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Heimatpflege

Spannende Geschichten zum Tag des offenen Denkmals

Leutkirch / Lesedauer: 3 min

Heimatpflege öffnet das Leprosenhaus zum 600 jährigen Bestehen
Veröffentlicht:10.09.2019, 18:00

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Trotz widriger Witterung konnte der Vorsitzende der Heimatpflege Leutkirch , Michael Waizenegger, eine große Besucherzahl in den Gemäuern des Leprosenhauses begrüßen. Anlass war zum einen der Tag des offenen Denkmals, zum andern die erste Erwähnung des Leprosenhauses, die 600 Jahre zurückliegt.

Interessierte konnten sich drei Führungen anschließen, in denen ihnen unterschiedliche Aspekte des Hauses in Vorträgen nahegebracht wurden. Jürgen Waizenegger, maßgeblich als Architekt für die Sanierung zuständig, beleuchtete die historisch-architektonische Bedeutung des Gebäudes, während sich Georg Zimmer mehr auf die Sozialgeschichte des Hauses und seiner früheren Bewohner bezog.

So konnte man erfahren, dass das Leprosenhaus als reines Fachwerkhaus fast zeitgleich mit dem Bau des Spitals errichtet wurde. Die Sankt Leonhardspflege , eine kirchliche Stiftung, wurde 1419 gegründet und das Leprosenhaus als eine Anlage mit Mauer, der Kapelle St. Leonard und einem Friedhof errichtet. Der diente etliche Jahre als städtischer Friedhof, wie in einem Ratsprotokoll aus dem Jahr 1536 zu lesen sei.

Auf dem Merianstich von 1642 ist die Anlage gut zu erkennen, weit außerhalb der Stadt, in Richtung Memmingen. Denn die Stadtbewohner wollten sich vor der ansteckenden Leprakrankheit schützen, die mit jahrelang zunehmender Verunstaltung des Körpers zum Tode führte. Die Leprakranken konnten sich laut Georg Zimmer frei bewegen und betteln, mussten aber als Erkennungszeichen einen schwarzen Spitzhut und Mantel tragen und zudem mit einer Rassel auf sich aufmerksam machen. Diese sind eindrucksvoll präsentiert in einer hergerichteten Leprakammer. So wurde das Haus bis in das 18. Jahrhundert genutzt, ab 1810 dann für Arme und auch „Wahnsinnige“, die hinter einer heute noch zu besichtigenden Gefängnistür weggesperrt wurden. In dieser Zeit wurde das Fachwerk durch Mauerwerk aus Ziegelsteinen ersetzt, die vermutlich vom damaligen Abriss der Kapelle stammen. Im 20. Jahrhundert wurde das Leprosenhaus dann zu einer Unterkunft für Obdachlose, später dann auch zu einer Heimstatt für sozial schwächere Bürger umgebaut.

Viele Jahre stand das Gebäude leer und sollte wegen seines schlechten Zustands abgerissen werden. Um es der Nachwelt zu erhalten, übernahm 2010 die Heimatpflege Leutkirch das Anwesen von der Stadt Leutkirch im Erbbaurecht auf 30 Jahre. In Eigenleistungen wurde das Haus seit 2010 auch mit Unterstützung eines Leaderprogramms saniert und in den jetzigen musealen Zustand versetzt. Es wurde entrümpelt und so entkernt, dass heute das Dachgeschoß als „liegender Stuhl“, der keine senkrechten Stützbalken benötigt, sichtbar ist.

Dort befindet sich die Ausstellung „Rotis und Otl Aicher “ mit Fotos von Karsten de Ries. Leben und Wirken des Grafikers Otl Aicher stellte Marc Brandner vor. Rotis sei damals Mittelpunkt für das grafisches Gewerbe gewesen. Hier wurden Grafikdesigns und Produktdesigns entworfen und entwickelt. Unter anderem bis heute gültige Piktogramme und Logos und vor allem die Schrift Rotis. Zur Olympiade 1972 in München entwickelte das Grafikbüro Aicher erstmalig sämtliche grafischen Elemente, alles in einer Farbgebung, die nicht in Wappen oder Landesfahnen vorkämen, so Brandner.

Bei einem weiteren Rundgang wurde die Mehrfachnutzung des Hauses sichtbar. In Ateliers eingerichtet haben sich Beate Wirth mit filigran figürlicher Glaskunst und Bernhard Göser mit Malerei und Holz-, Gips- und Tonobjekten. Präsent ist auch die Gruppe „Kreative Kräfte“, ein Netzwerk Kunstinteressierter, die sich mit Gestaltungsfragen und visuelle Themen auseinandersetzen.