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Wanderausstellung

Jeder Mensch ist anders

Laupheim / Lesedauer: 5 min

Museumsprojekt: Schüler führen Schüler in Laupheim durch die Anne-Frank-Ausstellung
Veröffentlicht:19.03.2014, 18:50

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„Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ heißt die neue Wanderausstellung im Laupheimer Museum zur Geschichte von Christen und Juden. Sie thematisiert das kurze Leben der berühmten jüdischen Tagebuch-Schreiberin Anne Frank, die nur 15 Jahre alt werden durfte. Das Mädchen starb einige Wochen vor der Befreiung 1945 im Konzentrationslager Bergen-Belsen an Typhus.

Die aktuelle Sonderausstellung hebt sich ab. Zum einen holt sie die Geschichte in die Gegenwart. Zum anderen steht im Mittelpunkt der Vermittlung das Konzept „Jugendliche begleiten Jugendliche“.

Kann man Menschen in Schubladen stecken? Wenn ja, in welche Schublade gehört Anne Frank? Wen schließen wir aus und warum? Was können wir bewirken? Fragen, denen 26 Zehntklässler des Laupheimer Carl-Laemmle-Gymnasiums in der Ausstellung nachgegangen sind. Geführt wurden sie von fast Gleichaltrigen – den „Peer Guides“ Xingying, 16 Jahre alt, und Lena (17 Jahre alt).

Die Ausstellung setzt sich aus einem historischen und einem aktuellen Teil zusammen. Die Peer Guides teilen die Klasse in zwei Gruppen auf. Xingying beginnt mit 13 Mädchen und Jungen im hinteren Raum, wo sich der aktuelle Teil befindet.

„Lasst mich ich selbst sein“

Vier Themenbereiche sind an Stellwänden angebracht. An der ersten Wand ist ein übergroßes Porträt von Anne Frank zu sehen. Umrahmt wird es von vielen anderen Fotografien. Auf jeder ist das Porträt einer Frau oder eines Mannes zu sehen. Daneben ist eine Art Puzzle-Männchen abgebildet. Auf manchen Puzzle-Teilen befindet sich ein Fragezeichen. „Wer bin ich?“, steht dort. Gerade einmal 14 Jahre alt, hat Anne Frank die Frage so beantwortet: „Ich weiß, was ich will, habe ein Ziel, habe eine Meinung, habe einen Glauben und Liebe. Lasst mich ich selbst sein, dann bin ich zufrieden. Ich weiß, dass ich eine Frau bin, eine Frau mit innerer Stärke und viel Mut.“

Xingying will von den Schülern wissen: „Was macht uns aus?“ Die Schüler sagen: Geschlecht, Aussehen, Sprache, Familie, Nationalität. „Und was bedeuten die Fragezeichen?“ Nach einer kurzen Diskussion sagt die Gruppe: „Die Fragezeichen könnten auf die Zukunft deuten.“

In einem Video sollen Menschen einen Unbekannten nur aufgrund eines Fotos beschreiben. Anschließend erzählt der Beschriebene selbst, wie er sich findet. Den Schülern wird klar, dass Fremd- und Selbstwahrnehmung oft weit auseinander liegen.

Das kleine Spiel zeigt, dass es keine Gleichheit gibt. Denn es reicht bereits, dass sich nur ein gemeinsamer Nenner ändert wie Religion, Glaube, Interessen und Geschmack – schon ist alles anders. Die Klasse zieht das Fazit: „Es gibt große Unterschiede, denn jeder Mensch ist anders.“

An der nächsten Wand geht es um Diskriminierung. „Wen schließe ich aus?“ steht dort. Eine Fotografie zeigt eine Anne-Frank-Statue in Amsterdam. Jemand hat ein Hakenkreuz darauf gesprüht. „Warum wurde Anne diskriminiert?“, will Xingying wissen. „Weil sie Jüdin war“, ist sich die Klasse sicher. „Wer wird heutzutage diskriminiert?“ Die Antworten sind unterschiedlich: „Menschen mit anderer Hautfarbe. Dicke. Jemand, der keine angesagten Klamotten trägt.“

An der letzten Wand geht die Gruppe der Frage nach: „Was kann ich bewirken?“ Den Schülern fallen jede Menge Dinge ein, wie man gegen Ungerechtigkeiten vorgehen kann: demonstrieren, sich an die Medien wenden, etwas sagen, die Polizei rufen, Hilfe holen.

Dann widmet sich die Gruppe dem historischen Teil der Laupheimer Ausstellung. Die Schüler sehen viele Fotografien und erfahren Persönliches aus dem Leben von Anne Frank. Dass ihre Eltern zwar Juden waren, sich aber ganz selbstverständlich als Deutsche gefühlt haben. Dass Anne und ihre drei Jahre ältere Schwester Margot eine glückliche Kindheit in Frankfurt und später in Amsterdam hatten. Dass Anne auf eine Montessori-Schule ging, weil ihr Vater Otto fand, dass sie kein normales Kind sei.

Geschichte wird gegenwärtig

Auch dieser Teil der Führung ist von Interaktion geprägt. Die Schüler beschreiben, was sie auf Fotos sehen, sie machen sich Gedanken darüber, wie das Leben der jüdischen Bevölkerung unter Adolf Hitler gewesen sein könnte. Im Gedankenraum, der sich der Zeit im Versteck widmet, erörtern die Zehntklässler, wie es gewesen sein muss, auf engstem Raum mit acht Menschen zu leben.

Am Ende fragt Xingying nach einem Feedback. Dieses fällt eindeutig aus. Die Mädchen und Jungen sind begeistert von der Führung mit einer Gleichaltrigen. Ihnen gefällt, dass in der Ausstellung die Historie mit der Aktualität verbunden wird. Die Klasse findet es toll, dass sie die Möglichkeit zur Diskussion hatte und einbezogen wurde. Die Schüler kannten den geschichtlichen Teil bereits aus dem Unterricht. Im Museum konnten sie das Thema jetzt am Schicksal von Anne Frank vertiefen. Einem Mädchen, das man – wie alle Menschen – nicht in eine Schublade stecken darf.

Am Sonntag, 23. März, finden zwei Führungen durch die Ausstellung „Deine Anne. Ein Mädchen schreibt Geschichte“ statt. Beide sind thematisch verknüpft. Um 14Uhr berichtet Rolf Emmerich in der Dauerausstellung über „Helfer der verfolgten Laupheimer Juden“. Um 15.30 Uhr führt Andrea Reck durch die Sonderausstellung, die noch bis 30. März zu sehen ist. Öffnungszeiten: samstags, sonntags und an Feiertagen von 13 bis 17 Uhr.

Museum zur Geschichte von Christen und Juden, Schloss Großlaupheim, Claus-Graf-Stauffenberg-Straße 15, Laupheim

Telefon (07392) 96 80 00. Der Eintritt ist für Schulklassen frei.