Ratssitzung
Gemeinderäte tagen trotz Corona
Weißensberg / Lesedauer: 3 min
In Zeiten von Corona sehen sich auch die Gemeinden im Landkreis Lindau mit neuen Fragen konfrontiert. Sollen oder dürfen Ratssitzungen noch abgehalten werden? Was darf der Bürgermeister allein entscheiden und was nicht? Und überhaupt – wie werden die Kommunen nach der Krise dastehen? Denn abhängig von der Dauer werden die Gemeinden bei der Bewältigung ihrer Aufgaben die finanziellen Folgen von Corona noch viele Jahre spüren.
Anders als in Sigmarszell, wo die Gemeinderatssitzung neulich in der Veranstaltungshalle im Haus des Gastes abgehalten wurde, ist die Sitzung in Weißensberg, die am Mittwoch vergangener Woche in der Festhalle hätte stattfinden sollen, abgesagt worden. Der Aufwand hätte sich wohl auch nicht gelohnt, so der Weißensberger Bürgermeister Hans Kern , denn auf der Tagesordnung standen nur eine Auftragsvergabe und mehrere Bekanntgaben (Details dazu siehe Kasten). Der Auftrag habe kein großes Finanzvolumen gehabt, sodass er darüber selbst – also ohne Zustimmung der Räte – habe entscheiden dürfen, erklärt Kern gegenüber der LZ. Umlaufbeschlüsse anstelle von Ratssitzungen kämen seiner Ansicht nach nicht in Betracht. Stattdessen könne er in wichtigen Angelegenheiten eine „dringliche Anordnung“ treffen. Eine solche müsse allerdings entsprechend begründet sein, so Kern.
Wenn Sitzungen abgehalten werden, müsse die Öffentlichkeit beteiligt werden, stellt der Bürgermeister klar. Insofern wäre eine virtuelle Sitzung unter Ausschluss der Bürger aus seiner Sicht auch demokratiepolitisch äußerst problematisch. Das bestätigt Oliver Waller , der im Landratsamt Lindau für kommunale Angelegenheiten zuständig ist. Auch in Corona-Zeiten seien die Sitzungen „weiter öffentlich“. Allerdings sollten aufgrund der Ansteckungsgefahr „nur dann Sitzungen abgehalten werden, wenn unverzichtbare, unaufschiebbare Entscheidungen getroffen werden müssen, beispielsweise ein Nachtragshaushalt“.
Die Anzahl der Sitzungen sollte auf ein Mindestmaß beschränkt werden, so Waller weiter. Virtuelle Sitzungen seien nicht vorgesehen. Gegebenenfalls sollte in größere Räumlichkeiten wie Sporthallen ausgewichen werden, um den Mindestabstand von 1,5 Meter für alle Teilnehmer zu gewährleisten. „In dringlichen Angelegenheiten kann der Erste Bürgermeister anstelle des Gemeinderats eine dringliche Anordnung treffen und unaufschiebbare Geschäfte besorgen“, betont Waller. So könne dieser beispielsweise nach einem Sturm, der die gemeindliche Turnhalle beschädigt hat, die Arbeiten zur Sicherung des Daches in Auftrag geben, „auch wenn die Kosten dafür seine Befugnis überschreiten“. Allerdings sei er dann auch verpflichtet, den Gemeinderat in der nächsten Sitzung darüber zu informieren. Und Waller fügt hinzu: „Umlaufbeschlüsse sind nicht zulässig.“
Unsicherheit in den Gemeinden besteht vor dem Hintergrund Corona-Krise auch hinsichtlich der ersten Sitzung mit den kürzlich neu gewählten Gemeinderäten. Diese sogenannte „konstituierende Sitzung“, die in Weißensberg für den 4. Mai 2020 geplant ist, müsse, so Kern weiter, innerhalb einer Frist von 14 Tagen (Anm. beginnend mit 1. Mai) stattfinden. Hier ist noch etwas Geduld gefragt, wie Waller sagt. Das bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration habe in einem Schreiben darauf verwiesen, dass es für die konstituierenden Sitzungen „rechtzeitig weitere Hinweise geben wird“.
Weit mehr Sorgen macht sich der Bürgermeister über die Zeit nach Corona. Er rechne mit geringeren Einnahmen, sowohl bei der Gewerbesteuer als auch bei den Anteilen an der Einkommensteuer. In der Folge würden nicht nur die Kreisumlage, sondern vor allem die Sozialausgaben steigen. Kern: „Und das spüren dann die Gemeinden vor Ort.“ Weitere Konsequenz sei, dass schon bald die „Überschüsse deutlich geringer ausfallen und viel weniger investiert wird“. Insgesamt betrachtet werde sich „die finanzielle Lage deutlich verschlechtern“, sagt Kern.