StartseiteRegionalRegion AllgäuLeutkirchSo hat sich Ziad Karaker aus Syrien ein neues Leben in Leutkirch aufgebaut

Gastronomie

So hat sich Ziad Karaker aus Syrien ein neues Leben in Leutkirch aufgebaut

Leutkirch / Lesedauer: 6 min

Der gelernte Koch Ziad Karaker ist 2015 vor dem Krieg aus Syrien geflohen
Veröffentlicht:25.10.2019, 17:25

Artikel teilen:

Seit vergangenen April betreibt Ziad Karaker mit seiner Familie einen Spezialitäten-Imbiss in der Leutkircher Innenstadt. Der Flüchtling ist während des Bürgerkriegs in Syrien im Jahr 2015 mit seinem ältesten Sohn und seiner Tochter aus Damaskus nach Deutschland geflohen.

Erst anderthalb Jahre später hat er für seine Frau und seine beiden minderjährigen Söhne den Familiennachzug erreicht.

Syrien gleicht heute einem Kuchen, jeder bedient sich und nimmt sich einfach ein Stück.

Ziad Karaker

„Syrien gleicht heute einem Kuchen, jeder bedient sich und nimmt sich einfach ein Stück“, sagt Ziad Karaker. Der Flüchtling aus Damaskus, weiß, was der Einmarsch der Türkei in Nordsyrien für die Region bedeutet: „Ein Ende des Krieges ist noch lange nicht in Sicht.“

Als Karaker gemeinsam mit seinem ältesten Sohn Omar und seiner Tochter Fatima am ersten Oktober 2015 Deutschland erreicht, haben die Syrer eine beschwerliche Flucht hinter sich und eine schwerwiegende Entscheidung getroffen.

Denn Karakers Frau, Hanadi Arab , und seine beiden jüngsten Söhne Mohammed und Osama befinden sich zu diesem Zeitpunkt noch in der alten Heimat Damaskus.

Die riskante Flucht nach Deutschland sollte ihnen erspart bleiben. „Wir haben gehofft, dass meine Frau und meine Söhne später durch den Familiennachzug nach Deutschland kommen dürfen“, sagt der Familienvater.

Auf dem Weg nach Deutschland haben Ziad, Omar und Fatima zunächst die Türkei durchquert, bis sie Izmir an der Küste Kleinasiens erreichten, von Mytilini aus wagten sie die gefährliche Überfahrt in einem Flüchtlingsboot, um schließlich nach Athen zu gelangen.

Die Familie folgte der Westbalkanroute, wo sie sich - teils zu Fuß, teils mit Bus und Bahn - ihren Weg nach Deutschland gebahnt hat.

„Für diesen klassischen Fluchtweg haben die Menschen etwa einen Monat gebraucht, je nachdem, wie lange sie an den Grenzen aufgehalten wurden“, sagt Lisa Zwerger, die die Familie durch ihre damalige Arbeit als Alltagsbetreuerin beim DRK Ortsverband Leutkirch kennengelernt hat.

Einen Monat waren wir in einem Zimmer in der alten Kaserne untergebracht, anschließend kamen wir nach Leutkirch in die Halle im Öschweg.

Als die Familie Karaker in München ankam, wurde sie zunächst registriert und anschließend in die Landeserstaufnahmestelle nach Meßstetten gebracht. „Einen Monat waren wir in einem Zimmer in der alten Kaserne untergebracht, anschließend kamen wir nach Leutkirch in die Halle im Öschweg“, erklärt der Familienvater. Mit weit über hundert weiteren Geflohenen harrten die drei Syrer in der zur Notunterkunft umfunktionierten Sporthalle aus.

Anerkennung als Flüchtling

Eines Tages wurden die Menschen früh morgens zur Anhörung in die Regionalstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge gebracht, wo der Flüchtlingsstatus der Familie anerkannt und ihr ein vorläufiges Bleiberecht für drei Jahre eingeräumt wurde, das mittlerweile wieder verlängert worden ist.

Mit dem Rechtsstatus als Flüchtling konnte Ziad Karaker beim Auswärtigen Amt den Familiennachzug für seine Frau und Kinder beantragen. Anfang des Jahres 2016 wurde die Notunterkunft schließlich aufgelöst, woraufhin Ziad Karaker und seine beiden Kinder eine eigene Wohnung suchen mussten.

„Wir haben eine sehr hilfsbereite Vermieterin gefunden, die der Familie eine Wohnung anbieten konnte“, sagt Manuela Brendel, Flüchtlingshelferin aus der Notunterkunft im Öschweg.

