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Ein Allgäuer hat im Ruhrpott sein Glück gefunden

Dietmanns / Lesedauer: 6 min

Für den Dietmannser Heiko Butscher beginnt als Jugendtrainer beim VfL Bochum ein neuer Lebensabschnitt
Veröffentlicht:17.08.2015, 15:58

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Während seiner fußballerischen Karriere ist er nie im großen Rampenlicht gestanden, stets aber galt der Dietmannser Heiko Butscher als „Musterprofi“. Als er als Kapitän des SC Freiburg vom damaligen Trainer Marcus Sorg aussortiert wurde, starteten die Fans im Breisgau seinerzeit eine Solidaritätsaktion („Wir sind alle Heiko!“). Über die weitere Station Eintracht Frankfurt beendete Butscher am 1. Juli bei Zweitligist VfL Bochum seine aktive Fußballer-Karriere. Im Interview mit Markus Brändle äußert er sich über die Entwicklung in der Bundesliga, über seine unangenehmsten Gegenspieler - und warum er als Kind in VfB-Stuttgart-Bettwäsche schlief.

Herr Butscher, wo erreichen wir Sie gerade?

Heiko Butscher: In Bochum, wir leben inzwischen hier.

Wer ist „wir“?

Meine Ehefrau Maren, sie ist eine gebürtige Bochumerin, und unsere beiden Kinder Mats und Moritz.

Für einen Allgäuer ist das Ruhrgebiet eine ziemliche Umstellung …

Ich bin es gewohnt, mich umzustellen. Immerhin bin ich schon mit 18 nach Karlsruhe gewechselt. Irgendwann wollten wir uns entscheiden, wo unsere Basis sein soll. Und nachdem es in Freiburg überraschend keine Zukunft für mich gab, haben wir uns für Bochum entschieden.

Wo Sie 2005 auch Ihren ersten Profi-Vertrag unterschrieben hatten?

Richtig. Im Übrigen gefällt mir die Mentalität hier. Die Leute sind wahnsinnig offen, sehr direkt. Auch ist hier nicht alles grau und Kohle. Es gibt sehr, sehr schöne Ecken hier.

2008 sind Sie nach Freiburg gekommen, 2012 im Winter war dann überraschend Schluss …

Ja, das kam total überraschend. Freiburg war meine erfolgreichste Zeit. Ich war dort sehr, sehr lange Kapitän. Dann wurde mir nahegelegt, den Verein zu wechseln. Zu dem Zeitpunkt hatten wir uns noch vorgestellt, für immer in Freiburg zu bleiben.

Damals kam es zu der erstaunlichen Solidarisierung der Fans mit Ihnen. Auf Transparenten stand zu lesen: „Wir sind alle Heiko!“

Ja, das ist schon schwer, wenn es plötzlich heißt: Kuck dich nach einem neuen Verein um! Aber so ist der Fußball: wahnsinnig schnelllebig.

Wie ging es dann für Sie weiter?

Das Aus bei Freiburg hatte auch sein Gutes. Dann kam Eintracht Frankfurt . Das war eine sehr erfolgreiche, sehr intensive Zeit. Ich bin froh, dass ich diese Erfahrung mitnehmen durfte. Mit dem Uefa-Cup war es sogar eine sensationelle Zeit.

Gleichwohl: Was verbinden Sie mit Freiburg? Haben Sie damals auch Christian Streich erlebt?

Ja, Christian Streich war offiziell Co-Trainer damals. Er war immer bei den Profis dabei. Ich halte von ihm als Trainer wahnsinnig viel. Mit der Fußballschule wird in Freiburg das absolut richtige Konzept verfolgt. Davon konnte ich beim VfL profitieren, wo ich jetzt offiziell Co-Trainer der U 16 bin.

Hegen Sie noch Groll gegen Marcus Sorg , der Sie damals beim SC aussortiert hat?

Nein, ich kann über ihn nichts Schlechtes sagen. Er hat als Trainer sehr viel Ahnung. Nicht von ungefähr wird er jetzt dann die deutsche U 21 trainieren. Überhaupt konnte ich von jedem meiner Trainer sehr viel mitnehmen. Als Spieler habe ich mir sehr oft überlegt: Was ist die Denke des Trainers?

