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Seniorenheim

„Weihnachten ist etwas Geheimnisvolles“

Wasserburg-Hege / Lesedauer: 4 min

Beim Plätzchenbacken erinnern sich Seniorinnen an früher – Familie singt mit Heimbewohnern Weihnachtslieder
Veröffentlicht:23.12.2014, 17:02

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Schon im Aufzug des Seniorenheims Hege duftet es nach Weihnachten. Oben im zweiten Stock holt Karoline Hotz , Abteilungsleiterin Betreuen und Wohnen, gerade ein Blech liebevoll ausgestanzter, mit Mandelsplitter verzierter Tannenbäume und Herzen aus dem Ofen. Am Tisch nebendran sitzen und stehen fünf Seniorinnen. Sie stechen für eine gemeinsame Feier Teig aus, bestreichen und verzieren ihn. Eine der fleißigen Plätzchenbäckerinnen lässt ein kleines Stückchen Haselnussteig in ihrem Mund verschwinden. Sie lächelt, ihre Augen leuchten. Auch die der anderen – vor allem dann, wenn die Frauen von Weihnachten erzählen, von heute und von früher.

Nicht alle, aber die meisten Bewohner feiern Heilig Abend im Seniorenheim, sagt Hotz. Sie können oder wollen nicht zu ihren Familien nach Hause. Zu vielen der Bewohner kommen nachmittags Angehörige zu Besuch. Familie, ja, das ist es, was zu Weihnachten gehört. Helene Bystrzinski, 85, nickt zustimmend. Dass ihre Enkelin in diesem Jahr sogar aus Berlin kommt, macht sie glücklich.

Maria Rogg drapiert Reihe für Reihe Teigherzen aufs Blech. Sie ist die Älteste in der Runde: Im Januar feiert sie ihren 98. Geburtstag. Sie freut sich, wenn an Heilig Abend Bewohner, Mitarbeiter und Angehörige in den jeweiligen Wohnbereichen gemeinsam Lieder singen und jemand Geschichten vorliest. „Das finde ich so heimelig. Dann denke ich jedes Mal an meine Kindheit.“

Maria Rogg lächelt, als sie sich erinnert. „Das Musizieren war´s Schönste. Dann war wirklich Weihnachten.“ Elfriede Scham, 85, blickt neben ihr vom Plätzchenausstechen hoch und sagt: „Sie singt immer noch so schön – und so hoch. Man hört sie immer raus.“

Gemeinsam singen – das gehört auch zu Heilig Abend im Seniorenheim dazu. Bereits seit etwa zehn Jahren kommt eine Familie und musiziert für die Bewohner. Einfach, weil sie ihnen ein Lächeln in die Gesichter zaubern will.

„Es kam so, dass eine liebenswerte ältere Dame nicht mehr zu Hause gepflegt werden konnte und ins Seniorenheim kam. Um ihr eine Freude zu machen, dachten wir uns: Komm, dann spielen wir dort“, sagt Sabine Schäfer. Dann fragten sie, ihr Mann und ihre Kinder, ob die anderen nicht auch Lust hätten. Seitdem zieht die Familie jedes Jahr am 24. Dezember von einem Wohnbereich zum nächsten und spielt Alpenländisches und Weihnachtslieder.

Die fünfköpfige Familie sitzt dann inmitten der Bewohner. „Eine intensivere Einstimmung auf den Heiligen Abend als dort kann ich mir gar nicht vorstellen“, sagt Sabine Schäfer. „Das ist unser Weihnachten.“ Stille Nacht singen dann alle zusammen. Manchmal kullern auch Tränen vor Rührung.

Auf die Plätzchen des nächsten Blechs streut Josefine Jenny, 88, weiße Zuckerkristalle. Nusshäuferl, Spitzbuben, Vanillekipferl – bis zu 18 Sorten habe ihre Mutter früher gebacken. „Man darf nur selber nicht der beste Esser sein“, sagt sie und lacht.

Der Heilige Abend lief bei den Frauen früher ähnlich ab. Wenn das Glöckchen klingelt, hat das Christkind die Geschenke gebracht. Dann dürfen die Kinder endlich in die Wohnstube, wo der mit Kugeln geschmückte Christbaum seine Zweige über die mit Schleifen verzierten Päckchen streckt. Das ist in vielen Familien heute so. Das war so vor 20, vor 50 Jahren.

„Ich finde es nett, wenn man lange ans Christkind glaubt“, sagt Maria Rogg. Sie sei fünf Jahre alt gewesen, als sie das Geheimnis lüftete. „Meine Mama hat gesagt, jetzt Kinder geht Ihr weg.“ Doch da hörten ihre Schwester und die junge Maria Rogg im Wohnzimmer etwas rascheln. „Da hab ich geglaubt, da ist das Christkind drin. Wir haben durchs Schlüsselloch geguckt und sehen die Mama. Da wussten wir, dass es die Mama war, das Christkind.“

Und trotzdem: „Weihnachten ist etwas Geheimnisvolles“, findet die 97-Jährige noch heute. Karoline Hotz holt das nächste Blech aus dem Ofen. Mit den ersten, mittlerweile ausgekühlten Plätzchen füllt sie eine kleine Schüssel. Die Plätzchenbäckerinnen dürfen gleich kosten. „Die sind gut“, sagt Josefine Jenny.

Für die, die Heilig Abend im Seniorenheim verbringen, gibt es abends Würste und Kartoffelsalat. Auch das gehört bei vielen mit dazu.

Auf der Theke häufen sich die fertig gebackenen Plätzchen. Der Schnee fehle, aber der schöne Adventsschmuck und die Lichterketten draußen stimmen aufs Fest ein, sagen die Frauen.

Und sie freuen sich. Auf Familie, aufs gemeinsame Musizieren, auf das Geheimnisvolle an Weihnachten.