StartseiteRegionalRegion LindauSigmarszellDas Heimatstüble steckt voller Fundstücke aus der Vergangenheit

Fundstück

Das Heimatstüble steckt voller Fundstücke aus der Vergangenheit

Sigmarszell / Lesedauer: 4 min

Ortsheimatpfleger Gallus Halder sammelt und bewahrt Dokumente der Sigmarszeller Ortsgeschichte
Veröffentlicht:10.03.2021, 19:38

Artikel teilen:

Der Tisch ist übersät mit bunten Aktenordnern, in Schränken und Regalen stapeln sich Bücher und alte Schriftstücke, an den Wänden hängen Urkunden und Übersichtspläne, auf den Stühlen liegt noch mehr Papier. Das Heimatstüble unter dem Dach des Sigmarszeller Bauhofs in Schlachters ist vollgestopft mit Zeugnissen aus der Dorfgeschichte. Ortsheimatpfleger Gallus Halder ist ihr Sachwalter und verbringt hier vor allem im Winter viel Zeit damit, die historischen Stücke zu sichten und zu ordnen. Er hofft, dass er bald mehr Platz für diese Aufgabe bekommt.

„Ich werde hier sicher nicht arbeitslos“, schmunzelt der 66-Jährige und greift nach einem der vielen Ordner. Zeitungsartikel, Fotos und andere Schriftstücke über Dr. Ludwig Kohl-Larsen sind darin abgeheftet, oft geschützt in Klarsichthüllen. „Den hab‘ ich noch als Bub gekannt“, erzählt Gallus Halder, „er hat mir immer Gutsle gegeben.“

Kohl-Larsen (1884 bis 1969) war Arzt, Paläontologe und Forschungsreisender, der unter anderen Expeditionen in die Antarktis und nach Afrika unternahm. Er war Professor für Völkerkunde in Tübingen während des Dritten Reiches, ein überzeugter Nationalsozialist, und musste die Professur nach dem Krieg im Zuge der Entnazifizierung aufgeben. Er stammte aus Landau in Rheinland-Pfalz und lebte jahrelang bis zu seinem Tod in Sigmarszell . Deshalb gibt’s hier im Heimatstüble einen Ordner über ihn.

Auch über den bekannten Schriftsteller und Dr.-Mabuse-Erfinder Norbert Jacques (1880 - 1952), der in Thumen lebte, hat Gallus Halder viele Fundstücke zusammengetragen, ebenso über den Kunstmaler und Gartenarchitekten Otto Valentien (1897 - 1987), der sich ebenfalls in Thumen niedergelassen hatte.

Sigmarszells Ortsheimatpfleger widmet sich aber nicht nur bekannten Personen, die in seiner Gemeinde lebten. Viele Unterlagen hat er auch über die Außenstelle Biesings des Konzentrationslager Dachau gesammelt, ebenso Erinnerungen an die französische Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Ein erheblicher Teil der Fundstücke dokumentiert vor allem das ganze normale Leben in Sigmarszell: Mal künden alte Handwerkerrechnungen von Firmen, die es früher mal in Sigmarszell und Umgebung gegeben hat und längst erloschen sind. Mal zeigen alte Fotografien und Ansichtskarten, wie es einst in der Altgemeinde Sigmarszell ausgesehen hat. Es sind Bilder von Straßenzügen, Einzelhäusern, Menschen, Festen und Alltagsszenen. „„Mein Schwerpunkt sind alte Fotos“, erklärt Gallus Halder.

Man kann sich leicht vorstellen, wie zeitaufwändig es ist, all diese Bilder und Schriftstücke zu sammeln, zu sichten, zu sortieren und richtig zuzuordnen. Wenn sich Gallus Halder dieser Aufgabe im Heimatstüble widmet, dann taucht er in eine vergangene Welt ein. Ein Interesse daran habe er immer schon gehabt. „Ich hab‘ schon als Kind alte Sachen gesammelt“, erzählt er. Wie lange er schon Ortsheimatpfleger ist? Spontan kann er das gar nicht so genau sagen. „Sicher schon über 30 Jahre“, überlegt er. In dieser Funktion werden ihm lokalhistorische Fotos oder Schriftstücke oft zugetragen. Manches hat er aber auch schon auf Flohmärkten entdeckt, im Wertstoffhof vor der Vernichtung gerettet oder in Abbruchhäusern gefunden.

Die meisten Sammelstücke im Sigmarszeller Heimatstüble sind aus Papier. Es gibt hier aber auch ein paar bemerkenswerte Gegenstände. „Was denken Sie, was das ist?“ fragt Gallus Halder und zieht einen Metallreif hervor, der zuvor unscheinbar an der Wand lehnte. Des Rätsels Lösung: „Das ist ein Abschnitt der früheren Ölfernleitung Genua-Ingolstadt.“ Als nächstes zeigt er einen durchbohrten Abschnitt eines Baumstamms und erklärt: „Das ist ein Deichel, ein Stück einer alten, hölzernen Wasserleitung.“ Auch ein Grenzstein vom königlich-bayerischen Wald gehört unter anderem zu den Raritäten im Heimatstüble.

Auf dem Fußboden stehen auch noch einige Koffer. „Da ist keiner leer“, sagt Gallus Halder lachend. Was da wohl drin ist? Viel Papier natürlich. Wohin das Auge im Heimatstüble auch blickt: Überall befinden sich stumme und zugleich recht beredte Zeugen der Ortsgeschichte. Sie zu bewahren, ist Gallus Halders Auftrag und Leidenschaft.

Nur eines wünscht er sich: mehr Platz. Der Gemeinderat hat sich mit diesem Anliegen bereits befasst und beschlossen, das Dachgeschoss des Bauhof- und Feuerwehrgebäudes auszubauen.