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Kiesabbau

Baienfurt will mit allen Mitteln gegen Kiesabbau vorgehen

Baienfurt / Lesedauer: 5 min

Baienfurter Gemeinderat erneuert Nein zum Kiesabbau im Altdorfer Wald – Was ein Geologe und ein Rechtsanwalt sagen
Veröffentlicht:19.09.2018, 17:51

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Der Widerstand gegen Pläne des Regionalverbands, ein etwa elf Hektar großes Gelände im Altdorfer Wald beim Vogter Ortsteil Grund für den Kiesabbau auszuweisen, wächst und wächst. So haben die Gemeinderäte von Baindt, Waldburg und Wolfegg erst dieser Tage zumeist einstimmig einen Kiesabbau abgelehnt, Amtzell meldete immerhin Bedenken an. Der Baienfurter Gemeinderat, Motor des Widerstands, befasste sich nun wieder ausführlich mit dem Thema, erneuerte sein striktes Nein zum Kiesabbau und beauftragte den Stuttgarter Rechtsanwalt Reinhard Heer, eine entsprechende Stellungnahme an den Regionalverband abzugeben. Bürgermeister Günter A. Binder stellte klar: „Wir werden mit allen legalen demokratischen Mitteln gegen den Kiesabbau vorgehen.“

Eine volle Stunde mussten mehrere Dutzend Besucher am Dienstagabend ausharren, ehe die öffentliche Gemeinderatssitzung im Baienfurter Rathaus beginnen konnte. Vorher tagte das Gremium nichtöffentlich.

„Wir sehen uns hinters Licht geführt“

Bürgermeister Binder sparte nicht mit Kritik am Regionalverband. Man komme aus dem Staunen nicht mehr heraus. Erst habe man versichert, das sogenannte Zielabweichungsverfahren werde bis Ende 2018 ruhen, man werde so lange warten, bis die Ergebnisse der Bodenuntersuchungen vorliegen. Dann ziehe der Regionalverband das Verfahren vor. Die Frist, bis zu der Stellungnahmen der Gemeinden zum Kiesabbau abgegeben werden dürfen, läuft bereits Ende September ab. Und nun – so der Bürgermeister – solle das Kiesabbaugebiet sogar auf elf Hektar erweitert werden. Wenn man höre, dass der Export von Kies ins benachbarte Ausland viel größer sei als von den Verantwortlichen gesagt, sei klar: Es gehe nicht nur um Kies für den regionalen Straßenbau, sondern um den Export, um wirtschaftliche Fragen also, um die Aufrechterhaltung der Anlage bei Grenis , Gemeinde Amtzell. „Wir sehen uns etwas hinters Licht geführt. Viele Bürger haben ihr Vertrauen in die Behörden verloren“, kritisierte der Bürgermeister.

Das Zielabweichungsverfahren, von der Firma Meichle und Mohr beantragt, ist notwendig geworden, weil das 3,3 Quadratkilometer große Waldstück um die Quellen des Zweckverbands Wasserversorgung Baienfurt-Baindt im Regionalplan als Wasserschutzgebiet ausgewiesen ist, nun aber in unmittelbarer Nähe ein weiteres großes Kiesabbaugebiet der Firma Meichle und Mohr entstehen soll.

Liebeserklärung an die Quelle

Geologe Hermann Schad , den der Wasserzweckverband mit einem Gutachten betraut hat, zitierte Aussagen des Bundesumweltamtes, das dazu auffordere, in Landes- und Regionalplänen mehr Wasserschutzgebiete auszuweisen. Was das Umweltamt formuliert, treffe exakt auf die Weißenbronner Quelle zu, sagte Schad. Sie schütte im Übrigen trotz dreimonatiger Trockenheit ebenso viel Wasser wie früher und biete alle Voraussetzungen für ein Vorranggebiet Trinkwasserschutz. Schad vertritt die Ansicht, dass das Wasserschutzgebiet nicht 3,3 Quadratkilometer groß sein müsse, wie Anfang der 50er-Jahre ohne exakte Bohrungen ausgewiesen, sondern etwa acht Quadratkilometer. Die Quellen könnten bis zu 150 Sekundenliter Wasser schütten, bisher etwa 60, und 60 000 bis 80 000 Einwohner versorgen.

