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Traumjob

Tatortreiniger: „Einer muss es ja machen“

Bad Waldsee / Lesedauer: 4 min

Die Waldseer Firma Fleschhut hat mehr als 1000 Wohnungen Verstorbener gereinigt und entrümpelt
Veröffentlicht:27.01.2017, 12:00

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Beißender Geruch, Blut, Käfer und Fliegen überall: So präsentiert sich der Arbeitsplatz von Thilo Fleschhut zeitweise. Er und seine zehn Mitarbeiter von „Fleschhut Schädlingsbekämpfung“ reinigen und entrümpeln die Wohnungen von Verstorbenen. Es ist ein schweißtreibender Job.

Auf dem Boden liegen Haare und Körperausscheidungen, festgetrocknetes Blut ziert den Teppich und viele hundert Fliegen schwirren durch den Raum. So beschreibt Fleschhut exemplarisch die Szenerie, die er in seinen vielen Berufsjahren all zu oft vorgefunden hat. „Da reicht es schon, wenn jemand eine Woche dagelegen hat und schon sieht es aus wie Holla“, erklärt der 43-Jährige. Doch am schlimmsten ist sein Job für die Nase. „Der Geruch ist beißend, intensiv und omnipräsent“, beschreibt der Tatortreiniger die größte Herausforderung. Selbst durch die Atemschutzmaske schlage der Geruch nach einer gewissen Zeit durch. Einige seiner Mitarbeiter schmieren sich daher Geruchsüberdecker unter die Nase. Fleschhut nicht. Seit seinem 16. Lebensjahr ist er an derartigen Arbeitsplätzen im Einsatz. „Mit der Zeit härtet man ab“, sagt der Bad Waldseer. Gewöhnt habe er sich auch an die unzähligen Fliegen, die schon zwei Tage nach dem Tod der Betroffenen in den Zimmern umherfliegen würden. Dann räumt Fleschhut mit einem Mythos auf. Wie er aus Erfahrung weiß, finden sich an derlei Tatorten kaum Kakerlaken und Schaben wieder. Speckkäfer hingegen schon.

Nie eine Leiche gesehen

Die Hauptarbeit der Firma Fleschhut stellt die Schädlingsbekämpfung bei rund 700 Geschäftskunden dar. Der Anteil der Tatortreinigungen macht rund fünf Prozent des gesamten Geschäftsbetriebes aus. Einmal die Woche werden Fleschhut und sein Team also zur Reinigung einer sogenannten Leichenwohnung in Süddeutschland und dem angrenzenden Gebiet in Österreich und der Schweiz gerufen. Und so läuft es in der Regel ab: Mit Schutzanzug und Atemmaske betreten die Experten die Zimmer. Möbelstücke werden entsorgt und zum Teil müssen Fußböden herausgerissen und sogar Estrich entfernt werden. Um die Verwesungsgerüche endgültig zu beseitigen, wird abschließend noch eine Geruchsbehandlung mit Ozongeräten durchgeführt. „Dann können die Handwerker rein und die Wohnungen auch wieder bezogen werden“, betont Fleschhut die Wiederbewohnbarkeit.

Eine Leiche hat der Schädlingsbekämpfer in all den Jahren nie gesehen. Erst nachdem die Kriminalpolizei die Wohnungen freigibt, nimmt Fleschhut seine Arbeit auf. Die Verstorbenen befinden sich zu diesem Zeitpunkt nicht mehr vor Ort. Daher empfindet er den Job auch nicht als Belastung. Gleichwohl mache er sich ab und an schon so seine Gedanken: „Da merkt man, wie vergänglich alles ist und wie schnell ein Leben beiseite geräumt werden kann.“

VW-Bus ausgegraben

Die Tatortreinigung ist nicht nur mental herausfordernd, es ist auch eine körperlich anstrengende Arbeit. Allein im Schutzanzug werde es sehr schnell heiß. „Schönes Arbeiten sieht anders aus“, meint Fleschhut, lacht und ergänzt: „Aber einer muss es ja machen.“ Die Frage, ob er seinen Traumjob gefunden hat, beantwortet er dennoch mit einem klaren ja: „Die Komplexität aller Aufgaben im Unternehmen zusammen machen den Traumjob aus. Wir sind eine Art Problemlöser und es gibt nicht so viele, die all das machen können und wollen.“

So gehören auch Entrümpelungen zum Arbeitsalltag dazu. Nachdem die Angehörigen die Wertgegenstände aus den betroffenen Häusern aussortiert haben, geht es mit schwerem Gerät an die Ausräumung. Mit großen Hämmern werden dann große Schränke zerlegt und in Containern abtransportiert. Dabei hat Fleschhut auch schon allerlei skurrile Entdeckungen gemacht. „Einmal sind aus den Wänden Blumen gewachsen“, erinnert er sich an eine Villa in Lindau, deren Wände nach einem Wasserschaden entsprechend feucht waren. In einem anderen Fall wurde ein ganzer VW-Bus in einer Garage gefunden. Die Garage gehörte zu einer Messi-Wohnung. Und unter allerhand Unrat, Dreck und Müll kam plötzlich das Auto zum Vorschein.

Zertitfizierung

Die Firma „Fleschhut Schädlingsbekämpfung“ mit Sitz in Reute-Gaisbeuren ist dreifach zertifiziert. Neben der Zertifizierung des Qualitätsmanagements und der speziellen Norm für Schädlingsbekämpfung hat sich das Unternehmen nun freiwillig dazu verpflichtet, nach dem Umweltmanagementsystem zu arbeiten. „Wir haben uns verpflichtet, sämtliche Umweltgesetze einzuhalten. Wir fördern damit die Ökobilanz und setzen nur Mittel und Verfahren ein, die nachhaltig sind und die Umwelt schonen“, erläutert der geschäftsführende Inhaber Thilo Fleschhut die Zertifizierung, die seit November im Betrieb gilt.

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