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Strategien gegen rechtsradikale Denkmuster

Lindau / Lesedauer: 4 min

Publizistin und Juristin Liane Bednarz referiert zum Abschluss der 70. Tagung der Tiefenpsychologen
Veröffentlicht:01.11.2019, 16:26

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Über die Resilienz in radikalen Zeiten hat die Publizistin und Juristin Liane Bednarz am Abschlusstag der 70. Tagung der Tiefenpsychologen referiert. Genauer gesagt, sprach sie über Strategien gegen rechtsradikale Denkmuster, was am besten dagegen zu tun sei, darüber hinaus versuchte sie, die Angst vor Hasspredigern zu nehmen. Um über Strategien gegen Rechtsradikale nachzudenken, muss man unter anderem wissen, wie die ticken, wie die leben. Dazu klärte Bednarz auf, wie das rechte System funktioniere.

Sie nannte unter anderem die Fehlschlüsse, also Behauptungen ohne Belege. So wie die Behauptung, das deutsche Volk werde islamisiert, eine dreiste Behauptung, die aber nicht belegt werden könne. Statistiken würden ignoriert. So sähen die Rechten nur Dinge, die ihr Bild bestätigen.

Als Beispiel nannte Liane Bednarz Messerattacken von Flüchtlingen, die natürlich schlimm, aber nicht dazu geeignet seien, allen männlichen Flüchtlingen zu unterstellen, sie würden mit gezückter Klinge umherlaufen. Diesen Schluss ließen die Zahlen schlichtweg nicht zu, sagte Bednarz. Sobald etwas aber nicht ins Bild passe, würden Tatsachen einfach ausgeblendet. Zitate bekannter Menschen würden verwendet, so beispielsweise von Björn Höcke über das Holocaust Mahnmal in Berlin, das er als „Denkmal der Schande“ bezeichnete und sich im Nachgang auf ein Zitat von Augstein berufen hat. „Nur weil Augstein das gesagt hat, ist es auch nicht richtig“, sagte Bednarz.

Auch die Behauptung, „die natürliche Grundordnung werde durch die Grün-Versifften gestört“, entbehre jeder Grundlage. Denn die Ehe für alle, das Gender-Thema, die Emanzipation der Frau und anderes sei nichts, was einer Grundordnung, so sie überhaupt in dieser Form existiere, widerspräche.

Bednarz stellte die Frage, warum rechtes Denken nicht konservativ sei, nicht konservativ sein könne. Konservatives Denken beinhalte das Eingeständnis der Schuld am Zweiten Weltkrieg und seinen Folgen, beinhalte auch kein Denken in ethnologischen Kategorien. Sie behaupteten nicht, die Herrenrasse zu sein, per se seien alle mehr oder weniger gleich, aber sie dürften sich nicht mischen. Es brauche eine völkische Reinheit, so müsse das deutsche Volk geschützt werden. Rechtes gegen konservatives Denken zeige sich auch in dem moralisch-politischem Alleinvertretungsanspruch „Nur wir sind das Volk“, so Bednarz.

Bednarz ist in diesem Feld sehr engagiert, wurde aber vielfach geschmäht oder beleidigt. Dies ging bis zur Tötungsankündigung. Da habe sie die Polizei eingeschaltet, gemeinsam seien sie aber zu dem Schluss gekommen, es handele sich hier nur um einen Maulhelden. Ihr selbst wurde nach eigener Aussage klar, dass sie nur eine Projektionsfläche für den rechten Hass darstelle, dieser Hass habe mit der Person nichts zu tun. Dass mehr und mehr Grenzen überschritten werden, zeige unter anderem der Lübke-Mord.

Viele dieser Rechten würden nicht in Hitlerverehrung dahinschwelgen, sondern völkisch denken, was es nicht harmloser mache. Sie würden sich eher auf Oswald Spengler beziehen, der nach dem Ersten Weltkrieg den „Untergang des Abendlandes“ beschrieb. „Wenn es gegen freiheitliches Denken geht, ist es rechtsextrem“, formulierte Liane Bednarz. Liberales Denken sei das Feindbild Nummer eins, beschrieb sie die Denkstrukturen in dem Rechtsaußenlager.

Liane Bednarz ging auch auf das von den Rechten verwendete Vokabular ein, Kanzlerdiktatur, Altparteien, Lügenpresse, Mainstreampresse, um Andersdenkende irgendwie zu diffamieren. Genauso wie die Rechten versuchten, die liberale, repräsentative Demokratie mit Kanzlerdiktatur, Blockparteien, Volksverräter oder EudSSR zu diffamieren, von Alteliten reden, wo sei selbst doch gerne Elite wären.

Schockierende Beispiele

Mit einigen Videobeispielen schockierte sie ihr Publikum. Beispiele vom Kyffhäusertreffen 2018, von einer Rede von Andreas Kalbitz, den sie als den Strippenzieher in der rechten Bewegung bezeichnete, „Höcke ist nur der Posterboy.“

Als große Gefahr sah Bednarz, dass dieses Vokabular der Rechten auch in den Sprachgebrauch der Rechtskritiker einfließe, was immer wieder geschehe. „Das dürfen wir nicht zulassen“, sagte Bednarz eindringlich. Auf deren Sprache dürfe man sich nicht einlassen, ebensowenig sich in die Rolle derjenigen treiben lassen, die Behauptungen der Rechten widerlegen zu müssen. „Wer eine Behauptung aufstellt, muss sie belegen können, so einfach ist das“, gibt Bednarz Hilfestellung. Und sich ja nicht auf die Spielebene der Rechten zerren lassen, warnt sie. Dazu gehöre Angstmache, wie auch Regelbrüche von links.

Wobei ihre Ansicht über „Extinction Rebellion“, einer Art ziviler Ungehorsam, der ebenso verfassungs- und demokratiegefährdend sei, im Publikum nicht nur auf Wohlwollen stieß. Sie wurde in der Fragerunde darauf hingewiesen, wie wichtig damals ziviler Ungehorsam in der Atomwaffenfrage (Mutlangen), in der Atommüllfrage (Wackersdorf) gewesen sei, bei Gandhi in Indien und vielem mehr.