Arbeit im Hotel

Der Vater der Familie, der in Syrien den Beruf des Kochs gelernt hat, war viel unterwegs und arbeitete im Libanon und Saudi-Arabien für Fünf-Sterne-Hotels, deshalb bemühte er sich hierzulande eine Arbeit in der Gastronomie zu finden. „Ich habe nach zehn Monaten einen Mini-Job im Hotel Hirsch gefunden“, sagt Karaker.

Gleichzeitig besuchte die Familie einen Integrationskurs. „In Syrien habe ich als Fremdsprache Englisch und Französisch gelernt, nun musste ich mir noch eine neue, völlig andere Sprache aneignen“, erklärt der Vater.

Wiedervereinigung der Familie

Ende Mai des Jahres 2017 erfüllten sich die Hoffnungen der Familie - Hanadi und ihren Söhne schafften es in den Libanon zu gelangen und erhielten Visa zur Ausreise. „Meine Söhne und ich sind mit dem Flugzeug von Beirut nach München geflogen worden“, sagt Hanadi Arab.

Das Ehepaar Karaker fand im Haus Tanne in Eisenbach im Sommer 2017 eine Anstellung in der Küche, wo Hanadi Arab heute noch zweimal in der Woche im Service arbeitet. „Es ist gut, dass sie bei uns noch präsent ist, durch die Arbeit lernt sie die Menschen und die Sprache näher kennen“, sagt Bettina Kahl, Inhaberin des Gasthofs. Dort sei auch Ziad Karakers Idee, sich mit einem Imbiss selbstständig zu machen, entstanden.

Integration durch Sprache

Um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern, haben die Eheleute neben ihrer Arbeit im Lokal die Sprachschule besucht. Hanadi Arab, die in ihrer Heimat französische Literatur an der Universität studiert hat, würde gerne noch mehr Zeit investieren, um ihr Deutsch zu verbessern.

Ein Problem sei allerdings, dass sich das Jobcenter nicht bereit erklärt, weitere Sprachförderungsmaßnahmen zu finanzieren, was sie nicht verstehen kann, werde doch häufig betont, wie wichtig dies für Integration sei. „Wir würden uns irgendwann die deutsche Staatsbürgerschaft wünschen“, sagt Hanadi Arab.

Eröffnung des eigenen Imbiss’

Bis zur Eröffnung des eigenen Spezialitäten-Imbiss musste Ziad Karaker einen langen Atem beweisen. „Er wollte sich selbst eine Existenz aufbauen und sein eigenes Geld verdienen, was sich als gar nicht so einfach herausstellte“, sagt Priska Wunden vom Asylkreis Leutkirch, die dem Syrer auf diesem Weg zu Rate stand.

Nach etlichen Behördengängen, erhielt der Syrer die Genehmigung, den Laden in einer Immobilie in der Marktstraße zu öffnen, doch ein Anwohner legte Widerspruch ein, was dazu führte, dass der Flüchtling aufgrund einer Nutzungsänderung bauliche Maßnahmen vornehmen musste.

Die geplante Eröffnung verzögerte sich insgesamt um sieben Monate. „In der Zeit des Umbaus blieb Herr Karaker nichts anderes übrig als sein Auto zu verkaufen, um die Kosten für die Miete zu decken“, sagt Lisa Zwerger.

Allen Hindernissen zum Trotz, schaffte es Ziad Karaker im vergangenen April, seinen eigenen Laden zu eröffnen: „Ich bin froh, diesen Schritt gemacht zu haben.“

Die Leute in Leutkirch seien sehr freundlich und würden mittlerweile gerne in seinen Imbiss kommen. Nachbarin Angelika Magierski bewundert den Ehrgeiz und die Hoffnung, die die Familie aufbringt: „Die Karakers arbeiten jeden Tag bis spät am Abend, es ist unglaublich, wie die Familie zusammenhält und nach all dem, was sie erlebt hat, in die Zukunft blickt“.

Hoffnungen für die Zukunft

Für sein Heimatland Syrien hofft Karaker, dass dort endlich Frieden herrscht und er eines Tages mit seiner Frau zurückkehren kann. „Meine Kinder sehen ihre Zukunft in Deutschland, doch irgendjemand muss, wenn Syrien zur Ruhe gekommen ist, das Land wieder aufbauen“, sagt der Flüchtling.

Lisa Zwerger, erklärt, dass dies eine gängige Sichtweise unter den älteren Syrer sei: „Das Ehepaar Karaker gehört zu einer zerrissenen Generation, es sind Menschen, die noch Verbindungen in die alte Heimat haben.“