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Lernwerkstatt

Los geht’s mit Zirkel, Lineal und Farben

Aulendorf / Lesedauer: 4 min

Teilnehmer der Aulendorfer Lernwerkstatt sind begeistert – Sie lernen Sprache und berufliche Fähigkeiten
Veröffentlicht:22.02.2018, 17:59

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Eine erfolgreiche Integration geflüchteter Menschen funktioniert nur über Sprache und Arbeit. Ein Beitrag dazu soll die Lernwerkstatt in Aulendorf leisten, die vor knapp zwei Wochen gestartet ist. In dem landkreisweit einzigartigen Projekt lernen die Teilnehmer nicht nur Deutsch, sondern bekommen erste Fähigkeiten in den Berufsbereichen Farbe, Holz und Metall vermittelt. Für die Teilnehmer eine tolle Chance, wie ein Besuch am Donnerstag zeigte.

„Ich finde es sehr schön hier, es ist ein sehr gutes Angebot“, sagt Husam Mudhi aus Syrien . Der 25-Jährige hat durch einen Integrationskurs bereits gute Deutschkenntnisse. In seiner Heimat hat er Abitur gemacht und freut sich nun darüber, in der Lernwerkstatt seine Sprachfähigkeiten zu verbessern und sich beruflich weiterzubilden. „Hier kann ich jeden Tag Deutsch lernen und ich kann beruflich mehr Erfahrungen machen.“ In einem Aulendorfer Autohaus hatte er bereits schon einmal die Möglichkeit für ein zweiwöchiges Praktikum bekommen. Durch die Lernwerkstatt erhofft er sich einen Startschuss für eine Ausbildung oder eine Anstellung.

Das gilt auch für Amineh Abdulhei. In ihrer Heimat Syrien war die 54-Jährige Näherin, auch für „gute Kuchen“ sei sie bekannt gewesen. Dass sie in der Lernwerkstatt die Möglichkeit hat, berufliche Vorkenntnisse zu sammeln, gefällt ihr „sehr gut“. Denn ihr Ziel sei, eine Arbeit zu bekommen und ihre Sprache zu verbessern.

Insgesamt sieben geflüchtete Menschen gehören zu der Starterklasse der Lernwerkstatt – ein Kooperationsprojekt der Stadt Aulendorf und des Liebenau Berufsbildungwerks in Ravensburg (BBW). Vier Monate lang können sie in den Ausbildungsräumen, die die Firma Huchler zur Verfügung gestellt hat, erste Qualifikationen in den Berufsfeldern Farbe, Holz und Metall erlernen. Vormittags steht jeweils Deutschunterricht im Klassenzimmer auf dem Programm. Nach den ersten vier Monaten sollen Praktika in Firmen folgen oder eine spezielle Ausbildung in den BBW-Werkstätten in Ravensburg, erklärt Werkstatt-Leiter Achim Bernhard.

Begonnen haben Bernhard und seine Kollegin Ulrike Ahlfänger mit dem Berufsfeld Maler und Lackierer. Mit Zirkel und Lineal lernen die Flüchtlinge, einen Farbkreis zu konstruieren und ihn gemäß der korrekten Farbmischung komplett zu gestalten. Dann erst folgen die etwas schweren Bereiche Holz und Metall. „Am Anfang geht es darum herauszufinden, welche Fähigkeiten die Teilnehmer mitbringen und sie individuell weder zu unter- noch zu überfordern“, berichtet Bernhard. Da alle Teilnehmer ein unterschiedliches Sprachniveau mitbringen sei das gar nicht so einfach. „Wenn jeder der Teilnehmer täglich etwas mit nach Hause nimmt und sagt, dass es ein toller und interessanter Tag war heute, dann bin ich zufrieden“, sagt Ahlfänger. Auch der Arbeitsalltag und eine verbindliche Tagesstruktur soll den Teilnehmern in der Lernwerkstatt vermittelt werden.

Zugeteilt werden die Teilnehmer vom Jobcenter des Landkreises Ravensburg, somit steht das Projekt geflüchteten Menschen aus dem gesamten Kreisgebiet offen. In der Starterklasse sind sieben Flüchtlinge aus Aulendorf. „Das war unser Ziel, das möglichst viele Aulendorfer Flüchtlinge an dem Projekt teilnehmen können. Aber natürlich steht es auch Teilnehmern aus anderen Orten offen, schließlich wurde das Projekt durch öffentliche Fördergelder mitfinanziert“, sagte Matthias Burth beim Vor-Ort-Besuch am Donnerstag.

Zwei weitere Landkreise wollen eine Lernwerkstatt

Die Kosten für das auf zwei Jahre angelegte Projekt betragen rund 158 000 Euro pro Jahr (die SZ berichtete mehrfach). Vom Landkreis Ravensburg gab es für 2018 aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds rund 81 000 Euro. Die Diözese Rottenburg-Stuttgart steuert für 2018 und 2019 jeweils 30 000 Euro aus dem Zweckerfüllungsfond Flüchtlingshilfen bei. Die Kosten für die Stadt Aulendorf betragen 35 000 Euro für 2018 und voraussichtlich 50 000 Euro für das Jahr 2019. „Die Finanzierung für 2019 steht also fast, es fehlen allerdings noch Födergelder“, sagt BBW-Projektleiterin Monika Kordula.

Das Aulendorfer Vorzeigeprojekt hat indessen bereits über den Landkreis hinaus für Aufmerksamkeit gesorgt. Zwei weitere Landkreise haben ihr Interesse an einer Lernwerkstatt bekundet und zum Berufsbildungswerk Kontakt aufgenommen, berichtet Kordula. „Unsere Kapazitäten sind allerdings derzeit ausgeschöpft.“