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Nachtflohmarkt

Auch Fehlkäufe finden ein neues Zuhause

Ravensburg / Lesedauer: 3 min

Die Eingeweihten wissen um die Tricks beim Flohmarkt-Besuch in Ravensburg
Veröffentlicht:19.08.2018, 15:26

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Nachtflohmarkt in Ravensburg – das ist für viele Schnäppchenjäger mittlerweile ein fixer Termin im Jahreskalender. Weil auch in Keller und Garage von Barbara Sohler etliche Schätze nicht mehr die nötige Wertschätzung erfahren, weil der Nachhaltigkeitsgedanke auch gelebt und nicht nur propagiert werden will, deshalb hat sich unsere Chronistin am vergangenen Samstag selbst als Verkäuferin beim Nachtflohmarkt versucht. Ein Erlebnisbericht.

In halber Fußgängergeschwindigkeit schleichen wir die Bachstraße hinauf. Es ist knapp 15 Uhr und das Ansteuern unseres Flohmarktstandplatzes grenzt an einen Spießrutenlauf. Die Bachstraße gleicht der Fressmeile auf dem Rutenfest. Scharenweise schieben sich die Schatzsucher an den dicht an dicht stehenden Ständen vorbei. Unmöglich anzunehmen, dass der uns zugewiesene Standplatz Nr. 457 direkt am Lederhaus noch frei sein soll. Vorausgesetzt, wir schaffen es überhaupt, das vollgepackte Riesenauto durch die wogende Masse bis zum Zielort zu bugsieren. Immer wieder wehen Sprachfetzen ans Fahrerohr. „Klar, jeds do no durchdrängle welle!“ ist noch einer der harmlosesten Kommentare.

Dabei hatte die Stadtverwaltung bei der Anmeldung über den Marktmeister noch schriftlich ausrichten lassen, dass der Aufbau im Marktgelände – von der Herrenstraße über die Kirchstraße über den gesamten Marienplatz bis hinunter zur Bachstraße – erst nach 14 Uhr zulässig sei. Als Marktzeit ist 16 bis 21 Uhr ausgeschrieben. Offensichtlich wissen die alten Flohmarkt-Hasen jedoch Bescheid und kommen lieber früher als später. Wir als Neu-Verkäufer haben uns beinahe verkalkuliert. Aber der Vier-Meter-Standplatz, mit fetten gelben Markierungen auf dem Pflaster ausgewiesen, ist noch frei. Wer sonst würde auch freiwillig direkt neben dem Dixi-Klo auf der Nordseite des ehemaligen Postgebäudes seine Schätze feilbieten wollen?

Dass schließlich nach fünf langen Stunden meine Kasse gut 150 Euro Zuwachs erfahren hat und die meines Mit-Verkäufers Thomas Blennemann auch um knapp 100 Euro gewachsen ist, liegt einerseits am breiten Schatz-Sortiment, das wir aus unseren Kellern gehoben haben und andererseits an der Kauflust der als stetige Karawane durch die Straßen ziehenden Flohmarkt-Fans. Mitstreiter Thomas macht mit dem schulkindgroßen, struppigen Nussknacker aus Familienbeständen eine Dame aus Bad Saulgau glücklich. Bei mir gehen Fehlkäufe wie das Lederband mit Totenkopf-Anhänger oder das ewig nicht mehr benutzte Kinder-Reisebett weg wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Auch die erste Lederjacke des Sohnes und mehrere gute Blazer aus meinen XL-Zeiten sind begehrte Objekte und im Nu verkauft.

Als größte Herausforderung gilt, das eingenommene Geld nicht gleich wieder umzusetzen – sondern zukaufsabstinent zu bleiben. Nicht so einfach. Am Stand mehrerer Ravensburger Schönheiten lauern Designer-Klamotten aus deren prall gefüllten Wohlstands-Schränken. Am Stand eines Großhändlers verführen wunderschöne Eimer und Kannen mit Bauernhof-Patina.

Selbst der wunderbar verlebte Alu-Koffer des Standnachbarn weckt Begehrlichkeiten. Aber Disziplin-sei-Dank fahren wir am Ende des Abends mit schlanken zwei Kartons weniger nach Hause. Und dem Vorsatz, uns im nächsten Jahr wieder auf einen Stand für den Nachtflohmarkt zu bewerben.