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Luftangriff

20. April 1945: Luftangriff auf Aulendorf

Aulendorf / Lesedauer: 4 min

Adolf Laternser war acht Jahre alt, als damals drei Bomben nahe des Luftschutzkellers explodierten
Veröffentlicht:19.04.2015, 20:54

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Der April 1945 ist nicht spurlos an der Stadt Aulendorf vorübergegangen. In diesem letzten Monat des Zweiten Weltkriegs war die Kurstadt das Ziel von Luftangriffen. Adolf Laternser war damals acht Jahre alt und erinnert sich heute noch gut an die Zeit. Vor 70 Jahren, am 20. April, hat Aulendorf den schwersten Luftangriff erlebt. Der SZ berichtet Laternser, wie er die vielen Stunden im Luftschutzkeller seines Elternhauses erlebt hat.

Adolf Laternser sitzt hinter einem Mostfass. Tageslicht dringt nur gedämpft durch das kleine Fenster hoch oben an der Kellerwand. Wieder und wieder geht der Fliegeralarm los und die Sirene auf der Alten Schule heult laut auf. Dann ist es soweit. Der achtjährige Bub spürt, wie die Bomben nur wenige Hundert Meter vom Luftschutzkeller entfernt explodieren. „Wir hatten alle Angst“, erklärt der heute 78-Jährige und lehnt sich gedankenverloren in seinen Stuhl zurück.

„Das ganze Haus hat gebebt“

An diesem Tag im Jahr 1945 suchen seine sieben Geschwister, sein Vater Josef, seine Mutter Rosa sowie ein Dutzend weitere Menschen Zuflucht im Keller. „Das ganze Haus hat gebebt. Um mich zu schützen, habe ich mich zwischen zwei Mostfässern verkrochen.“ In unmittelbarer Nähe wird der Schulhof und die Schulmauer sowie ein Einfamilienhaus getroffen. Dann ist Ruhe. Einfach Ruhe. Der Achtjährige wagt sich kurze Zeit später gemeinsam mit seiner Schwester Marianne nach draußen und sieht die zerstörerische Kraft der Bombenwürfe. „Wir sind in die Wohnung nach oben gegangen. Die Luftdruckwelle hat die Scheiben des Hauses zerstört und überall lagen Glasscherben, selbst die Türen waren ausgehängt. Und von der Werkstatt meines Vaters waren alle Dachplatten abgedeckt.“

Mit 70 Jahren Abstand betrachtet blickt der Aulendorfer Malermeister mit goldener Meisterprüfung auf diesen Moment zurück und ist heute noch froh, dass für seine Familie alles glimpflich ablief. „Als Kind habe ich das noch relativ locker gesehen. Aber es war nicht selbstverständlich, dass niemandem von uns etwas passiert ist.“ Ganz anders stellte sich die Situation wohl an der Schule dar, wie der Familie damals zugetragen wurde. Sie erfuhren, dass der Hausmeister und weitere Personen bei dem Luftangriff schwer verletzt worden waren. Außerdem machte sich der junge Laternser auf zum zerbombten Einfamilienhaus, das zur Hälfte eingefallen war. „Da war einfach der Dachgiebel weggerissen“, meint der Aulendorfer immer noch fassungslos.

Schon in den Tagen zuvor brachten die Laternser-Kinder mehrere Nächte im Luftschutzkeller zu, um sich vor möglichen Angriffen zu schützen. Adolf Laternser nächtigte auf einem Apfelgestell und hatte aufgrund der kindlichen Unbedarftheit keine Probleme einzuschlafen. An der Wand lehnte damals wie heute eine Holzleiter. „Gott sei dank haben wir die nicht gebraucht“, erläutert der Aulendorfer den Einsatz im Falle eine Verschüttung. „Aber da hat mein Vater großen Wert d´rauf gelegt, dass genau das nicht passiert.“ Mit zusätzlichen Stahlbohlen sicherte er den gewölbten Keller ab und fertigte einen steinernen Vorbau vor dem Fenster. „Kinder, wir lassen uns nicht verschütten“, zitiert Laternser seinen Vater, schmunzelt und dankt ihm heute noch für seinen Weitblick.

Bahnhofsareal beschossen

Eine weitere Kriegsepisode dieser Tage ist Laternser gut in Erinnerung geblieben. Als wieder einmal ein Voralarm ausgelöst wurde, wollte er die üblicherweise fünf Minuten bis zum Hauptalarm nutzen, um die Hühner einzutreiben. Doch da kamen die Tiefflieger schon. „Also habe ich instinktiv reagiert und mich hinter einen Steinhaufen geworfen.“ Aus diesem provisorischen Schutzplatz heraus beobachtete er die Flieger, die an der Bahnlinie entlang flogen und sah sogar die Piloten. „Dann ist das Geratter losgegangen.“ Mit ihren Bordwaffen haben die Flieger das Bahnhofsareal beschossen. Laternser sind diese Momente noch sehr präsent und so mahnt und bilanziert er: „Krieg ist etwas schreckliches.“

Im Video berichtet Adolf Laternser, wie er den Einmarsch der Alliierten erlebte:

schwaebische.de/zeitzeuge-laternser