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Integration im Mattenkreis

Aulendorf / Lesedauer: 4 min

Im Blönrieder Frauenturnen schwitzen deutsche und syrische Frauen gemeinsam
Veröffentlicht:12.03.2018, 18:38

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Im Blönrieder Frauenturnen unter Leitung von Birgit Schaaf nehmen neuerdings auch acht syrische Frauen teil. Was auf der einen Seite ein Beispiel für gelingende Integration ist, sichert andererseits auch die Zukunft der Turngruppe.

Seit mehr als 40 Jahren gibt es das Frauenturnen beim Sportclub Blönried bereits – 40 lange Jahre, in denen immer wieder jüngere Generationen geradezu wie von selbst nachrückten, wenn sich ältere Semester in den Ruhestand verabschiedeten. Nicht aber so in jüngster Vergangenheit. Das traditionelle Frauenturnen, das einen bunten Mix aus Gymnastik und Spiel beinhaltet, drohte auszusterben.

„Meine Frauen und ich werden immer älter, aber nachgerückt sind kaum welche, das war wirklich schade. Am Ende waren wir immer nur noch wenige ’Hansele’ in der Halle“, erzählt Birgit Schaaf, seit mehr als einem Jahrzehnt Leiterin der Sportgruppe, nicht ohne Wehmut in der Stimme. Es sei heutzutage eben einfacher, ohne weitere Verpflichtungen ins Fitness-Studio zu gehen, wenn man gerade Zeit und Lust habe, anstatt seinen Mitgliedsbeitrag zu entrichten und zu einem bestimmten Termin an Ort und Stelle zu sein. Dann aber bekam der zusammengeschrumpfte Haufen ungeahnten Zuwachs: Mittlerweile turnen acht geflüchtete Frauen aus Syrien mit.

„Mundgymnastik“

Eine professionelle Aufwärmphase stellt den Beginn an jedem Donnerstagabend dar. „Hier lasse ich den Frauen absichtlich Zeit, sich auszutauschen und ein bisschen zu ratschen. Das ist wichtige Psycho-Hygiene, offiziell nenne ich es einfach Mundgymnastik“, erklärt Schaaf kichernd. Und die machen die syrischen Frauen sichtlich genauso gern wie ihre deutschen Mitturnerinnen. Dann werden Mannschaften gebildet, wofür einfach durchgezählt wird, was schon recht gut zu klappen scheint. Mit den genauen Regeln des Spiels verhält es sich im Anschluss nicht gar so einfach; ein paar Startschwierigkeiten bestimmen das Geschehen, was jedoch wiederum zur allgemeinen Erheiterung beiträgt.

Fröhliches Gekicher der Frauen erfüllt die Turnhalle, und es wird zunehmend deutlich, wie der Sport die Frauen unterschiedlichsten Alters verbindet. Spaß am Spiel ist sichtbar ein alters- und länderübergreifendes Phänomen.

Alle lachen gemeinsam

Bei den Übungen im Mattenkreis wird dann auch eine eigene Art der bildlichen Verständigung unter den Frauen deutlich, als Schaaf etwa anleitet: „So, und jetzt krabbeln wir alle mit den Fingerspitzen bis zum Mattenrand.“ Daraufhin fragt eine Syrerin nur: „Wie Katze?“ Und alle lachen gemeinsam. Bei den kräftigenden und Schweiß treibenden Übungen ist es natürlich mit Kichern nicht mehr so arg weit her. „Wenn ich merke, dass meine Frauen zu viel „quaken“, muss ich einfach etwas anziehen, dann erledigt sich das sofort von alleine. Und in dem Punkt sind alle Frauen einfach gleich“, meint Schaaf lachend. Und freundlich, aber bestimmt hallt ihre Stimme hinüber zu zwei syrischen Frauen, die bereits von den Matten aufgestanden waren, wohl in der Hoffnung, die Übungen somit einfach beenden zu können: „Tut mir leid, meine Damen, aber wir müssen jetzt noch etwas für unsere Bauchmuskeln tun.“

Über die Aktion „Mama näht Deutsch“ mit dem „Landfrauenverband“ hätten die ersten Syrerinnen zum Turnen gefunden, einige der hiesigen Sport-Damen hätten sie im vergangenen Herbst dort einfach spontan gefragt, ob sie denn keine Lust hätten, außer Nähen auch ein wenig zu sporteln. Gefragt-getan. Dann hätten diese wiederum Freundinnen mitgebracht und Raian Sasila, die in Syrien Sport studiert hat, sogar ihre jugendliche Tochter Roz. „Es ist toll, dass Raian auch Ahnung von der Materie hat, das ist eine Unterstützung. Überhaupt sind die syrischen Frauen eine so große Bereicherung für uns. Wir spielen jetzt am Ende der Stunde auch wieder Basketball, was ganz eingeschlafen war. Da wird mit den syrischen Damen dann so richtig gepowert.“ Und dankbar seien sie, die Syrerinnen. So etwa habe Schaaf eine der Frauen am Tag nach deren erster Sporteinheit angerufen, um sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Ihre schlichte Antwort: „Ich bin glücklich, weil ich Sport gemacht habe.“