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Spitzenforschung

Spitzenforschung verständlich erklärt

Lindau / Lesedauer: 4 min

Fachleute erklären bei einer Matinee rund 200 Interessierten die Leistungen der aktuellen Nobelpreisträger
Veröffentlicht:17.01.2016, 18:28

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Auch wenn Spitzenforschung für Laien oft schwer verständlich ist, haben die Ergebnisse der hoch dekorierten Wissenschaftler viel mit dem Leben jedes Einzelnen zu tun. Das ist wieder mal bei der Matinee über die aktuellen Nobelpreisträger am Sonntag deutlich geworden. Denn die Laureaten wurden ausgezeichnet für Forschungen zum Thema Armut, zu Malaria und Krebs sowie zum Verständnis der Welt.

Sehr praxisnah waren die Forschungsarbeiten von Angus S. Deaton , der heuer den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat. Caroline Chuard hat den Schotten mit US-Staatsbürgerschaft vorgestellt. Sie arbeitet an der Universität Zürich an ihrer Doktorarbeit und hat vor zwei Jahren an der Ökonomentagung in Lindau teilgenommen.

Deaton hat sich demnach mit verschiedenen Feldern der Wirtschaft befasst und zu Konsum und Wohlfahrt ebenso geforscht wie zum Thema Armut. In allen Fällen habe er anders als die meisten Kollegen weniger mit Theorien gearbeitet als vielmehr auf Grundlage von Daten. Und weil es oft keine aussagekräftigen Zahlen gibt, hat Deaton Verfahren entwickelt, wie man solche Daten erheben kann. Dabei ist es wichtig, Umfragen so zu gestalten, dass nicht der Fragesteller – absichtlich oder nicht – das Ergebnis vorwegnimmt und dass die üblichen Schummeleien der Antwortenden das Ergebnis nicht verfälschen.

Medizin gegen verschiedene gefährliche Tropenkrankheiten

Großen Nutzen vor allem für Menschen in den Tropen haben die Ergebnisse der Arbeiten von Youyou Tu, William C. Campbell und Satoshi Omura, die sich den Nobelpreis für Medizin teilen. Professor Heinz Drexel, Chefarzt des Landeskrankenhauses Feldkirch, stellte vor allem die Hartnäckigkeit heraus, die alle drei bewiesen hatten. Denn um Mittel gegen Malaria und verschiedene durch Fadenwürmer hervorgerufene Krankheiten zu entwickeln, waren schier unendliche Versuche nötig. Die Chinesin Youyou Tu untersuchte 2000 Kräuter, bis sie auf den einjährigen Beifuß traf, aus dem sich ein wirksames Medikament erstellen ließ. Und Campbell und Omura mussten mit 400 Bakterienstämmen, um einen Wirkstoff zu entwickeln. Weil die Pharmaindustrie kein großes Geschäft sah, dauerte es noch mal einige Zeit, bis die Mittel wirklich weltweit verbreitet waren, so dass Drexel und seine Kollegen jedes Jahr auch etwa eine Handvoll Patienten damit therapieren, die sich bei einer Tropenreise infiziert haben.

Noch näher an unserem Leben sind die Forschungen, für die Tomas Lindahl, Paul L. Modrich und Aziz Sancar heuer den Nobelpreis für Chemie erhalten haben. Die Vorstellung übernahm Dr. Isabelle T. Holder , die 2013 als Nachwuchswissenschaftlerin an der Lindauer Tagung teilgenommen hat. Sie berichtete, wie die drei Forscher unabhängig voneinander herausgefunden haben, wie Zellen Fehler und Verletzungen der DNA, wie sie in jedem Körper täglich zigmal vorkommen, reparieren können. Dabei reparieren Enzyme sowohl vom Körper selbst hergestellte falsche DNA wie auch solche, die durch äußere Einflüsse wie Nikotin, UV-Strahlen oder Schnittverletzungen herrührt. Die Grundlagenforschungen sind wichtig, weil Wissenschaftler auf dieser Grundlage nun herausfinden können, wie man die Selbstheilungskräfte des Körpers auch für Krankheiten wie Krebs nutzbar machen kann. Laut Holder gibt es bereits ein entsprechendes Mittel, das bei Eierstockkrebs wirksam eingesetzt wird.

Verstehen, was die Welt im Innersten zusammenhält

Ohne praktischen Nutzen sind dagegen die Ergebnisse der Physiknobelpreisträger Takaaki Kajita und Arthur B. McDonald, von denen zumindest einer im Sommer nach Lindau kommen wird. Rainer Blatt, Professor für Experimentalphysik an der Uni Innsbruck und wissenschaftlicher Leiter der nächsten Nobelpreisträgertagung, stellte vor, wie die beiden das unter Physikern lang umstrittene „Geisterteilchen“ Neutrino nachgewiesen hatten und dazu noch, dass dieses eine Masse hat. In riesigen Observatorien, die aufwendig bis zu 2000 Meter tief in Bergmassive eingebaut sind, um die Hintergrundstrahlung der Erde möglichst gering zu halten, haben die japanischen und kanadischen Forscher die Neutrinos erwiesen. Laut Blatt waren dies weitere Bausteine, für das bessere Verständnis dessen, was die Welt im innersten zusammenhält. Denn auch das ist Aufgabe der Wissenschaft.