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Bewegendes Spiel um die Bildhauerin Camille Claudel berührte das Publikum in Aitrach

Aitrach / Lesedauer: 3 min

Bewegendes Spiel um die Bildhauerin Camille Claudel berührte das Publikum
Veröffentlicht:26.11.2018, 16:44

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Die VHS und der Kulturkreis Aitrach haben mit dem szenischen Spiel „Ach Du mein Ach“ über das Leben der hochbegabten Bildhauerin Camille Claudel (1864 bis 1943) ein anspruchsvolles und ergreifendes Kulturangebot nach Aitrach gebracht, das zur Freude der Veranstalter eine beachtliche Besucherzahl angezogen hat. Aufwühlende Celloklänge aus der Dunkelheit heraus, gespielt von Verena Stei, ließen die Dramatik des Stückes erahnen, die die beiden Schauspielerinnen Karin Hoßfeld und Andrea Schilling aus Leipzig in unterschiedlichen Techniken des Darstellenden Spiels ausdrucksstark und einfühlsam entwickelten.

Schattengestalt hinter weißem Tuch

Andrea Schilling trat als Erzählerin und als Camille Claudel auf, Karin Hoßfeld schlüpfte in die Rolle Rodins , sowie des Bruders Paul und der Chronistin, oftmals als Schattengestalt hinter weißem Tuch agierend. So entfaltete sich vor den gebannten Zuschauern eine zutiefst bewegende Lebensgeschichte einer Frau, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegen alle Konventionen aufbrach und in der Beziehung zu Auguste Rodin bedeutende bildhauerische Kunstwerke schuf.

Die beiden Schauspielerinnen haben diese Lebensgeschichteundefinedmit kurzen Spielhandlungen, Dialogen und Zitaten aus Briefen ergänzt und ausgestaltet. Verena Stei begleitete und vertiefte die zunehmend tragische Entwicklung des Geschehens mit gefühlvollen Improvisationen, mit Anklänge an Chansons aber auch mit Ausschnitten aus Werken französischer Komponisten, wie Gabriel Fauré, Camille Saint-Saëns, Claude Debussy und Lili Boulanger.

Wie konnte es dazu kommen, dass Camille Claudel dreißig Jahre lang in einer geschlossenen Anstalt leben musste? Weggesperrt! Vergessen von der Mitwelt, von der Nachwelt. Während der Vater Louis-Prosper durchaus Verständnis für Camilles Kunst und ihr Streben nach Unabhängigkeit zeigte, hat die Mutter, die dem Kind keine Liebe schenken konnte, den Willen des Kindes gnadenlos zu zerbrechen versucht. Fast schmerzhaft mitzufühlen, wie ein kleines Mädchen, wild und ungezähmt, von einem inneren Feuer angetrieben, aus Tonklumpen Tiere und Familienmitglieder formt, während die Mutter alles, für was sich das Kind begeistert, als sinnlosen Zeitvertreib ablehnt. Das Mädchen lässt sich nicht beirren: „Ich werde Bildhauerin. Ich brauche Ton, viel Ton“.

Das spätere Bohème-Leben der Tochter in der Liaison mit Rodin, nach den Moralbegriffen der Epoche ein Skandal, hat ihr die Mutter endgültig entfremdet. Auch von ihrem Bruder Paul, bekam sie nicht den nötigen Rückhalt. Durch die Nähe zu der etablierten Männergestalt Rodin steht sie als ebenbürtige Künstlerin doch als Verliererin da, bei Ausstellungen ihrer Werke wird sie von der Presse meist als Rodins Schülerin apostrophiert, nicht als eigenständige Bildhauerin. Als die schützende Hand des Vaters wegfällt, ist ihr Schicksal besiegelt. Ihre Familie weist sie 1913 bis ans Lebensende wegen „Verwahrlosung“ in eine psychiatrische Anstalt ein, in der man kaum Besuche und keinerlei gemeinsame Zerstreuung kannte, sodass Camille in totaler seelischer Einsamkeit bis an ihr Lebensende dahinsiecht. Erschütternd die Briefe, sie an ihren Bruder Paul richtete, mit flehender, bittender Stimme von Andrea Schilling vorgetragen.

Am Ende zieht eine Schattengestalt vorbei, Glockenschläge und ein gesungenes „agnus dei“ ertönen. „Mon petit Paul“ waren wohl ihre letzten Worte. Ergriffen von dem Gehörten spendeten die Zuschauer den drei Akteurinnen Beifall für ein ausdrucksvolles und ideenreiches Spiel.