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Landmetzgerei

Die erste Fleischsommelière Baden-Württembergs

Horgenzell / Lesedauer: 4 min

Die erste Fleischsommelière Baden-Württembergs
Veröffentlicht:04.08.2017, 18:01

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Es gibt Weinsommeliers, Käse- oder Biersommeliers, und bei der Landmetzgerei Eberle in Horgenzell gibt es jetzt sogar einen Fleischsommelier, genauer gesagt die erste Fleischsommelière Baden-Württembergs und die sechste deutschlandweit. Metzgereimeisterin Gerlinde Baumgärtner wollte sich weiterbilden, mehr erfahren über das Metzgerhandwerk und am Ball der Zeit bleiben und machte das obligatorische Seminar zum Fleischsommelier bei der Fleischerakademie in Augsburg.

„Ein Fleischsommelier ist ein Genussführer“, erklärt Gerlinde Baumgärtner. Und der Begriff Genussführer beschreibt die Aufgabe des Fleischsommeliers sehr genau. Denn eine der Hauptaufgaben eines Fleischsommeliers ist die richtige Beratung der Kunden, schließlich ist Beratung heute immer mehr gefragt. Grillen liegt im Trend, die Nachfrage nach besonderen Fleischstücken wächst. Vor allem aus der amerikanischen Barbecue-Tradition schwappt immer mehr nach Oberschwaben. So gilt es zu wissen, was ein Flanksteak vom Rind ist, ein Couscino vom Schwein oder ein T-Bone.

Vom Suppenfleisch zum Edelsteak

Früher hat man solche Fleischteile als Suppenfleisch verwendet oder verwurstet, aber mit dem richtigen Schnitt und der richtigen Zubereitung können Edelsteaks aus solchen Stücken werden. „Es gibt mittlerweile so viele Kochshows, die immer wieder neue Rezepte zeigen, die auch unsere Kunden nachmachen wollen, aber sie brauchen oft Tipps, wie man was genau angeht. Der Kunde ist viel wissbegieriger als früher“, berichtet Baumgärtner. Denn gerade bei Grillware beschränkt sich die Nachfrage schon lange nicht mehr auf Würste und klassische marinierte Steaks. Gerlinde Baumgärtner weiß auch, warum gerade Grillen so im Trend liegt: „Früher saß man zusammen beim Mittagessen. Das wird heute immer weniger. Mit dem Grilltrend geht man aber genau wieder in diese Richtung. Man sitzt zusammen, grillt, genießt, verbringt die Zeit zusammen und isst.“

Mit Beratung und auch neuen (vor allem Grill-) Trends wollen die Metzgereien punkten. Mittlerweile gibt es immer mehr Fleischsommeliers in Deutschland, auch wenn sie in der Region noch rar sind. Es werden aber mehr. „Man muss mit der Zeit gehen. Man darf nicht stehen bleiben“, sagt Franz Xavier Eberle, der Chef der Landmetzgerei. Für ihn ist Gerlinde Baumgärtnerin als Fleischsommelière ein absoluter Gewinn, wie er sagt. Die 55-jährige Fronhofenerin, die in Altshausen wohnt, erklärt zum Beispiel den Kollegen aus der hauseigenen Produktion, sprich Schlachterei, auch, wo man welches Stück Fleisch findet und wie es geschnitten werden muss.

Insgesamt verzeichnet die Metzgerei Eblere Wachstum beim Geschäft, wie hoch, das will der Chef lieber nicht in der Zeitung lesen. Neue Verkäuferinnen wurden eingestellt. Abzüglich Chef und seiner Frau arbeiten im Laden zehn Angestellte, zuzüglich Aushilfskräfte. In der hauseigenen Produktion sind sechs Mitarbeiter beschäftigt. „Man merkt, dass immer mehr Menschen Wert auf Qualität und Regionalität legen. Manche unserer Kunden kommen aus Ravensburg oder auch Friedrichshafen. Viele kennen auch die Bauern, die uns beliefern“, berichtet er. Kunden fragen nach, wo das Fleisch herkommt. Laut Eberle kommt das Fleisch aus der Gemeinde Horgenzell und den umliegenden Gemeinden. „Wir können den Menschen noch eine Geschichte erzählen“, sagt Gerlinde Baumgärtner. Doch trotz des steigenden Umsatzes ist es für die Landmetzgerei extrem schwierig, Fachpersonal zu finden, vor allem am Nachwuchs hapert es. Kaum noch jemand will das Metzgerhandwerk lernen. „Wir würden gerne ausbilden, es ist ja auch schön, das Handwerk weiterzugeben, aber es fehlt an Bewerbungen“, berichtet Sylvia Eberle. Und es mangele auch an der Qualität der Bewerbungen. Vielleicht kann auch ein Fleischsommelier ein Anreiz sein, das Handwerk zu lernen, meint Eberle.

Wer dann Gerlinde Baumgärtner von ihrem Beruf erzählt und von ihrer Tätigkeit berichtet, dem wird klar: Sie lebt ihren Traum. „Das Metzgerhandwerk begleitet mich mein ganzes Leben. Meine Tante und meine Onkels waren Metzger und ich wollte nach der Schule einen Beruf erlernen“, erzählt sie. So machte sie ihre Lehre bei Walser in Ravensburg, aber hat sich stetig weitergebildet. Sie machte Station im Schwarzwald oder in Südtirol, um sich Wissen anzueignen, und absolvierte ihre Meisterprüfung.

Respekt vor dem Tier

Wichtig ist ihr vor allem der bewusste Umgang mit Fleisch. „Es ist mir wichtig, dass unsere Ware Fleisch nicht zur Ramschware wird“, sagt sie. Richtige Tierhaltung sei ihr wichtig, denn das merkt man auch dem Fleisch an. „Tiere, die auch ans Tageslicht kommen, nicht zusammengepfercht sind, nicht gestresst sind und mit gutem Getreide und Gras gefüttert werden, haben besseres Fleisch. Wenn sie draußen sein können, gibt es gutes und festes Fleisch“, berichtet die Sommelière. „Man muss auch nicht jeden Tag Fleisch essen – lieber weniger und dafür gutes Fleisch. Denn viele geben Hunderte oder Tausende Euro für einen Grill aus, aber denken nicht darüber nach, was sie auf den Grill legen.“

All das will Gerlinde Baumgärtner auch an die Kunden weitergeben. „Wir Metzger haben Respekt vor dem Tier, deswegen wollen wir auch alles verwerten, was das Tier hergibt“, sagt sie. Der Fleischsommelier kann dazu einen wertvollen Beitrag leisten.