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Dreifaltigkeitsberg

„Es gibt viel zu verändern“

Spaichingen / Lesedauer: 3 min

Stefan Vesper spricht zu seinem Besuch beim Männertag auf dem Dreifaltigkeitsberg
Veröffentlicht:02.07.2012, 10:00

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Hauptredner des Männertags am morgigen Sonntag ab 9.30 Uhr auf dem Dreifaltigkeitsberg ist der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Stefan Vesper. Regina Braungart hat ihn vorab befragt.

SZ : Herr Vesper, Sie haben Ihrem Vortrag den Titel des Leitworts des Katholikentags gegeben. Mit Blick auf Sonntag: Welchen „neuen Aufbruch“ meinen Sie?

Stefan Vesper: Wir brauchen nicht nur in unserer Kirche, sondern auch in unserer Gesellschaft einen neuen Aufbruch. Wir leben ja in einer Zeit tief greifender Veränderung. So vieles wandelt sich, was sicher schien. In dieser Situation braucht es Männer und Frauen, die sich mit Mut und Gottvertrauen engagieren. Das ist die „Grundidee“ des politischen Engagements der Katholiken. In unserer Kirche müssen wir mehr zu einer dienenden Kirche werden. In der Gesellschaft müssen wir weg von einer Lebensart, die auf Kosten unserer Kinder und Enkel lebt. Es geht ganz einfach darum, verantwortlich zu leben, als einzelner wie als Gemeinschaft, in unserer Kirche und in unserer Gesellschaft, in der europäischen und in der globalen Zusammenarbeit.

SZ: Welche drängenden Fragen bewegen die Katholiken derzeit nach Ihrer Erfahrung?

Stefan Vesper: Einmal geht es um all das, was derzeit vielen den Weg auf das eigentliche, auf die lebendige Beziehung zu Gott und auf das Evangelium, verstellt. Wie gehen wir in der Kirche mit dem Scheitern um, zum Beispiel bei wiederverheirateten Geschiedenen? Wie kommen wir in der Ökumene voran? Müsste es nicht möglich sein, auch in der Frage der konfessionsverschiedenen Ehen weiterzukommen? Warum ist es so schwer, in diesem Fall den evangelischen Partner zur Eucharistie zuzulassen? Wie können wir die Charismen der Frauen in unserer Kirche besser zur Geltung kommen lassen? Vor allem aber auch die Frage: Wie bleiben wir als Kirche vor Ort präsent? Wie können die Laien stärker einbezogen werden? Aber die Katholiken bewegen nicht nur „innerkirchliche“ Fragen. Es geht uns auch um das Gemeinwohl. Um unsere Demokratie, unseren Staat, unsere Stadt, unser Dorf. Wir brauchen endlich verbindliche ethische Regeln für die Finanzmärkte, die Spekulation mit Nahrungsmitteln muss endlich ein Ende haben, wir wollen unbedingten Lebensschutz vom Anfang bis zum Ende des Lebens, gerade haben wir uns für mehr Inklusion von Behinderten in unserer Gesellschaft eingesetzt - es sind viele Themen, die uns bewegen.

SZ: Ist das Trauma des Missbrauchs nun in der Diskussion verdrängt worden?

Stefan Vesper: Die Bischöfe haben nach der Aufdeckung der Missbrauchsfälle alles getan, um solche Fälle künftig zu vermeiden und um den Opfern, soweit es ging, gerecht zu werden. Dieser ganz entschiedene Aufklärungswille war sehr wichtig. Transparenz und Offenlegung sind unverzichtbar. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat einen mehrjährigen Dialogprozess ausgerufen, in dem wir über alle Fragen sprechen werden, die uns bewegen. Das war ein wichtiger Schritt, der längst Früchte trägt.

SZ: Freuen Sie sich auf Spaichingen?

Stefan Vesper: Ich freue mich sehr auf Spaichingen, ich war noch nie auf dem Dreifaltigkeitsberg, hatte aber schon von der Wallfahrt gehört, bevor die Einladung kam. Unsere Kirche, das wird mir immer wieder bewusst, ist eine starke und lebendige Gemeinschaft. Zu uns gehören faszinierende Menschen, das erlebe ich immer wieder. Ich will damit nichts „gesundbeten“, will keine Schwächen, kein Unvermögen und auch keine Ignoranz und Selbstherrlichkeit in unserer Kirche verdecken. Es gibt viel bei uns zu verändern und weiterzuentwickeln. Aber es gibt vieles, was Menschen anzieht, vieles, was ihre Fragen und Sehnsüchte beantwortet, vieles, was sie in schwerer Zeit begleitet, vieles, was gerade die Armen und Schwachen unterstützt. Es gibt tolle Initiativen, beeindruckende Menschen und „starke Orte“ in unserer Kirche. Dazu gehört der Dreifaltigkeitsberg.