Nennen Sie Beispiele.

Den Armin Veh in Frankfurt habe ich sehr, sehr geschätzt als Mensch. Armin Veh hat mir auch zum Trainerberuf geraten. Robin Dutt hat mir in Freiburg das fußballerische Rüstzeug beigebracht, und Marcel Koller hat mich begleitet, als ich den Schritt zurück in die Zweite Liga zum VfL Bochum gemacht habe.

Haben Sie eigentlich immer schon Innenverteidiger gespielt?

Nein, ich habe beim FC Wangen als Außenstürmer angefangen und damals mit 18 Jahren durch einige Tore in der Verbandsliga auf mich aufmerksam gemacht. Reinhold Fanz hat mich dann beim KSC zum linken Verteidiger umgeschult. Und beim VfB Stuttgart, unter Rainer Adrion, habe ich zum ersten Mal Innenverteidiger gespielt. Da bin ich anfangs rumgelaufen wie ein Stück Brot…

Wie lief es beim VfB für Sie?

Das war für mich fast wie ein Traum. Von Kind auf war ich glühender VfB-Fan. Ich habe auch in Bettwäsche vom VfB geschlafen. Als sich Philipp Lahm den Mittelfuß gebrochen hatte, kam in der Winterpause der Anruf, ich solle nachmittags ins Training der Profis kommen. Nur war ich damals in Dietmanns (bei Bad Wurzach) beim Christbaumloben unterwegs, was bekanntlich mit dem Verzehr von Hochprozentigem einhergeht. Weil ich schlicht nicht mehr Autofahren konnte, musste ich die Stuttgarter auf den anderen Tag vertrösten.

Was dann auch kein Problem war…

Nein. Die meiste Zeit habe ich dann bei den Profis trainiert. Matthias Sammer war damals Trainer, und bei mir lief es so gut, dass andere Mannschaften auf mich aufmerksam wurden.

Themenwechsel. Wer waren denn die unangenehmsten Gegenspieler in Ihrer Karriere?

Claudio Pizarro, als der noch in Bremen spielte, war ein Stürmer, der wirklich alles konnte und einen unheimlichen Torriecher hatte. Er ging immer dorthin, wo es weh tat. Dabei war er kein Arschloch auf dem Platz, der hat dich nie beleidigt, war immer sogar relativ nett. Unfassbar gut war auch Papiss Demba Cissé beim SC Freiburg.

Sonst noch ein Stürmer, gegen den Sie ungern gespielt haben?

Thomas Müller mit seiner unkonventionellen Art. Als Verteidiger ist der unheimlich schwer zu bespielen.

Wie kommen Sie zu dem Attribut „Musterprofi“?

Ich war ja kein begnadeter Kicker, aber ich habe immer ein bisschen mehr gemacht als andere. Ich hatte immer eine sehr gute Einstellung.

Wie sind Ihre Tipps für die neue Bundesliga-Saison?

Ich hoffe einfach wieder auf eine ausgeglichene Liga. Hinter Bayern wird es wahnsinnig spannend. Es werden wieder sechs Teams gegen den Abstieg spielen; ein richtiges Tabellen-Mittelfeld wird es vermutlich gar nicht geben.

Wie wird die Bundesliga die Konkurrenz durch eine immer finanzstärker werdende Premiere League in England verkraften?

Ich glaube, dass die Bundesliga weiter zu den besten Ligen der Welt gehören wird. Weil seriös gearbeitet wird und weil jeder Spieler sein Geld pünktlich bekommt. Ich sehe das auch als Chance, dass bei uns wieder mehr auf den Nachwuchs geachtet wird. Das ist auch für mich die Herausforderung als Nachwuchstrainer.

Wie erleben Sie in Bochum Legenden wie Jupp Tenhagen oder „Ata“ Lameck?

Den Ata Lameck seh ich alle zwei bis drei Tage auf der Geschäftsstelle. Er betreut die Traditionsmannschaft und er liegt mir in den Ohren, da auch mitzumachen. Wenn man ihn erlebt, weiß man, wie der Ruhrpott tickt.

Mit Janik Haberer spielt aktuell wieder ein Allgäuer in Bochum …

Ich hör’ von ihm nur Positives, bis jetzt hat er voll eingeschlagen.