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Solidaritätsabend

Prozess gegen Mesale Tolu aus Ulm ist terminiert

Lindau / Lesedauer: 4 min

Lindauer Informations- und Solidaritätsabend unterstützt Anwalt mit 130 Euro
Veröffentlicht:01.10.2017, 19:11

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Beinahe kein Stuhl ist beim Lindauer Informations- und Solidaritätsabend zur in der Türkei inhaftierten Ulmer Journalistin Mesale Tolu frei gewesen. Veranstaltet hatte den Abend die Bunte Liste, die Grünen und die Linken Ende der letzten Woche.

Am frühen Morgen des 30. April wurde die 33-jährige Mesale Tolu in Istanbul wegen ihrer regierungskritischen Arbeit als Journalistin von der Polizei verhaftet. Den zweijährigen Sohn Serkan gaben die Beamten in der Nachbarswohnung ab. Frau Tolus Mann Suat war bereits rund drei Wochen zuvor verhaftet worden.

Die in Neu-Ulm und Ulm geborene und aufgewachsene türkischstämmige Mesale Tolu spricht vier Sprachen, besitzt seit zehn Jahren nur noch die deutsche Staatsangehörigkeit und arbeitete seit einiger Zeit als Journalistin und Übersetzerin unter anderem für die politisch links orientierte Nachrichtenagentur „Etha“ in Istanbul.

Wie die beiden Referenten Dogan und Cem des Ulmer Solidaritätskomitees Mesale Tolu an dem Abend berichteten, lebt der zweijährige Sohn von Frau Tolu inzwischen mit seiner Mutter und weiteren 24 verhafteten Frauen in einer Zelle im Istanbuler Gefängnis Bakirkoy. Die allgemeine polizeilich Anschuldigung, Frau Tolu und ihr Mann würden den Terrorismus in der Türkei sowie die dort seit dem misslungenen Putschversuch von 2016 verbotene religiöse Gülen-Bewegung unterstützen, wurde inzwischen von der Staatsanwaltschaft konkretisiert.

Mesale Tolu hätte über die Beerdigung von zwei von der Polizei erschossenen Mitgliedern der kommunistischen türkischen Partei MLKP und über den Tod einer Kurdin bei den Abwehrkämpfen gegen den „Islamischen Staat“ IS (Daesh) in der befreiten, nordsyrischen Kurdenregion um Rojava berichtet. Dogan berichtete weiters, dass wer in der heutigen Türkei des Ausnahmezustandes unter Präsident Recep Tayyip Erdogan und seiner Partei AKP als Journalist oder politischer Aktivist verhaftet werde, würde zunächst für 90 Tage in Untersuchungshaft kommen. Aus ihr heraus solle der Häftling dann versuchen, seine Unschuld zu beweisen.

Danach habe der zuständige Richter drei Wochen Zeit, die ihm von der Staatsanwaltschaft zugeleitete schriftliche Anklage abzulehnen oder zu akzeptieren.

In der Türkei sind derzeit rund 170 Journalisten in Haft

So sei es seit Mitte Februar 2017 auch dem deutsch-türkischen Korrespondenten der deutschen Tageszeitung „Die Welt“, Deniz Yücel, sowie seit Juli 2017 auch dem deutschen Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner ergangen, welcher zusammen mit türkischen Kursteilnehmern aus einem Menschenrechtsseminar heraus verhaftet worden war. Derzeit sitzen in der Türkei rund 170 Journalistinnen und Journalisten in Haft, davon allein rund 20 aus der Redaktion der linksliberalen Tageszeitung Cumhürriyet.

Gerichtsprozess ist auf den 11. und 12. Oktober terminiert

Regierungskritische Berichterstattung bedeute in der heutigen Republik Türkei für Medienschaffende eine Gefährdung der eigenen Freiheit. Deshalb könne, so Herr Dogan auf dem Lindauer Informationsabend, „der heutige Staat Türkei des Präsidenten Erdogan nicht mehr als seriöser Partner bezeichnet werden.“ Einem deutschen Ingenieur sei diesen Sommer auf dem Flugplatz von Izmir sein Ausweis abgenommen und er selbst nach entsprechenden erkennungsdienstlichen Maßnahmen aus der Türkei wieder ausgewiesen worden, nur weil der Vermieter seines Ferienappartements angeblich ein Mitglied der religiösen Gülen-Bewegung sei und diese den Putschversuch von 2016 zu verantworten habe.

Für den 11. und 12. Oktober ist vom Gericht der Prozess gegen Mesale Tolu sowie weitere 17 Verhaftete angesetzt worden, nicht in Istanbul, sondern schikanöse, runde zwei Autostunden von der Großstadt entfernt. In Ulm findet aus diesem Anlass unter Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Günther Czisch am 7. Oktober im städtischen Kornhaus eine große Solidaritätsveranstaltung mit Musikprogramm statt. Die Stadt- und Gemeinderäte von Neu-Ulm und Ulm verabschiedeten inzwischen Solidaritätsresolutionen für die Inhaftierte.

Die hartnäckigen Bemühungen des Vaters und des Bruders von Mesale Tolu ermöglichen es seit kurzem, dass man dieser auch auf Deutsch in das Gefängnis schreiben kann: Mesale Tolu, Bakirkoy Kadin Kapali Cezaevi, Bakirkoy-Istanbul, Türkei.

Die Spendensammlung zur Finanzierung von Spielzeug für den zweijährigen Sohn von Mesale Tolusowie des türkischen Rechtsanwaltes für die Inhaftierte erbrachte am Lindauer Informations- und Solidaritätsabend 130 Euro.