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Literaturtag

Mit Dante geht sie aufs Ganze

Isny / Lesedauer: 3 min

Die Buchautorin Sibylle Lewitscharoff liest aus „Das Pfingstwunder“ bei den Isnyer Literaturtagen
Veröffentlicht:05.04.2017, 10:17

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Aus Berlin in die „letzte Ecke des Allgäus“ ist Sibylle Lewitscharoff ins Kurhaus am Park angereist. Im Rahmen der 17. Isnyer Literaturtage las die Büchner-Preisträgerin von 2013 aus ihrem jüngsten, 2016 erschienenen Roman „Das Pfingstwunder“ im gut besuchten kleinen Saal. Was geschieht, wenn sich während eines Kongresses 33 Dante-Gelehrte in Luft auflösen und der 34.Dantist allein zurückbleibt? Lewitscharoff las ausgewählte Passagen und brillierte mit viel Wissen über „Die Göttliche Komödie“.

Von den Momenten der Leichtigkeit, die in diesem Buch nicht zu knapp seien, sprach Erhard Schneider aus dem Vorstand des Kulturforums Isny. Seit dem Erscheinen von „Apostoloff“, das 2009 den Preis der Leipziger Buchmesse erhielt, sei er ein Fan von Lewitscharoffs Literatur.

Sibylle Lewitscharoff ist voller Esprit und Tatendrang. Sie versteht es, ihre Zuhörer auf ihre literarische Reise mitzunehmen. Nur nicht so, dass sie kommentarlos ausgewählte Passagen liest und darunter einen Punkt setzt. Ihr ist klar, dass nicht jeder die hundert Gesänge aus Dantes berühmtesten, nach 1300 verfasstem Werk parat hat. Weswegen sie abwechselnd liest und erklärt, worum es ihr und Dante geht. „Mit Lust und Vergnügen durch Hölle und Himmel“, habe Erhard Schneider beim Lesen des Romans einen „Heidenspaß“ empfunden. Dantes „Divina Commedia“ spielt dabei eine essenzielle Rolle ebenso wie religiöse Ebenen und der heilige Geist zu Wort kommen.

Es beginnt mit der Beschreibung eines prachtvollen Ortes – dem Saal der Malteser auf dem römischen Aventin. Es sei die schönste Villa, die es überhaupt gebe. Mit Blick auf den Petersdom. 2013 hatte Lewitscharoff ein Stipendium in der Villa Massimo in Rom. Im dritten Stock des Palastes der Malteserritter lässt sie ihre 34Dante-Forscher aus aller Welt zusammenkommen. Frauen und Männer, die wundersamer Weise kein Verständigungsproblem haben. Sprich, jeder versteht die Muttersprache des anderen. Lewitscharoff hat in dem Saal selber gelesen und befunden, dass von dort ein „himmlisches Aufflugmanöver“ sehr gut möglich ist. Ihre Dantisten kommen immer mehr in Schwung, bis die Stimmung so euphorisch ist, dass ihnen quasi Flügel wachsen. Sie auf die Fensterbänke steigen und flugs verschwinden. Nur einer nicht – Professor Gottlieb Elsheimer, der fortan zum Erzähler gerät. Ihn nennt sie einen Rationalisten und Realisten, der, wieder in seiner Frankfurter Wohnung angekommen, geradezu verlottert. Er kann das Wunder nicht fassen. Jeder halte ihn für „bekloppt“, wenn er diese Geschichte erzählen würde.

Die Kardinalfrage für Elsheimer laute, warum alle anderen glückselig erhoben sind und nur er sitzen bleibt? Impliziert darin ist, so Lewitscharoff, auch die Schuldfrage. Es brauchte nur wenige Minute, bis die Autorin auf Touren kommt. Ob sie eine Sprechausbildung genossen habe? Nein, doch es komme ihr auch auf die sprachliche Darstellungsform eines Textes an. Gerade an den Stellen, wenn ihr die erfinderischen Teufelsnamen einen besonderen Genuss bereiten. „Tückeschwanz“, „Fletschkoller“ oder „Kratzbürschtler“ sind „drastische Leibwörter“, die nur in der deutschen Sprache bestehen. Viel erfuhren die Zuhörer am Abend über die „riesige“ Menge an Komplett- und Teilübersetzungen in Deutschland. Wobei sie sämtliche Prosa-Übersetzungen furchtbar finde. „Das ist tote Hose, wenn das nicht gereimt ist“ mit Verweis auf Italien als Dantes Herkunftsland. Dort, wo Gymnasiasten die Gesänge heute noch lesen. Das sei eine irre Leistung. Für Deutschland nannte sie zum Vergleich die Übersetzung der Lutherbibel, nur dass diese 200 Jahre später kam.