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Weltmeisterschaft

Deutschland-Mexiko auf Isnyerisch

Isny / Lesedauer: 4 min

Roman Graf lebt seit 18 Jahren im Land des ersten WM-Gegners am Sonntag
Veröffentlicht:15.06.2018, 19:34

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Fußball-Deutschland träumt am Sonntag im ersten Spiel bei der Weltmeisterschaft von einem Sieg gegen Mexiko . Ein Isnyer verbindet mit dem mittelamerikanischen Land dagegen die Verwirklichung seines Lebenstraumes: Vor ziemlich genau 18 Jahren, „im Mai 2000 bin ich umgezogen“, erzählt Roman Graf. Heute lebt er in Playa del Carmen, einer knapp 400 000 Einwohner zählenden Stadt auf der Halbinsel Yucatan im Bundesstaat Quintana Roo. Der Urlaubs-ort an der Karibikküste, der sogenannten Riviera Maya, ist vor allem bekannt für die Korallenriffe und von Palmen gesäumte Sandstrände.

Bis zu seiner Auswanderung arbeitete Roman Graf als Drucker in der Firma Walcker an der Neutrauchburger Straße. Dreischichtbetrieb. Manchmal Sechs-Tage-Woche. Bei gutem Verdienst zwar, mit netten Kollegen. Vielen Freunden in Isny , ein großer Teil aus der einstmaligen Punker-Szene, die es damals noch gab in der Stadt. Jedoch: „Viele sind damals nach Berlin“, erinnert sich Graf, „und mit 36 Jahren war es für mich Zeit, was zu verändern“.

Gedanken seien in seinem Kopf gekreist, dergestalt: „Wer viel reist, ist auf der Suche nach etwas.“ Nicht sicher, ob er fündig wird. Andererseits: „Du solltest dir die Welt anschauen, solange du das kannst.“ Die Waage zum Entschluss zu gehen, die Heimatstadt hinter sich zu lassen, kippte schließlich wegen Grafs Leidenschaft, der er schon im Allgäu fröhnte: „Die Liebe zum Tauchen.“

In Mexiko konnte er sie zum Beruf machen. Noch mit Unterstützung aus Deutschland fing er in einem „Robinson Club“ an, als Tauchlehrer zu arbeiten. Und ein Ex-Eishockeyspieler aus dem schweizerischen Davos, Lothar Batt, führte ihn schließlich an einen Ort, der Graf bis heute zum Schwärmen bringt: die „Cenote Taj Mahal“, auch Tajma Ha, eine Unterwasserhöhle. Cenote komme aus der Sprache der Maya und bedeute Brunnen, erklärt Graf. Durch die riesige, kreisrunde Öffnung der Höhle fallen die Sonnenstrahlen ins Wasser, was ihr die Erhabenheit eines Tempels gibt. Immer wieder geht Graf hier auf Tauchgang.

Oder anderswo: An der Karibikküste Yucatans liegt das größte Unterwasser-Höhlensystem der Welt. Ein Paradies für Taucher. Im Februar dieses Jahres entdeckte der Deutsche Robert Schmitter , der seit Jahrzehnten dort taucht, die längste Unterwasserhöhle der Welt, die Geschichte ging durch die Weltpresse. Graf kennt den Tauchlehrer, bei dem Schmitter gelernt hat, „das war allerdings noch vor meiner Zeit“.

Über 1000 Kilometer Höhlengänge seien erforscht, erzählt der Isnyer weiter, andere seien schwer zugänglich, es gebe jede Menge Sackgassen. Sein tiefster Tauchgang habe ihn 100 Meter hinab geführt: „Du machst einen Kilometer in der Stunde, wenn eine Höhle erforscht ist“, erklärt Graf. Weil vielerorts schlechte Sicht herrsche, führt er immer eine Leine hinter sich her, „etwa drei Millimeter dicke Nylon-Schnüre, abgewickelt wie von einer Leinenspule“.

Die Arbeit im Club hat Graf irgendwann hinter sich gelassen. Heute arbeitet er „freiberuflich als Tauchlehrer fürs Meer, fürs Grotten- und Höhlentauchen, und ich biete Services für Tauchläden an“. Bis dahin war es ein weiter Weg: „Für ein Visum brauchst du feste Arbeitspapiere.“ Eine permanente Aufenthaltsgenehmigung erteile Mexiko erst nach zehn Jahren, „Jobwechsel“ hätten ihn zurückgeworfen, in der Summe das zu erreichen, „es wurde gecancelt und ich musste neu verlängern“, schildert Graf die bürokratische Begleitmusik seines Lebenstraums. Als „Freelancer“ hat er nun vier Jahre angesammelt auf dem Weg, für immer in der Karibik leben zu können.

Ein Haar in der Suppe sei latenter Rassismus einiger Mexikaner: „Du bist Weißbrot, eine goldene Gans“, habe er schon hören müssen. Was ihm außerdem fehle, sei ein gutes Bier. „Korona ist viel Chemie“, sagt Graf über die mexikanische Landesmarke. Immerhin gebe es in Playa del Carmen „einen Bäcker aus Illertissen“ und einen deutschen Metzger, „und ein Ostberliner hat einen Biergarten, die Schweinshaxe dort geht“, sagt der Isnyer und schmunzelt.

Eine durchaus auch denkbare Zukunft wäre, „in die Gastronomie oder eine kleine Brauerei-Gaststätte einzusteigen“. So weit ist es noch nicht. Also auch kein selbst organisiertes „Public Viewing“ zur Fußballweltmeisterschaft, außerdem gebe es kein Sky TV. So wird Roman Graf „normal TV schauen“. Dass Deutschland gegen Mexiko erst nachts um ein Uhr Ortszeit läuft, stört ihn nicht, er kann ausschlafen, im Moment hat er nicht viel zu tun in der Karibik: „Pisswetter, Nebensaison und ein genialer Hexenschuss“, schreibt er am gestrigen Freitag per WhatsApp. Sein Tipp fürs Spiel in Moskau: „Zwei zu eins für Deutschland – ich hoffe, ich werde nicht erschossen“, lautet die Kurznachricht – mit einem lachenden Smiley.