StartseitePolitikInterview zur Wahl in Italien: „Grillo ist für Außenstehende ein Alptraum“

Instabilität

Interview zur Wahl in Italien: „Grillo ist für Außenstehende ein Alptraum“

Ravensburg / Lesedauer: 4 min

Katja Plate von der Konrad-Adenauer-Stiftung analysiert die Wahlen in Italien
Veröffentlicht:27.02.2013, 07:30

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Der Wahlausgang in Italien könnte dort die nötigen Wirtschaftsreformen stoppen. Katja Plate, Chefin des Rom-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, befürchtet zudem eine längere Phase der politischen Instabilität. Dies könne das Land weiter nach unten ziehen. Mit Katja Plate sprach unser Redakteur Uwe Jauß.

SZ : Im Ausland haben die Börsen negativ auf den Ausgang der Wahl in Italien reagiert, Wirtschaftspolitiker geben sich erschrocken. Was bedeutet das Wahlergebnis für die italienische Wirtschaft?

Katja Plate: Entscheidend ist nun zunächst, ob eine Regierung gebildet werden kann. Und wenn ja, welche Regierung gebildet wird. Folgt man den Wahlkampfaussagen, würde eine Mitte-Links-Regierung im Großen und Ganzen die bisherigen Wirtschafts- und Finanzreformen Mario Montis weiterführen. Bei einem klaren Sieg dieses Lagers hätten die Börsen wohl nicht so negativ reagiert. Das Mitte-Rechts-Lager um Berlusconi hatte im Wahlkampf angekündigt, nicht nur die umstrittene Immobiliensteuer abschaffen zu wollen, sondern auch zahlreiche Reformen der letzten Monate rückgängig zu machen. Dringend notwenige Schritte zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Italiens wären dann wohl gescheitert.

SZ: Beide Lager sind in etwa gleich stark. Ist es überhaupt vorstellbar, dass eine Regierung zustande kommt?

Plate: Berlusconi zumindest geht gegenwärtig auf das Mitte-Links Lager zu. Bei Neuwahlen müssten beide Lager befürchten, weiter zugunsten der dritten Kraft, der Fünf-Sterne-Partei von Beppe Grillo, zu verlieren. Ein Links-Rechts-Bündnis wäre aber äußerst brüchig. Die verschiedenen Lager trennen tiefe Gräben. Die wechselseitigen Beschimpfungen während der letzten Wochen haben Bände gesprochen. Politisch ist im Moment aber momentan weiter alles in der Schwebe. Auch Neuwahlen bleiben wahrscheinlich. Für die Entwicklung der Wirtschaft ist diese Ungewissheit natürlich schlecht.

SZ: Was will eigentlich Grillos Bewegung?

Plate: Prinzipiell ist bei ihr für fast jeden was dabei – bessere Ausstattung der Schulen, Sanierung des Gesundheitssystems, mehr Umweltschutz bis hin zum einem garantierten Grundeinkommen. Die Bewegung lebt im Moment aber stärker vom Protest gegen die traditionelle politische Kaste – wie man hier in Italien sagt. Grillo ist für Außenstehende ein Alptraum, weil er ein Populist und nicht einzuschätzen ist. Viele Italiener verbinden mit ihm und seiner Bewegung aber die Hoffnung auf einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Wandel.

SZ: Wie kann es sein, dass gleich beim ersten Anlauf etwa ein Viertel der Wähler für eine solche Gruppe stimmt, die viel verspricht, davon aber wohl nur wenig halten kann?

Plate: Viele Italiener haben vor dem Urnengang sicher keine makroökonomische Analyse zur wirtschaftlichen Entwicklung ihres Landes gemacht. Sie haben eher in ihre Geldbörse geschaut und gesehen, dass dort weniger drin ist als in den Jahren zuvor. Dies trug zur Abstrafung der Partei des bisherigen Ministerpräsidenten Mario Monti, zum Wiederaufstieg Berlusconis und dem Erfolg Grillos bei.

SZ: Fragt sich denn niemand, wie die Politiker ihre Versprechen einlösen wollen?

Plate: Die Frage nach der Finanzierung von Wahlversprechen ist in Italien nicht sehr üblich. Große Versprechungen und laute Sprüche dominierten den Wahlkampf – weniger die Details ihrer Umsetzung. Dabei hat Italien weiterhin riesige Probleme zu bewältigen. Es herrscht zum Beispiel eine unglaublich hohe Jugendarbeitslosigkeit von rund 30 Prozent. Hier fehlten im Wahlkampf wirklich überzeugende Konzepte.

SZ: Welche Rolle spielt der Unterschied zwischen Norditalien mit seinen Industriezentren und dem eher armen Süden?

Plate: Der Unterschied ist in der Tat enorm. Wobei es zu einfach ist, nur vom erfolgreichen Norden und dem schwachen Süden zu reden. Auch im Süden gibt es innovative Wirtschaftsprojekte. Aber es ist zum Bespiel so, dass Wirtschaftsreformen, die dem Norden helfen, dem Süden schaden können – und umgekehrt. Hier muss mit Bedacht ans Werk gegangen werden.

SZ: Interessiert es denn die Italiener, wie ihr Verhalten im Ausland wahrgenommen wird?

Plate: Die Wahrnehmung im Ausland interessiert die Italiener schon. Viele haben es als beklemmend empfunden, dass Italien bis zum Sturz der Regierung Berlusconi im November 2011 im Ausland als Problemfall angesehen wurde. Und man war froh, als sich dies unter der Regierung Monti änderte. Bei den Wahlen spielt aber die Innenansicht die entscheidende Rol le.