StartseiteRegionalOberschwabenFronreuteFrühlingsspaziergang statt Gästeführungen

Gästeführung

Frühlingsspaziergang statt Gästeführungen

Fronreute / Lesedauer: 4 min

Gegen Coronavirus und Unvernunft scheint noch kein Kraut gewachsen. Und so soll sich im Kanzleramt diesen Samstag entscheiden, ob im Bemühen um ein Eingrenzen der Pandemie künftig eine Ausgehsperre...
Veröffentlicht:20.03.2020, 16:02

Artikel teilen:

Gegen Coronavirus und Unvernunft scheint noch kein Kraut gewachsen. Und so soll sich im Kanzleramt diesen Samstag entscheiden, ob im Bemühen um ein Eingrenzen der Pandemie künftig eine Ausgehsperre droht.

Schade wäre es, wenn der Spaziergang am Donnerstag an der Blitzenreuter Seenplatte mit Marianne Lörcher für unbestimmte Zeit der letzte gewesen wäre. Die Gästeführungen um Schreckensee, Häcklerweiher und Vorsee sind jedenfalls eingestellt. Doch noch kann man auf eigene Faust dieses schöne Fleckchen Erde erkunden – im Alleingang beziehungsweise maximal in einer Dreierrunde oder mit den Menschen, mit denen man zusammenlebt.

40 Gästeveranstaltungen waren geplant

Rund 40 Gästeveranstaltungen mit einem Dutzend je nach Fachgebiet versierten Führern hatten die Gemeinden Wolpertswende und Fronreute für 2020 geplant. Nur eine – die zur Märzenbecherwiese im Schenkenwald mit Gerhard Tempel – hat stattfinden können. Im April wollte Gästeführerin Marianne Lörcher „Faulbaum, Seidelbast und Co.“ vorstellen. Gestrichen, und ihre sechs weiteren Parts im Rahmen des Seenplatten-Programms auch.

 Buschwindröschen
Buschwindröschen (Foto: Schwegler/Schwäbische.de)

Obwohl ihre Vorbereitungen genauso wie jene ihrer Kollegen nun obsolet sind, macht sie Mut, auf eigene Faust hinaus ins Freie zu gehen. „Die erwachende Natur im Frühling tut doch gut“, meint sie. Frische Luft macht gute Laune. Immerhin hat der Virologe Christian Drosten per TV wissen lassen, dass Aufenthalte im Freien trotz Coronavirus möglich sind, vorausgesetzt die Menschen verhalten sich vernünftig und halten gebührend Abstand. Ihr Trost: Dank Google lasse sich das eine oder andere Kräutchen auch ein Stück weit selber erkunden.

Vom Aussterben bedrohte Tiere und Pflanzen

Marianne Lörcher zeigt der SZ-Mitarbeiterin, worauf bei einer Führung jetzt das Augenmerk gelenkt würde. Hinaus aufs Wasser und auf die „Streuwiese“, wo vom Aussterben bedrohte Tiere und Pflanzen wie Knabenkräuter oder Mehlprimel wohnen, oder auf Plätze, wo wilde Orchideen und noch später im Jahr die Herbstzeitlosen blühen. Sie weiß um die heilende Kraft, welche die Birke spendet und den Zauber des bescheidenen Gänseblümchens. Dessen Blüten machen sich nicht nur gut auf dem Teller oder im Salat gut, es hat auch Heilwirkung bei Husten, Hautproblemen und Gelenkschmerzen.

 Marianne Lörcher kennt sich mit der Flora und Fauna an der Blitzenreuter Seenplatte bestens aus.
Marianne Lörcher kennt sich mit der Flora und Fauna an der Blitzenreuter Seenplatte bestens aus. (Foto: Schwegler/Schwäbische.de)

Während draußen auf der Wiese das Köpfchen zur Sonne reckt, trifft man drin im Wald schon auf den Huflattich, dem entzündungshemmende und blutstillende Wirkung nachgesagt wird. Sauerklee sprießt überall, sitzt auch wie eine dicke Wuschelfrisur auf einem Baumstumpf. Vitamin C enthält er und Kieselerde. Frisch gekaut rege er den Speichelfluss an und wirke so gegen den Durst. Was schon manche Wanderung mit Kindern gerettet hat.

Erdbeerfingerkraut und Waldanemone

Die Zutaten zu Hustentee aus Blaubeere, Himbeere und Erdbeere findet man im Wald, wobei am Häcklerweiher die Walderdbeeren noch keine Blüten treiben im Unterschied zum Erdbeerfingerkraut. Dieses ist laut Lörcher keine Beere, sondern ein Rosengewächs und nichts zum Essen. Genauso wenig wie das Buschwindröschen, auch bekannt als Waldanemone. Wie große Kissen sind ganze Felder davon in den Wald am Weiher gebettet. „Sie sind einfach nur schön“, freut sich die Gästeführerin und geht weiter zum Wechselblättrigen Milzkraut, das an schattigen Stellen gedeiht. Auf feuchten Böden und halbschattig blüht auch die schwefelgelbe Hohe Schlüsselblume, nicht zu verwechseln mit der echten Schlüsselblume, die dottergelbe, stark duftende Blüten mit orangefarbenen Flecken (Saftmale) im Schlund der Blüten habe.

Die Wanderung führt an Torfmoos-Bulden vorbei, auf denen noch einzelne Moosbeeren gucken, die den Winter überlebt haben „und die wie Cranberries schmecken“, sagt Marianne Lörcher. Sie macht mit den Riedklassikern bekannt: dem Rohrkolben mit dem zweiteiligen, wie Zuckerwatte aussehenden, Blütenstand, der dreikantigen Segge und dem runden Halm der Binse. „Wenn du diesen öffnest, dann kommt die Binsenweisheit raus“, lacht die Führerin. Wenn die Vernunft einkehren und die Ausgangssperre ausbleiben wird, könne man am Häcklerweiher den Wahrheitsgehalt ja überprüfen.

Hochgiftig, jedoch wunderschön

Auf jeden Fall sollte der Weg über die Seenplatte Weg zurück zum Häcklerparkplatz über den Vorsee führen. Dort reiht sich Seidelbast an Seidelbast, leider schon am Verblühen. Er ist zwar hochgiftig, jedoch wunderschön anzuschauen mit seinen rose bis ins Lila gehenden Blüten und roten Früchten, wegen derer er mancherorts auch Bergpfeffer genannt wird.

Jedoch nicht nur wegen all der botanischen Schätze und Besonderheiten lohnt sich auch in kritischen Corona-Zeiten ein Ausflug ins Gebiet um den Häckler. Skulpturen aus Stahl von Robert Schad und naturgemachte von Wind und Wetter, Frösche und vereinzelt schomn Schmetterlinge, Vogelgezwitscher sowie ein Denk-mal-, Mach-mal und Schau-mal-Weg versprechen jede Menge Spaß und Erholung an frischer Luft.