt dabei Comic-Techniken näher und berichtetet von seinen Erfahrungen.

Vernissage ist am Donnerstag, 27. Oktober, um 19 Uhr. Die Ausstellung wird bis zum 13. November in der Möttelinstraße 17 zu sehen sein. Öffnungszeiten: Donnerstag bis Samstag von 18 bis 22 Uhr, Sonntag von 15 bis 18 Uhr. Ein Comic-Workshop für zwölf Teilnehmer mit Aleksandar Zograf (auf Englisch) findet am Samstag, 29. Oktober, und Sonntag, 30. Oktober, jeweils von 12 bis 17 Uhr in den Räumen der Schule für Gestaltung statt. Gebühr: 90 Euro, Mitglieder zahlen 81 Euro. Anmeldung bei der Freien Kunstschule Ravensburg, Kapuzinerstraße 27, 88212 Ravensburg, Telefon 0751/15313 oder unter

[email protected]