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Anfangs fand er die Verwaltung furchtbar

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Helfried Wollensak geht nach 42 Jahren bei der Stadt Ravensburg in Pension
Veröffentlicht:16.08.2018, 16:34

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Als Helfried Wollensak am 15. November 1976 bei der Ravensburger Stadtverwaltung angefangen hat, war sein erster Eindruck nicht der beste. Eingesetzt war der aus Rottenburg am Neckar stammende 24-jährige Beamte zunächst in der Ortsverwaltung Eschach, wo man sich noch nicht ganz an die Eingemeindung gewöhnt hatte. „Ein heruntergekommenes Rathaus, wirklich der letzte Schuppen. Im Ortschaftsrat herrschte Knatsch und schlechte Stimmung. Mein Eindruck vom ersten Arbeitstag: Ich werde mich so schnell wie möglich nach einer anderen Stelle umsehen.“ Doch weit gefehlt. Er blieb der Stadtverwaltung treu, machte dort Karriere und geht als Leiter des Rechnungsprüfungsamtes nun nach fast 42 Jahren in Ruhestand.

Offiziell ist der 64-Jährige zwar noch bis Ende April 2019 bei der Stadt beschäftigt, durch das Ansparen von Urlaub, Überstunden und die Möglichkeit eines Sabbathalbjahres hat er aber am Samstag seinen letzten Arbeitstag. „Der 18.08.18. Da heiraten einige“, erklärt Wollensak den Samstag als ungewöhnlichen letzten Arbeitstag für einen Beamten. Etwa 1000 Paare hat er während seiner Zeit bei der Stadtverwaltung neben seiner eigentlichen Arbeit getraut. Meistens samstags. Eine der schönsten Aufgaben, findet er. Deshalb will er sie unbedingt beibehalten, was auch im Ruhestand möglich ist.

Aus vier selbstständigen Feuerwehren eine gemacht

Selbst ist er seit 37 Jahren mit seiner Frau Ingrid verheiratet, die er im „Schinderhannes“ in Weingarten kennengelernt hat. Mit ein Grund, weshalb er doch in Ravensburg blieb.

Nach 13 Jahren in der Ortsverwaltung Eschach wechselte Wollensak für zwei Jahre in die Stadtkämmerei und schließlich ins Hauptamt, wo er 21 Jahre lang für Organisation und IT zuständig war. Besonders großen Spaß machte ihm die Stabsstelle Feuerwehr , die er nebenbei übernahm. Gemeinsam mit den damaligen Kommandanten Peter Eger und Walter Blum gelang es ihm, aus vier selbstständigen Feuerwehren in Ravensburg, „die nicht mal Fahrzeugbestellungen untereinander abstimmten“, eine zu machen.

Die „Trägheit des Apparates“, also verkrustete Strukturen nach dem Motto „Das haben wir schon immer so gemacht“, waren Wollensak immer ein Dorn im Auge. Er erkannte die Vorteile der EDV für eine bürgerfreundliche Verwaltung oder machte auf unsinnige Doppelstrukturen aufmerksam. Vor allem in den Ortschaften – wobei Schmalegg die unproblematischste gewesen sei – habe er hin und wieder auch Anfeindungen gespürt, gerade in seinen fünf letzten Jahren als Leiter des Rechnungsprüfungsamtes, als er naturgemäß manchen auf die Füße treten musste. „Dabei ist es ja meine Aufgabe, darauf zu achten, dass die Verwaltung wirtschaftlich und sparsam arbeitet. Bei vielen kommt die Einmischung gut an, bei anderen nicht.“ Wollensak hatte dabei auch den Mut, sich mit Vereinen wie der Volkshochschule oder der Rutenfestkommission auseinanderzusetzen. „Vereine, die mehr als 100 000 Euro Zuschuss von der Stadt bekommen, müssen sich eine Überprüfung ihrer Finanzen gefallen lassen. Manche hatten noch nicht mal einen Steuerberater.“

In seinen 42 Dienstjahren hat er drei Oberbürgermeister erlebt. Welcher ihm der liebste war? „OB Rapp ist am unkompliziertesten und kollegialsten. OB Vogler war superfleißig, fast ein Workaholic, menschlich fair und zurückhaltend. OB Wäschle war fachlich gut, aber unnahbar. Damals pflegte man noch einen eher herrschaftlichen Verwaltungsstil“, blickt er zurück. Am liebsten hatte Wollensak den früheren Ersten Bürgermeister Hans Georg Kraus. „Ein sehr guter Chef, der zwar viel verlangt hat, aber auch sehr berechenbar und verlässlich war.“

Helfried Wollensak engagiert sich stark für seine Mitmenschen. Er ist ehrenamtlicher Schuldnerberater, Schöffe am Landgericht und will sich in Zukunft stärker in der Eine-Welt-Agenda-Gruppe einbringen. Während einer Dienstreise nach Guatemala sei ihm klar geworden, „dass bei uns ein Umdenken zur ökologischen, nachhaltigen und fairen Beschaffung notwendig ist“. Deshalb trieb er entsprechende Vergaberegeln in der Stadtverwaltung voran, zu einer Zeit, als das noch nicht üblich war. „Immerhin wurden wir bei mehreren Wettbewerben ausgezeichnet und sind dadurch auch Fair-Trade-Town geworden.“

Auch privat reist Wollensak mit seiner Frau gern weit weg, seit die beiden Töchter aus dem Haus sind. Am liebsten nach Asien, weil ihm die Mentalität der Menschen sehr zusagt: „Ihre Entspanntheit, Gelassenheit und Freundlichkeit.“ Attribute, die auch auf den scheidenden Amtsleiter passen. Bali, Vietnam, die Malediven, China und Sri Lanka hat er schon gesehen. Als ersten Urlaub während seines Sabbaticals will er mit seiner Frau Ingrid für acht Wochen nach Australien.

Trotz dieser schönen Aussichten wird er seine Kollegen vermissen, meint Wollensak. Denn manchmal trügt der erste Eindruck.