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Übernahme

Kolderar übernehmen in Achberg die Macht

Achberg / Lesedauer: 3 min

Narren vertreiben Bürgermeister Johannes Aschauer und die Gemeinderäte
Veröffentlicht:21.02.2020, 20:37

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Eine feindliche Übernahme sieht anders aus. In einer unspektakulären Aktion haben die Narren in Achberg die Macht an sich gerissen. Dabei machten es ihnen Bürgermeister wie auch Gemeinderäte leicht. Ohne jedweden Widerstand zu leisten, ließen sie die Kolderar gewähren. Ab jetzt ist die Gemeinde also von Narren regiert. Eigentlich hat die jüngste Gemeinderatsitzung ganz normal begonnen. Bürgermeister Johannes Aschauer hatte seinen angestammten Platz eingenommen und die Sitzung eröffnet. Ungewöhnlich war allerdings, dass er in seinem „dicken Fell“ gekommen war und es auch nicht abgelegt hatte, obwohl der Sitzungssaal im Bauhof völlig überheizt war. Nach seinen eigenen Worten habe er sich besagtes dickes Fell „behaarlich“ und über die 20 Jahre seiner Regentschaft hinweg „angezüchtet“. Doch auch die Gemeinderäte demonstrierten bei dieser Sitzung einen ungewöhnlichen und eher gewöhnungsbedürftigen Kleidungsstil. Brigitte Hartmann wie auch Gerold Nuber hatten zuvor wohl eine Expedition in die Zeitschichten ihrer Kleiderschränke unternommen und waren in den späten 1960er- bis frühen 1970er-Jahren fündig geworden. Dan Oprisan hatte sich dagegen seiner Urlaubsmitbringsel bedient und kam als „Inder“ (die Frage, ob dies politisch korrekt war, soll an dieser Stelle nicht erörtert werden). Darüber, woher Manfred Vogler seine komplett durchgestylte Hühnermontur, samt weißem Federkleid, orangerotem Schnabel und nackten Krallenfüßen hatte, lässt sich nur spekulieren. Und Daniela Frehner kam gar mit vielen grünen Herzen auf ihrer schwarzen Kleidung.

Damit wolle sie, so sagte sie auf Nachfrage der LZ, ebenso ein Zeichen setzen wie Bauer Willi und sich als Gegenbewegung zu dessen grünen Kreuzen verstanden wissen. Dass Matthias Kaeß in der braunen Kluft der Argenmännle zur Sitzung erschienen war, hätte bereits als erster Hinweis gewertet werden müssen, dass diese Sitzung vielleicht doch nicht ganz normal verlaufen könnte. Ebenso ungewöhnlich war zudem, dass sich die Zuschauerplätze überhaupt und dann noch mit weiteren Argenmännle, Mooshexen und Kolderarn gefüllt hatten. Auch eine äußerst junge Abordnung des Musikvereins war da und sollte die Sitzung im Laufe des Abends noch musikalisch umrahmen.

„Gemeinderat, bewaffnet euch mit Messern“, ordnete Aschauer an, als hätte er geahnt, dass im nächsten Augenblick mehrere Kolderar den Sitzungssaal stürmen würden. Ihnen voran eine Frau, die mit einem fröhlichen „Hallöle“ Bürgermeister wie Gemeinderat begrüßte. Dieser wiederum sprang sichtlich begeistert auf und verteilte in vorauseilendem Gehorsam alkoholische Getränke, während die Gemeinderäte belegte Brezelstücke, die sie zuvor mit den besagten Messern zerteilt hatten, herumreichten. Dann ging alles ganz schnell. Die Musik begann zu spielen, der Büttel läutete die Glocke, Schlachtrufe („Jetzt gohts rund – Mooshex kummt“, „Bock - Wulle“, Achberg Johoo - Immer no“) wurden lautstark skandiert. Zusammen mit einem Kolderar verlas die Anführerin ein Pamphlet in dem sie ihren Machtanspruch unterstrich und damit begründete, die Bürger von ihrer Langeweile befreien zu wollen. „Wir bringen das Dorf wieder in Schwung“, so ihr Versprechen. Zudem warf sie Aschauer „viel Schwätzerei“ vor. Dann forderte sie den goldenen Rathausschlüssel. Und dann passierte etwas, was den Bürgern zu denken geben sollte: Ohne Widerstand und Gegenwehr, fast so, als habe er nur darauf gewartet, zog Aschauer den goldenen Schlüssel aus seinem dicken Fell und überreichte ihn freudestrahlend der Anführerin.

Danach fiel er ihr um den Hals und – man fasst es nicht – küsste sie sogar. Dass er ebenso wie die Gemeinderäte dann angeblich gegen ihren Willen in den (Party-)Keller abgeführt wurden, glaubte nach diesen Szenen nicht einmal mehr die Reporterin.

Doch die Achberger müssen sich keine Sorgen machen. Aus gut informierten Kreisen weiß die LZ, dass die närrische Regentschaft bald ein Ende hat. Zudem hatte die Anführerin ohnehin eingeschränkt und gesagt: „Bis Aschermittwoch leben wir hier in Saus und Braus.“