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Flächenfraß

Uwe Hertrampf: „Flächenfraß reißt Klimaziele des Regionalverbands krachend“

Baienfurt / Lesedauer: 4 min

Baienfurter G+U-Fraktionschef kritisiert den Entwurf des Regionalplans und findet keine Mehrheiten
Veröffentlicht:04.03.2021, 07:00

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Der Entwurf des Regionalplans sieht ein rund 70 Hektar großes interkommunales Vorrangsgebiet für Industrie und Gewerbe am Standort Niederbiegen/Schachen vor. Ein Superlativ, denn nirgendwo sonst im ganzen Gebiet des Regionalverbands, der drei Landkreise umfasst, ist ein größeres Gewerbegebiet geplant. Ein Riesenverbrauch an Flächen. Im Fall Baienfurt kommen noch Flächen für neue Baugebiete hinzu, insgesamt ein Flächenfraß, der die Klimaziele der Region krachend reiße, fand Uwe Hertrampf, Sprecher der Fraktion der Grünen und Alternativen, in der jüngsten Gemeinderatssitzung.

Es begann in dieser Sitzung alles ganz harmonisch. Nach der umfangreichen Debatte zum Kiesabbau im Altdorfer Wald samt Gutachten der Experten und dem einstimmigen Nein zu den Aussagen des Regionalverbands (wir berichteten), ging es um kommunale, künftige Gewerbe- und Baugebiete vor Ort. Alles, was im Regionalplan-Entwurf steht und vor allem in der Stellungnahme des Stuttgarter Anwaltsbüros, die Dr.Reinhard Heer erläuterte, schien konsensfähig. Das gilt auch für Bürgermeister Günter A.Binders Forderung, vom geplanten interkommunalen Gewerbe- und Industriegebiet sollten 15 Hektar für ein eigenes, Baienfurter Gewerbegebiet abgezweigt werden. Die Gemeindeverwaltung wies auf den Bebauungsplan Waldbad hin, der ein Sondergebiet für Hotel, öffentliches Restaurant, Sportanlagen, Tiefgaragen vorsieht. Weiter steht in Dr.Heers Stellungnahme die Absicht, das sogenannte Wasserschloss in Kickach, das einst der Wasserversorgung der Papierfabrik Stora Enso diente, einer touristischen Nutzung zuzuführen.

Ja, und mehrere neue Wohngebiete soll es in Baienfurt in den nächsten Jahrzehnten auch geben: ein Gelände jenseits des aktuellen Wohngebiets Altdorfer Ösch bis zum Höhenweg, dazu ein Gebiet die Briachhöhe hoch, ein Gebiet links der Friedhofstraße bis zur Mochenwanger Straße, ein Wohngebiet auf dem Beton-Wolf-Areal, das nach langen Jahren des Wartens nun alsbald aktuell zu werden verspricht.

Es schien also, als ob alle diese „Projekte“ im Gemeinderat konsensfähig wären. Doch dann meldete sich Uwe Hertrampf zu Wort. „Ich finde, ein Weniger täte uns gut und würde unsere Haltung zum Regionalplan konsequenter und glaubwürdiger erscheinen lassen“, sagte er unter Hinweis auf das Nein des Baienfurter Gemeinderats zum Kiesabbau, zu Klimaschutz und Flächenverbrauch (wir berichteten).

Hertrampf zitierte die regionalen „Scientists for Future“, eine Gruppe von Wissenschaftlern, die kritisierten, dass wegen des überzogenen Flächenverbrauchs des Regionplan-Entwurfs die Klimaziele der Region „krachend gerissen“ würden. Die geplante Bebauung setze rund 500 000 Tonnen CO2 frei. Es gehe, befand Hertrampf, bei der Ausweisung von Baugebieten um eine Begrenzung des Flächenfraßes im kommunalen Handeln, nicht nur um Lippenbekenntnis. Er wies darauf hin, dass die Scientists for Future im Entwurf des Regionalplans einen „überhöhten“ Flächenverbrauch von 2700 Hektar für Wohnen, Gewerbe und Verkehr sehen.

Gehe man davon aus, dass Baienfurt laut Statistischem Landesamt bis 2035 nur um etwa 260 Einwohner wachse, bedarf es nach Ansicht Hertrampfs mehrerer Baugebiete nicht. Nein sagt der Grüne Gemeinderat unter anderem zum Erweiterungsgebiet Altdorfer Ösch und zum Briach-Höhenweg, aber ja zu einem Baugebiet links der Friedhofstraße und zur verdichteten Bebauung des Beton-Wolf-Geländes, das bis zu 250 Einwohnern eine Heimat bieten könnte. Auch mögliche Pläne für das Wasserschloss Kickach lehnt er ab. Und das interkommunale Gewerbegebiet in Niederbiegen ist für Hertrampf nur im Dreierpack möglich. Knapp zehn Hektar Wohnbebauung müssten für Baienfurt reichen, findet er.

Er sei da wohl ein Rufer in der Wüste, zieht Uwe Hertrampf am Ende Bilanz. Und so kam es dann auch. Bürgermeister Günter A.Binder verteidigte die Strategie der Gemeinde. Ob die im neuen Regionalplan ausgewiesenen Flächen tatsächlich entwickelt, also verbraucht werden, sei entscheidend. Wenn er sehe, was in der Nachbarschaft an Flächen ausgewiesen werden soll – „dann haben wir da Vorbildcharakter“.

In der Abstimmungsrunde fanden Hertrampfs Forderungen keine Mehrheit, ja selbst einzelne Mitglieder seiner eigenen Fraktion votierten dagegen. Ein Beobachter nach der Sitzung: „Der Prophet gilt nichts im eigenen Land, selbst wenn er recht hat“.