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Fahrrad

„Akka Vanessa - Kakak Patricia!“

Bad Wurzach / Lesedauer: 4 min

Die „großen Schwestern“ Vanessa Fimpel und Patricia Mohr erzählen von ihrer Missionszeit in Asien
Veröffentlicht:29.09.2013, 13:37

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Vor einem Jahr haben sich Vanessa Fimpel und Patricia Mohr nach ihrem Abitur aufgemacht, um als Missionarinnen auf Zeit in Asien Gutes zu tun. Jetzt sind die beiden wieder in Bad Wurzach angekommen und haben vieles zu erzählen.

Patricia Mohr war im vergangenen August zu den Franziskanerinnen von Reute auf die Insel Tello nach Indonesien geflogen, während sich Vanessa Fimpel im September zu den Salesianern nach Vilathikulam in Südindien aufgemacht hatte. Am meisten vermisst Patricia Mohr im Augenblick die freundlichen Begrüßungen und Zurufe, wenn sie mit ihrem roten Fahrrad auf den Markt gefahren ist. „Da riefen die einen Kakak Patricia oder Hello Mister.“ Auf Tello, der Hauptinsel der mehr als 100 Batu-Inseln, werden alle Weißen mit „Hello Mister“ angesprochen. Und die, die Patricia kannten, sprachen sie entweder mit „Ibu Guru“ (Mama Lehrerin) oder eben „Kakak“ (große Schwester) an.

In der Mission leben drei indonesische Schwestern und Schwester Ingeborg aus Christazhofen. Mit ihr konnte Mohr auch ein wenig schwäbeln. Und sie hatte das Brotbacken auf Tello eingeführt. „Hier gibt es nur Fisch und Reis, sogar zum Frühstück“, erzählt Mohr, deshalb freute sie sich sehr über das morgendliche Brot mit Ananasmarmelade. Danach ging es zum Kindergarten, um den 50 Kindern vorzulesen oder mit ihnen zu tanzen. Am Nachmittag kamen Schüler aus dem Nachbardorf, um bei ihr Englisch zu lernen. „Weiße Haut bedeutet für die Indonesier Schönheit, deshalb wurde ich viel gelobt“, erzählt die junge Deutsche. Die Einheimischen empfand sie als zurückhaltend und vornehm, obwohl sie sehr arm sind.

Einige Male begleitete sie Schwester Ingeborg, die mit ihrer Kofferpraxis einmal im Monat mit dem Boot Kranke auf den anderen Inseln untersuchte und ihnen kostenlos Medizin gab. In der Zeit wohnten die beiden bei den Einheimischen und mussten dort auch manchmal auf dem Boden schlafen. „Das ging mal drei Nächte so, da wusste ich dann nicht mehr wie ich mich legen sollte, weil mir alles weh tat“, berichtet Mohr. Sie durfte auch immer wieder mal einen Badetag einlegen und im Meer schwimmen – das allerdings angezogen.

„Die Kleidung war bei uns in Indien auch wichtig“, erzählt Vanessa Fimpel, die ebenfalls „große Schwester“ gerufen wurde: „ Akka Vanessa“. Sie musste lange Hosen und Oberteile tragen, die über das Knie gingen, sowie einen Schal, um die Oberweite zu verbergen. „Und Ohrringe und der Punkt auf der Stirn waren wichtig“, erzählt Fimpel. Ihre Familie bestand aus vier Salesianer-Priestern, einem Bruder und 45 Jungs im Internat. Morgens unterrichtete sie die dritte Klasse in Englisch und Mathematik, am Nachmittag betreute sie die größeren Jungs, ehemalige Kinderarbeiter. Damit diese täglich zur Schule kommen, bekommen sie Essen und Trinken.

Um sich zu verständigen, musste Vanessa schnell Tamil lernen. Sie fühlte sich in der ganzen Zeit gut beschützt von ihrer Missionsfamilie. „Die rosa gestrichene Kirche war unsere Mama, die Priester die Väter, und dann hatte ich noch viele Brüder, die auf mich achteten“, erzählt die junge Deutsche. In dem Salesianer-Projekt gibt es auch ein Gebäude, in dem Frauen lernen, für ihre Rechte einzustehen. Und die Kinder haben dort ein Kinderparlament gegründet. „In der Zeitung haben wir auch über die Vergewaltigungen und die vielen Selbstmorde gelesen“, erzählt Fimpel. Im Süden Indiens müssten die Frauen zur Arbeit gehen, weil die Männer Alkoholiker seien. Und die Mädchen würden die Hausarbeit machen. Im Bus sei die junge Deutsche ebenfalls einmal angemacht worden: „In den Musikvideos tanzen halbnackte Weiße, da denken die, alle weißen Frauen wollen angegrabscht werden.“ Unangenehm empfand sie auch die Müllberge und den Gestank, den diese verbreiteten. Doch die Missionsstation und die Arbeit dort begeisterten sie. So will sie Anfang nächsten Jahres ihre Missionsfamilie wieder besuchen.

In Deutschland angekommen sind die beiden nur körperlich, denn ihre Gedanken sind noch immer ein wenig in Asien . Beiden fällt mittlerweile auf, wie klein die Probleme hier eigentlich sind, denn selten ist die Existenz bedroht. Und sie sind froh, dass ihre Familien und Freunde sie so unterstützt haben, denn so konnten sie ohne schlechtes Gewissen hinaus in die Welt ziehen.