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Schlosskapelle

Mächtige Töne auf einer kleinen Orgel

Bad Wurzach / Lesedauer: 3 min

Gregor Simon zieht beim Benefizkonzert in der Schlosskapelle alle Register
Veröffentlicht:19.10.2017, 19:52

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Wer nicht dabei gewesen ist - selbst schuld. Gregor Simon hat in der Schlosskapelle die kleine, zweimanualige Kuhn-Orgel zum Singen gebracht wie kaum ein Virtuose davor. Zum Schluss die Königsdisziplin eines jeden Organisten: über ein vorher nicht abgesprochenes Kirchenlied zu improvisieren. Pater Paulus Blum hat „Sonne der Gerechtigkeit“ ausgewählt, Seite 481 im Gesangbuch „Gotteslob“. Da spielte Simon frei auf, zog alle Register. Fantastisch. Die Spende des Abends, 355 Euro, geht an Pater Hubert Kranz für dessen Arbeit auf den Philippinen.

Zu Beginn erklangen einige kleinere Werke spanischer Komponisten. Besonders apart sind Himno I sowie Himno IV „Ave maris stella“ von Antonio de Cabezon. Die beiden Stücke umspielen einen Ton, einen Akkord, gehen auf die Gregorianik zurück. Alt und doch modern: Serielle Musik und Minimal Music nehmen diese Idee ja wieder auf, mit sich entwickelnden Grundstrukturen.

Ein fast vergessener Komponist

Fast vergessen war der Komponist Justin Heinrich Knecht aus Biberach. Der Zeitgenosse der Wiener Klassiker hatte mit 19 Jahren bereits die Stellung eines Musikdirektors der bürgerstolzen Reichstadt und schrieb eine Fülle geistlicher und weltlicher Musik. Anlässlich seines 200. Todestages wird er des öfteren aufgeführt.

Gregor Simon brachte auf der Kuhn-Orgel die gar mächtige Fantasie c-Moll – welch ein Gegensatz zu den verspielten spanischen Komponisten zuvor! - dazu eine Fuge, das Cantabile G-Dur und zwei Kirchenlieder. Eine würdige Wiederentdeckung.

Orgelwerke von Beethoven? Gibt´s die überhaupt? Nun, sehr wenige, aber viele Kompositionen des Titanen lassen sich problemlos auf die Orgel übertragen. Gregor Simon brachte eine eindrucksvolle Improvisation über das Allegro in c-Moll, dazu eine kontrapunktische Studie. Hübsch sind die beiden Flötenuhrstücke, tatsächlich selbst von Beethoven. Die Flötenuhr oder Flötenorgel war ein kostbares High-Tech-Instrument, anfangs für Könige und Fürsten, Blütezeit 18. Jahrhundert. Die Töne sind auf einer Stiftwalze gespeichert, was natürlich eine Reduzierung auf das Wesentliche bedingt. Zu vorgegebener Zeit erklang dann die Musik. Auch auf der Orgel schön, hier das „Adagio in F“ sowie das „Allegro in C“.

Pater Paulus Blum gab kundige Hinweise zu den einzelnen Stücken, zu den Komponisten. Und erläuterte die Arbeit von Pater Hubert Kranz, der seit 16 Jahren missionarisch auf den Philippinen ist. Zwei Monate war Pater Kranz jetzt auf Heimaturlaub in Bad Wurzach, dieser wird alle zwei Jahre gewährt. Am Freitag ist er zurückgeflogen, konnte so das Benefizkonzert nicht erleben. Pater Paulus Blum verlas einen Grußbrief, den Kranz kurz vor seinem Abflug geschrieben hatte. Im Seminar seien mittlerweile 48 Schüler, die Priester werden wollen, betreut von acht Patres. Die politische Situation sei angespannt. Beim Anti-Drogen-Krieg von Präsident Rodrige Duterte seien bislang mehr als 10 00 Menschen getötet worden. Investitionen des Staates würden durch Schulden finanziert. „Aber die Bevölkerung steht hinter Duterte“. Auf der Insel Mindanao wüten Kämpfe, so Pater Hubert Kranz, nachdem sich eine moslemische Gruppe zum IS bekannt habe. Städte, Dörfer seien zerstört, Menschen auf der Flucht. „Aber sonst ist es friedlich auf den Philippinen, wir sind sicher“. Welch ein Kontrast zu dieser friedlichen, schönen Orgel-Soiree.