Der Geologe hat sechs Bohrungen veranlasst, bis zu 70 Meter tief, habe aber noch keine detaillierten Ergebnisse. Deshalb hält er sich mit einer abschließenden Beurteilung zurück. So viel aber könne er sagen: „Erhebliche Umweltauswirkungen können (beim geplanten Kiesabbau) nicht ausgeschlossen werden.“ Und dann formulierte Hermann Schad fast so etwas wie eine Liebeserklärung. In seinen 35 Berufsjahren habe er noch kein Gebiet erlebt, das so einzigartig prädestiniert für ein Trinkwasserschutzgebiet sei wie die Weißenbronner Quellen.

Rechtsanwalt Reinhard Heer, der für den Zweckverband einen 15-seitigen Vorentwurf als Stellungnahme an den Regionalverband vorgelegt hat, kritisierte eine „Wende um 180 Grad“ seitens des Verbands. Der Kiesabbau habe nun Vorrang vor dem Trinkwasserschutz. Andere geeignete Gebiete für den Kiesabbau habe der Regionalverband ausgeschlossen. Auch der derzeitige Bauboom rechtfertige den Kiesabbau nicht. Nach Heers Ansicht ist der Exportanteil eher höher als acht Prozent. Offenbar gehe es vor allem um die Fortführung der Anlage in Grenis, also ums Wirtschaftliche. Die vorgezogene Auslegung der Pläne sei wohl deshalb erfolgt, weil die Zeit dränge. Auch Heer kritisierte, dass das Verfahren in Gang gesetzt wurde, bevor die Ergebnisse der geologischen Untersuchungen vorliegen.

Ärger, Empörung, Wut…

Der Ärger im Baienfurter Gemeinderat war groß, es gab Empörung und Wut über das vorgezogene Zielabweichungsverfahren in Sachen Kiesabbau. „Es ist schlimm, dass ich als Baienfurter Gemeinderat Geld in die Hand nehmen muss, um Bohrungen im Wasserschutzgebiet zu finanzieren“, ärgerte sich FWV-Sprecher Richard Birnbaum. Er höre auch nichts vom Landrat.

Arthur Pfau (SPD) kritisierte, dass er auf einen Brief, in dem er die Gründe wissen wollte, weshalb der Regionalverband das Verfahren vor Vorliegen der Bodenuntersuchungen eingeleitet hat, keine Antwort bekam. Uwe Hertrampf (G+U) beklagte, in Deutschland kenne man anders als in Vorarlberg den Schutz der Natur beim Kiesabbau nicht. Hertrampf setzte sich dafür ein, mehr eine politische Lösung zu suchen und die Abgeordneten stärker einzubinden. „Wir müssen überlegen, wie wir in den Gremien mehr Einfluss gewinnen.“ Wichtig sei für ihn, vor allem aus Umweltschutzgründen gegen den Kiesabbau zu kämpfen.

Auf die Frage des Gemeinderats Ulrich Mützel (CDU), was man denn tun könne, wenn der Regionalverband Ja sagt zum Kiesabbau, erklärte Rechtsanwalt Heer: „Dann ist eine gerichtliche Prüfung möglich“.

Brigitta Wölk (SPD) bezichtigte den Regionalverband eines „absoluten Wortbruchs“. Sie vermisse auch den Aufschrei der Umweltbehörden. Andrea Arnhold (CDU) bemerkte, die Aussage, der Abbau von Kies beeinträchtige die Wasserqualität nicht, basiere auf keinem Gutachten. Eigentlich, so die Gemeinderätin, müssten sich die Verantwortlichen auf das Gutachten Schad geradezu stützen. Aber es gehe hier wohl nicht um den Schutz des Trinkwassers, sondern um die Wirtschaftlichkeit. Otto Weiß (FWV) schließlich fand, die Firma Meichle und Mohr habe nicht tief genug gebohrt, nämlich nur bis etwa 40 Meter tief. „Unsere Quelle aber liegt etwa 60 Meter tief“.