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Gesamtbetrag

„Sie müssen brennen für das Thema Bildung“

Lindau / Lesedauer: 4 min

Thomas Gehring spricht auf Einladung der Bunten Liste über das Schulwesen
Veröffentlicht:21.12.2017, 17:46

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Von 2018 bis 2021 wird die Stadt Lindau einen Gesamtbetrag von 4,3 Millionen Euro in Grund- und Mittelschulen und einen weiteren Betrag von 6,2 Millionen Euro in Kindergärten investieren. Dies ist ein Ergebnis der diesjährigen Haushaltsberatungen.

„Die bauliche Modernisierung allein macht aber noch keine gute Schule, wenn sie nicht auch mit modernen pädagogischen Konzepten einhergeht “, ist sich OB-Kandidat Daniel Obermayr sicher. Deshalb habe die Bunte Liste den bildungspolitischen Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Thomas Gehring, zum Themenabend „Lindauer Schulen und Kitas in der Zukunft” ins Köchlin eingeladen, und dazu alle Bürger, die mitdiskutieren wollten.

„Ich möchte heute Abend viel lernen. Meine Kompetenz für ‚Schule‘ stammt aus meiner eigenen Schulzeit, und aus der Schulzeit meiner Kinder“, sagt er. Er wolle wissen, „was in bayerischen Schulen los ist. Damit wir die richtigen Fragen stellen, und dazu beitragen können, die Lindauer Schulen bestmöglich zu machen“, erklärt Obermayr. Gehring betont, dass die Bildungspolitik gleichzusetzen sei mit Sozialpolitik des 21. Jahrhunderts und Länderkompetenz sei, die Gebäude aber kommunale Aufgabe seien. „Ein guter Oberbürgermeister kümmert aber sich nicht nur um das Gebäude, sondern auch um die Pädagogik“, so Gehring. Gute Schulen seien ein wichtiger Standortfaktor für die Gewinnung von Fachkräften für die Region. Die Reformpädagogik und die Lernforschung haben andere Vorstellungen vom Lernen, als ein Klassenzimmer mit Frontalunterricht. Und daran müsse sich Schularchitektur anpassen. „Neurologen sagen, dass der Lernprozess niemals gleich verläuft, sondern bei jedem Schüler sehr individuell. Schule muss deswegen entsprechend entwickelt werden.“

Digitalisierung der Schulen

Lindau habe mit der Grundschule Reutin/Zech ein hervorragendes Beispiel, wie Lern- und Spielräume konzipiert werden müssen, um klassenübergreifendes und kompetenzorientiertes Unterrichten, Fördern und Lernen möglich zu machen. Was dort beispielhaft passiert sei ist, dass sich Planer, Kommune und Lehrerteam zusammengesetzt und darüber gesprochen haben, was ihre pädagogischen Vorstellungen und Ziele sind und entsprechend wurde die Architektur gestaltet. „Es ist politische Klugheit einer Kommune, sich so zu verhalten“, lobt Gehring.

Weiteres komplexes Thema des Abends ist die Digitalisierung der Schulen in einer Welt der digitalen Revolution: Zur Teilhabefähigkeit gehöre Kompetenz und der souveräne Umgang mit dieser Technik, das werde künftig so wichtig sein, wie lesen und schreiben, so Gehring. Die digitalen Medien spielen bereits eine große Rolle in Schulen, werfen aber extrem viele Fragen auf: wie weit darf das digitale Aufrüsten gehen? Wer ist zuständig für die Folgekosten? Wer kümmert sich um das Equipment? Wie geht man mit dem Thema Datenschutz um? Welche Lobby steckt dahinter? Viele Fragen, für die es aktuell keine einheitlichen Lösungen gebe. Es sei ein Thema, das nicht dezentral angegangen werden könne, sondern als Masterplan mit Finanzierung und Lehrerfortbildung vom Kultusministerium. Wobei es natürlich außer Frage stehe, dass Schüler altersgerechte Medienkompetenz erlernen müssen, wirft Matthias Kaiser ein, das sei wichtigste Prävention. Und auch viele Eltern müssten dringend für den Umgang mit den neuen Medien geschult werden. Alexander Kiss erinnert an den „Hirnpapst“ Professor Manfred Spitzer aus Ulm, der vor der digitalen Demenz warne. Ulrike Lorenz-Meyer betont, dass trotz der Chance, die die Digitalisierung beispielsweise für die Inklusion biete, an der Schule Raum bleiben muss, für die analoge Welt.

Nächstes Thema: Ganztagsangebote in Schulen. Deutsche Tradition sei, dass Schule am Vormittag stattfinde. Das sei, so Gehring, weder zeitgemäß noch nützlich. „Ganztagsschulen sorgen für Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit – denn nicht jede Mutter kann mit ihren Kindern zu Hause den Schulstoff gleichgut aufarbeiten und vertiefen.“ Der Weg müsse in Richtung guter Ganztagsschule gehen. Dafür gebe es zwar Geld vom Kultus- und Sozialministerium, aber keine einheitlichen Modelle. „Hier treffen pädagogische Welten aufeinander. Es muss dringend eine Lösung gefunden werden, und es müssen institutionelle Grenzen überwunden werden. Aktuell findet ein Kompetenzgerangel zwischen Bund, Land und Kommune statt, das nicht zielführend ist“, so Gehring und rät: „Die Kommune muss flexibel sein beim Bauen und nicht zu klein denken. Aktuell funktionierende Angebote sollte sie beibehalten und davon ausgehen, dass der Bedarf steigen wird.“ Ein Oberbürgermeister könne für die Bildungspolitik seiner Stadt viel tun, wenn ihm klar ist, dass sein Zuständigkeit über die Mauern des Schulgebäudes hinausgeht. Er müsse die richtigen Menschen zusammenbringen, und vor allem Kontakt zu den Kindern haben – es muss ein OB sein, der von den Kindern geliebt wird. Und er müsse vor allem brennen für das Thema, „wenn er seine Stadt zu einer guten Schulstadt entwickeln will.“

Etwas enttäuscht äußerten sich die Gastgeber, dass außer den Fraktionsmitgliedern kaum jemand zum Vortrag erschienen war.