Chatroom

„Worte sind Macht“

Kißlegg / Lesedauer: 2 min

Die „Young Stage“ Immenried spielt im virtuellen Raum
Veröffentlicht:31.07.2019, 18:40

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Mit dem aktuellen Stück „Chatroom“ von Enda Walsh setzte der Theaterverein Immenried erneut Maßstäbe. Regisseur Sandro Droth scheute weder heiße Eisen, noch schwere Kost und seine Nachwuchsschauspieler der „Young Stage“ spielten sich mit Niveau und Klasse in die Oberliga der Jugendtheater.

Der Weg zum Erwachsenwerden führt die sechs Jugendlichen durch die virtuelle Welt der Chatrooms. In der Anonymität teilen sie die Sorgen, die man als Teenager so hat. William (Luis Hörnle) provoziert dabei die ausgeglichene Jacky ( Laura Weimer ) und die giftige, hochnäsige und unglaubliche arrogante Eva (Theresa Sonntag) versucht mit Mathegenie Emily (Franzi Ettmüller) die Liedtexte von Britney Spears in das reale Leben zu übertragen. Auch der depressive Jim (Nils Badstuber) sucht Kontakt, Hilfe und Austausch und trifft dabei auf die stets zuhörende Laura (Vroni Weishaupt). Ihr vertraut er schließlich auch die Geschichte an, wie er, mit sechs Jahren, von seinem Vater verlassen wurde.

Sie kennen sich alle nicht, landen aber eines Tages in einem gemeinsamen Chat der „verdammten Besserwisser“ und schnell gerät Jim in den Fokus der Unterhaltungen. William verfolgt dabei ein morbides Ziel, denn schließlich brauche man als junger Erwachsener „ein Anliegen“, eine einzigartige Sache, die im Netz für Furore sorgt. Der Plan steht fest, Jim soll Selbstmord begehen und diesen mit der Welt teilen. Niemand sagt das so offensichtlich, aber vor allem William und Eva suggerieren geheucheltes Verständnis und Zuwendung und schießen dabei weit über das Ziel des respektvollen Umgangs hinaus. Sie instrumentalisieren sich gegenseitig und pushen sich in die tiefsten Abgründe der subtilen Suggestion. Wer Skrupel hat, oder anderer Meinung ist, wird aus dem Chat kurzerhand entsorgt.

Im Laufe der Dialoge stellte sich für den Zuschauer die Frage: Wie weit werden sie tatsächlich gehen, wie erfolgreich können sie Jim manipulieren und kann die parallele Gruppe ihn von seinem Vorhaben noch abbringen? Nach reiflicher Überlegung wird Jim klar, nur der entscheidende Schritt in die reale Welt kann ihn noch retten. „Chatroom“ ist gesellschaftskritisch, über weite Strecken beängstigend und in der Sinnfrage des Lebens vielseitig. Diskussionen über Religion, Familie oder auch die Transformationen des eigenen Ichs, spiegelten die Unterschiedlichkeit der dargestellten Charaktere wider. Die Darsteller beeindruckten das Publikum mit unglaublich komplexen Textpassagen und ihrer natürlichen Präsenz auf der Bühne. Eine große Kulisse benötigten sie dafür nicht; fünf Stühle reichten aus, um die Zuschauer, auf den ausverkauften Plätzen, über zwei Stunden spannend zu unterhalten.