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Senioren aus Amtzell testen Tablets im Alltag

Amtzell / Lesedauer: 3 min

In Amtzell konnten sechs Senioren vier Monate lang in die Welt des Internets eintauchen
Veröffentlicht:06.04.2018, 15:45

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Plötzlich ist da ihr Sohn aus Portugal auf dem Bildschirm. Sie sieht ihn und er sieht sie. Sie spricht zu ihm und er antwortet. Es ist schon so lange her, dass sie ihn gesehen und gehört hatte. Durch seinen Umzug in das ferne Land war vielleicht allenfalls mal ein Telefonat möglich.

Die Studie, die von der Universität Göttingen entwickelt und in Zusammenarbeit mit der Stiftung Liebenau durchgeführt wurde, sollte älteren Menschen helfen, das Leben ein wenig leichter zu machen. Gertrud Rogg nahm ebenfalls an dem Versuch teil und sie erzählt von den Begebenheiten während dieser Zeit. Auch wenn sie schon Erfahrung mit der Arbeit am PC hat. Doch durch ihre langjährige Arbeit auf dem Amt, kannte sie Menschen, die für den Test in Frage kämen. Von 32 angefragten Personen über 70 Jahre alt, blieben zum Schluss sechs übrig, die auch tatsächlich teilnahmen. „Viele fürchteten sich vor der „fremden Welt“, andere wiederum wohnten so weit außerhalb, dass es schlichtweg unmöglich war einen Internetanschluss zu bekommen“, erzählt sie. Rogg nahm teil, auch um den Menschen im Versuch besser helfen zu können.

Die Probanden hatten nun die Möglichkeit ihren Bedarf an Lebensmitteln über das Internet zu bestellen. Auf einer speziellen Maske konnten sie das Benötigte aufschreiben. Sogar eine Kamera war integriert. Damit konnten sie zum Beispiel die zur Neige gehende Packung Reis fotografieren, um genau dasselbe Produkt wieder zu erhalten. Aufgeschrieben oder abfotografiert wurde die Liste dann sogleich an den teilnehmenden Lebensmittelhändler übermittelt. Ein rüstiger Rentner brachte dann einmal pro Woche die gewünschte Ware zu den alten Menschen. „Diese Einrichtung wäre sicher sehr hilfreich für Menschen, die schlecht zu Fuß sind oder krank. Egal ob vorübergehend oder dauerhaft nicht mobil,“ vermutet Rogg. Aber einkaufen sei auch die Pflege von sozialen Kontakten.

Diese Bedenken hätten einige der befragten Personen auch gehabt, sagt Rogg. Menschen begegnen, reden, austauschen. Dafür wollen gerade die oft vereinsamten Leute manch schweren und mühsamen Weg auf sich nehmen.

Aus Schüchternheit nicht mit Bürgermeister geskypt

Mit dem Tablet hatten die Teilnehmer auch die Möglichkeit ihre Termine zu notieren oder Adressen elektronisch zu speichern. Dass Sätze wie „wo habe ich denn wieder die Nummer hingelegt...“ , würden der Vergangenheit angehören. Um die die neuesten Nachrichten aus der Gemeinde zu erfahren, gab es eine Verbindung zum Rathaus. „Sogar eine „Skypeline“ zum Bürgermeister, jedoch waren dazu die meisten etwas zu schüchtern gewesen“, meint Rogg. „Dass man beim Skypen auch von seinem Gegenüber gesehen wird, ist einer älteren Dame erst eingefallen, als sie schon den Kontakt zu einem Herrn der Stiftung Liebenau hergestellt hatte.“ Bei dieser Erinnerung muss Getrud Rogg lächeln, denn da sei es schon zu spät gewesen, die Lockenwickler aus dem Haar zu nehmen und aus dem Schlafanzug zu schlüpfen. Schließlich hätten es beide Teilnehmer mit Humor genommen, denn selbst im Internet ist menscheln erlaubt.

Gertrud Rogg ist sich sicher: „Die Menschen, die heute über 70 sind, sind sehr skeptisch gegenüber dem Internet, da sie einfach noch kaum Gelegenheit hatten damit umzugehen. Jedoch, diejenigen, die in vielleicht zehn oder 20 Jahren so weit sind, werden schon sehr viel mehr Erfahrung im Umgang mit Computer mit ins Alter nehmen.“ Und vielleicht stellt sich dann dieser Test einmal mehr als wertvoll heraus.

Das Projekt in Amtzell wurde drei Jahre lang vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und gelte nun laut einem Vertreter der Stiftung Liebenau als abgeschlossen. Jedoch gebe es von der Gemeinde selber bereits Ansätze für Projekte in Sachen Mobilität für Senioren. Weitere Berichterstatung über dieser Projekte folgt.