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Psychiater liefert neue Erkentnisse im Hoßkircher Mordprozess

Hoßkirch / Lesedauer: 3 min

Psychiater schätzt Angeklagten im Hoßkircher Mordprozess ein
Veröffentlicht:02.07.2018, 16:48

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Mit der Aussage des psychiatrischen Gutachters Dr. Hermann Assfalg , Chefarzt der ZfP Südwürttemberg, sind in dem neu aufgerollten Hoßkircher Mordprozess erstmals neue Inhalte zur Sprache gekommen. Die Staatsanwaltschaft Ravensburg beschuldigt den 35-jährigen Angeklagten, im Februar 2017 seine 30-jährige Ehefrau erwürgt und dann einen Autounfall inszeniert zu haben, um die Tat zu vertuschen. Aufgrund der Befangenheit einer Schöffin startete der Prozess im Mai neu.

Die Prozessakten, ein Gespräch mit dem Angeklagten im September des vergangenen Jahres sowie die Hauptverhandlung, die der Gutachter vollständig verfolgt hat, sind die Grundlage der Einschätzung von Assfalg. Aufschluss sollte der Psychiater etwa geben, ob bei dem Angeklagten auch vor der eventuellen Tötung eine psychiatrische Auffälligkeit vorgelegen hat.

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„Ich habe keinerlei Anhaltspunkte für eine diagnostisch relevante Erkrankung gefunden“, sagte Assfalg. Auch gebe es keine Hinweise darauf, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt etwa durch Alkohol oder andere Wirkstoffe beeinflusst war. Da Zeugen den Angeklagten als aufbrausend beschrieben hatten, hakte Richter Matthias Geiser nach, wie dies zu bewerten sei. „Das mag als Verhaltensauffälligkeit relevant sein, aber ist weit davon entfernt, ein Hinweis für eine impulsive Persönlichkeitsstörung zu sein.

Unerwartet mit einer Tatsache konfrontiert

Für das Ausmaß der Schuldfähigkeit hatte Assfalg zu beurteilen, ob Affekt bei der möglichen Tat eine Rolle gespielt haben könnte. „Nach jetzigem Stand müsste ich ein mögliches Tatszenario unterstellen und kann das daher auch nur aus einer gewissen Distanz einschätzen“, sagte der Psychiater vorweg. Um eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung oder eine extreme Belastungssituation anzunehmen, müsste die Person unerwartet mit einer Tatsache konfrontiert werden, die für ihre psychische Stabilität katastrophal wäre. Im Fall des Angeklagten könnte dies die mögliche Trennung von den Kindern sein.

„Aus solchen Momenten kann eine Tat erfolgen, deren Konsequenzen anfangs nicht reflektiert werden.“ Solch eine Tat erfolge abrupt und sei ohne Vorbereitung. Die Persönlichkeit solch eines Täters sei gezeichnet dadurch, dass sie Konflikte nicht funktional lösen könne.

Nach dem Tatgeschehen werde die Reflektion aber nachgeholt. „Die weitere Handlung ist von einer größeren Erschütterung des Täters geprägt. Ein planvolles und ausgeklügeltes Handeln spricht eher gegen eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung zum Tatzeitpunkt“, sagte Assfalg. Etwa sei eine Affekthandlung wie das Wegwischen von Blut noch denkbar, aber eine Vertuschung der Tat oder das Schaffen eines Alibis sprächen für ein höheres Maß an kognitiver Planung. Nach dem jetzigen Stand der Informationen steht für den Psychiater fest: „Ich sehe aus psychiatrischer Sicht keine Anhaltspunkte für eine einschränkende strafrechtliche Verantwortlichkeit.“ Es gibt also keine Gründe für eine verminderte Schuldfähigkeit.


Der Prozess im Landgericht Ravensburg geht am Donnerstag, 19. Juli, weiter.

Unter den übrigen Zeugen war ein Kriminalbeamter der Spurensicherung, der die Kaugummidose in der rechten Jackentasche gefunden hatte. „Darin war eine zusammengeknüllte Frischhaltefolie“, berichtete der Ermittler. Ein Test ergab, dass an dieser Blutspuren waren, sodass Folie und Dose zur weiteren Untersuchung an das Landeskriminalamt übergeben wurden. Die Kleidung hatte ihm der leitende Ermittler in einer großen Papiertüte angeliefert. Ob Jacke, Hose, Sweatshirt und Schuhe darin noch separat verpackt waren, wusste der Ermittler nicht mehr.

Zum Abschluss der Sitzung teilte der vorsitzende Richter Stefan Maier mit, dass die Beweisaufnahme aus Sicht der Kammer abgeschlossen ist. „Die Erkenntnisse sind weitgehend deckungsgleich mit denen aus der ersten Hauptverhandlung“, sagte Maier. Da der Angeklagte mittlerweile seit mehr als einem Jahr in Untersuchungshaft sitze, sei das Verfahren verstärkt beschleunigt zu betreiben. Sollten Staatsanwalt oder Verteidigung noch Beweisanträge stellen wollen, müsse dies bis zum oder am nächsten Verhandlungstag erfolgen.