StartseiteRegionalRegion AllgäuIsnyEigentlich habe sie ein Kochbuch schreiben wollen

Kochbuch

Eigentlich habe sie ein Kochbuch schreiben wollen

Isny / Lesedauer: 3 min

Autorin Olga Grjasnowa eröffnet mit „Gott ist nicht schüchtern“ die Isnyer Literaturtage
Veröffentlicht:17.04.2018, 15:24

Artikel teilen:

Olga Grjasnowa hat mit ihrer Lesung am Freitagabend im Refektorium die Isnyer Literaturtage 2018 eröffnet. Die 33-jährige Buchautorin reiste mit ihrem neuen Roman „Gott ist nicht schüchtern“ aus Berlin an. Sie las eindrückliche Passagen aus dem rund 300 Seiten starken Band, der vor dem Hintergrund der syrischen Revolution die Schicksale zweier junger Menschen verhandelt.

Eigentlich habe sie ein Kochbuch schreiben wollen, sagt Olga Grjasnowa im Gespräch mit den Zuhörern nach der Lesung. Sie habe ein Faible für die Gastronomie. Nur ist es zu dem Buch nicht gekommen. Stattdessen erschien nach „Der Russe ist einer, der Birken liebt“ (2012) und „Die juristische Unschärfe einer Ehe“ (2014) nun „Gott ist nicht schüchtern“. Ausgelöst durch die Flüchtlingsgeschichten ihres Mannes und dessen Bruder. Grjasnowa ist in Baku in Aserbaidschan in eine russisch-jüdische Familie hineingeboren und 1996 mit elf Jahren nach Deutschland gekommen. Sie studierte Kunstgeschichte und Slawistik und absolvierte in Leipzig ihren Bachelor im Fach Literarisches Schreiben.

Die Protagonisten der Geschichte sind die junge und erfolgreiche Schauspielerin Amal und der ebenso junge und erfolgreiche Schönheitschirurg Hammoudi. Beide sind Syrer – er lebt in Paris, sie in Damaskus. Es ist das Jahr 2011, als der Arabische Frühling auch auf das Herrschaftsgebiet von Baschar al-Assad übergreift. „Der Roman besteht aus zwei unterschiedlichen Handlungssträngen, die aber viel gemeinsam haben“, schickte Grjasnowa der Lesung voraus. Hammoudi muss seinen syrischen Pass verlängern lassen und reist daher nach Damaskus. Amal sieht sich einer ruhmreichen Karriere entgegensteuern, bis sie sich auf Demonstrationen gegen das Regime wiederfindet. Beide gehören einer gut situierten Oberschicht an, von der am Schluss des Romans nichts mehr übrig ist. Grjasnowa setzte mit ihrer Lesung dort an, wo Amals Fassade von einer glücklichen Zukunft zu bröckeln beginnt. Sie, die Jungen, wollten Reformen, nicht das Regime stürzen.

„Sie hatten es satt“, zählt die Autorin fast liturgisch alles auf, was nicht ausgesprochen werden durfte. Hinter diesem Leisen und Fragilen verbirgt sich ein Sturm der Gewalt und des Untergangs. Hammoudi erhält den Bescheid, dass er nicht mehr ausreisen dürfe. Amal wird observiert und nur der Vater, der in Machenschaften mit dem Regime verwickelt ist, hilft ihr da wieder heraus. Wenn Grjasnowa liest, sieht man ihr die Anspannung an. Ergriffenheit am selbst Verfassten ist spürbar.

Im Gespräch mit den Zuschauern taut sie wieder auf, atmet durch und zeigt ihre humorvolle Seite. Wenn sie als Mutter von zwei kleinen Kindern erzählt, wie sehr die Zeit in ICE-Zügen zur Entspannung geworden ist. Dass sie nicht an die Heimatlosigkeit glaube, denn Heimat sei das Gefühl von Geborgenheit. „Ich fühle mich in Berlin heimisch“, sagte sie, um gleich zu relativieren. Dass die „marode Infrastruktur“ mit Blick auf die Mietpreiserhöhungen und nicht funktionierenden Rolltreppen in Neukölln ihr „positives Berlin-Gefühl“ schmälert. Deutsch sei die Sprache, in der sie sich sicher fühle. Und Baku? Da sei sie wieder öfters, doch in der Stadt ist heute nichts mehr so wie es war.