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Postkarte

In seiner Sammlung steckt jahrelange Arbeit

Leutkirch / Lesedauer: 4 min

Georg Müller ist im Internet auf der Jagd nach Felle-Postkarten
Veröffentlicht:07.06.2018, 16:51

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Georg Müller hat ein kurioses Hobby: Der 85-Jährige sammelt digitale Bilder von Postkarten von Eugen Felle – und hat davon bereits 13 700 Stück auf seinem Computer in seiner Wohnung in Unterzeil gespeichert. „Und ich bin noch lange nicht am Ende“, ist sich der emsige Rentner sicher, der täglich etwa acht Stunden vor dem Bildschirm verbringt und in sämtlichen Online-Auktionshäusern, auf virtuellen Verkaufsplattformen und bei Privatsammlern nach neuen Motiven Ausschau hält.

Wer seine Sammlung komplett betrachten will und nur fünf Sekunden auf jede Postkarte guckt, braucht jetzt schon ganze 24 Stunden, bis er alle Exemplare gesehen hat. „Aber nur, wenn er keine Pause macht“, fügt Georg Müller ernst hinzu – bevor er amüsiert zu grinsen beginnt.

Bei diesem Mann treffen Humor und Fleiß auf eine schier unbändige Begeisterung fürs Detail. Akribisch betrachtet er mit einer großen Lupe die auf Din A4 ausgedruckten Ansichtskarten. „Eine Felle-Karte erkenne ich fast immer auf Anhieb“, meint Georg Müller, „die meisten sind signiert und oft mit Jahreszahl versehen“. Sauber sortiert von A bis Z umfassen die Postkarten Dörfer, Städte, Brücken, Panoramen, Bergansichten, Stadtansichten und Sehenswürdigkeiten aus ganz Europa. Mal ganze Landstriche, mal einzelne Gebäude.

Immer höchst exakt, manchmal bestückt mit kleinen Szenen und winzigen Menschen. Unermüdlich ist Georg Müller auf der Jagd nach den Miniatur-Motiven von Eugen Felle. Und nicht nur das: Ihn interessiert einfach alles rund um den Postkartenmaler: „Jeder Text, jede Druckvorlage, jede Skizze, alles Geschriebene über Felle – mich hat der Mensch Eugen Felle und sein Werk von Anfang an fasziniert“, erzählt er mit einer dynamischen Euphorie, die nicht so recht zu einem 85-Jährigen passen will.

Im Vergleich zu anderen Felle-Sammlungen ist seine sicher einzigartig: Kein anderer hat das Ziel, lückenlos alles zusammen zu fügen. Im 13. Jahr arbeitet Müller an der Vollständigkeit des Werks, das in Felles Villa in Isny entstanden ist. Eine endlose Fleißarbeit, die viel Aufmerksamkeit verlangt und Geschick im Umgang mit dem Internet. Bei Google und bei Ebay stöbert Müller täglich nach „Felle minus Fell“, „Felle Isny“, „Eugen Felle“ oder „seltene Ansichtskarten plus Isny“. Immer ausgefuchster werden seine Suchbegriffe. „Angefangen hab ich vor über einem Jahrzehnt. Dass es sich so entwickelt, hätte ich nie gedacht“; er ist selbst erstaunt über die Masse an Karten, die er gefunden hat. Zu Beginn rechnete er mit rund 2000 Motiven. „Dia hosch glei beinand“, dachte der fleißige Mann aus Unterzeil – was für ein Irrtum. Noch heute findet Müller etwa 1000 neue Motive pro Jahr.

Mehrmals täglich durchstöbert er alle wichtigen Verkaufsplattformen, um ja kein Bild von einer angebotenen Postkarte zu verpassen. Manchmal kauft er auch ein Exemplar. „Felles Karten erkenne ich sofort“, sagt der ehemalige Maurer und Fliesenleger, der in Isny am Bau von etlichen Gebäuden und Gewerken beteiligt war. „Der Felle hatte eine ganz spezielle Art zu zeichnen.“ Auf einer schwarz-weißen Postkarte von seinem Geburtsort Friesenhofen zeigt der Allgäuer, was er meint: „Hier sieht kein Dach gleich aus. Jeder schiefe Ziegel ist ganz genau so auf der Postkarte.“ Jeder Schatten, jeder Pfosten, jeder Hügel stimmt ganz genau. Ein Markenzeichen von Eugen Felle, das Müller ganz besonders fasziniert. Er selbst hätte auch ein Händchen fürs Detail. „Eigentlich wollte ich Schneider oder Bäcker werden“, erzählt er, „doch es gab keine Lehrstelle nach dem Krieg.“ Er hat immer gerne gekocht, gehäkelt und gestrickt. Neben der Liebe zum Detail verbindet ihn aber vor allem eins mit Felle: Er ist auch ein Pionier auf einem Spezialgebiet.

Niemand sonst will alle Werke zusammentragen, die in Isny entstanden sind und in die ganze Welt verschickt wurden. Für ihn sind Felle-Postkarten ein Schatz, der bisher im Verborgenen blieb. Damit sich das schleunigst ändert, wünscht sich Müller einen engagierten Förderverein, der die wichtigsten Karten für die Stadt Isny erwirbt. Unter zehn Euro gäbe es nämlich kaum mehr eine Karte von Felle. „Wirklich rare Karten werden bis zu 400 bis 500 Euro hoch gesteigert .Auch viele Archive des Landes bergen noch unbekannte Schätze von Felle, die erfasst werden sollten.“ Außerdem gehöre eine Tafel ans Geburtshaus und einen „Eugen-Felle-Weg“ fände er auch mehr als passend. „Nur wenige Isnyer waren so bekannt wie der Erfinder der Vogelschauperspektive.“ Bisher hätte die Stadt Isny dies „verschlofa“, das zu erhalten und zu fördern. Allein der Humor des Malers sei einen Blick auf seine Werke wert.

Stolz zeigt der Sammler einen Spezial-Ordner mit der Aufschrift „Humorpostkarten“. An dessen Inhalt lasse sich ganz viel Zeitgeist und Lebensgefühl ablesen.„Darauf kann Isny wirklich stolz sein.“ Zum Glück hätte die Bundeskulturstiftung den Maler als förderungswürdig eingestuft. Mit dem Projekt „Panorama_Partner“ aus dem Fonds Stadtgefährten rückt der Postkartenmaler mit dem neuen Museum im Isnyer Schloss im Sommer 2019 in den Mittelpunkt und in das Bewusstsein der Bürger. Dazu fällt Georg Müller nur eines ein: „Endlich. Höchste Zeit.“