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Tournee

Ehemaliger Bürgermeister war Schöpfer von Dr. Mabuse

Sigmarszell / Lesedauer: 3 min

Ehemaliger Bürgermeister war Schöpfer von Dr. Mabuse
Veröffentlicht:03.05.2010, 15:50

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Er wäre in diesem Jahr 130 Jahre alt geworden: Norbert Jacques, der Schöpfer der berühmt-berüchtigten Romanfigur des Dr. Mabuse. Auf seinen Spuren wandeln derzeit Schauspielerin Yutah Lorenz und Gitarristin Heike Matthiesen. Jetzt waren sie in Sigmarszell zu Gast. Hier lebte der Schriftsteller von 1920 bis zu seinem Tod.

Von unserer Mitarbeiterin  Maria Luise Stübner

Sigmarszells Bürgermeister Walter Matzner freut sich, rund 85 Zuhörer bei der von der Gemeinde veranstalteten musikalischen Lesung im Haus des Gastes begrüßen zu können. Launig merkt er an, dass Norbert Jacques zu seinen Vorgängern im Amt des Bürgersmeisters gehörte – wenn auch nur für 20 Tage (im Jahr 1945). Er selbst habe es zwar länger ausgehalten, sagt Matzner. Dafür sei er aber nicht so berühmt.

Dann überlässt er zwei Damen das Feld, die eindrucksvoll ein Schriftstellerleben in Szene setzen, das der Titel von Norbert Jacques Autobiografie „Mit Lust gelebt“ wohl am treffendsten auf den Punkt bringt: Die diversen Stationen, an denen er seine Zelte aufschlug, die drei Ehen, die zahlreichen Weltreisen, die durchzechten Nächte eines Lebemannes, der mit Worten zu Erfolg und Geld kam. Der für Provinzblätter und große Journale schrieb, zahlreiche Bücher verfasste aber auch für Groschenhefte schrieb.

Was ihn berühmt machte, war der Roman „Dr. Mabuse, der Spieler“, der 1922 von Regisseur Fritz Lang verfilmt wurde. Geschrieben hat ihn Jacques in nur 20 Tagen im österreichischen Hörbranz, genauer gesagt im Gasthaus Bad Diezlings. Ein ebenso idyllisches wie weinseliges Plätzchen, das er von seinem Gut Adelinenhof in Thumen (Sigmarszell) gerne ansteuerte. Im Gig und mit Kosakenstute Fanuschka, die auch problemlos den Heimweg fand.

Im dritten Reich wurde der gebürtige Luxemburger vom Verfolgten zum Angepassten. Dass er sich bei der „Wiedereingliederung“ Luxemburgs ins Deutsche Reich vor den Karren der Nationalsozialisten spannen ließ, brachte ihm im Heimatland für immer die Rote Karte ein. Gestorben ist er so, wie er lebte: Bei einem Weinfest in Koblenz im Alter von 74 Jahren.

Yutah Lorenz lässt dieses wechselvolle und schillernde Leben mit großer schauspielerischer Intensität Revue passieren, klinkt sich ausdrucksstark in Buchpassagen ein, so auch beim Dr. Mabuse: Unwirklich, unheimlich ist, was da im Spielsalon passiert. Wo selbst einem Staatsanwalt die Karten aus der Hand genommen werden, er sich geheimnisvollen dunklen Mächten beugen muss.

Heike Matthiesen nimmt in faszinierender Manier die farbigen Beschreibungen in Jacques Texten auf. Versetzt mit musikalischem Feingefühl Stimmungen in Schwingungen, gibt den Handlungsorten atmosphärische Dichte. Schwarzweißfotos auf der Leinwand und ein Filmausschnitt runden die Vorstellung ab.

Immer wieder gibt es spontanen Applaus für die beiden Künstlerinnen und am Schluss langanhaltenden Beifall. Dann widmen sich die Besucher interessiert den Tischen, die Ortsheimatpfleger Gallus Halder mit Exponaten aus der Heimatstube bestückt hat: jede Menge Bücher von Norbert Jacques, Comics, Fotos, Zeitungsberichte und ein altes Schild, das auf den Zollgrenzbezirk Thumen hinweist.

INFO

Dr. Mabuse zieht weiter: Die nächsten Stationen der Tournee von Yutah Lorenz und Heike Matthiesen sind das Zeppelin-Museum in Friedrichshafen (10. Juni, 19 Uhr) und die Probstei St. Peterzell in der Schweiz (11. Juni, 20 Uhr).