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Schildbürgerstreich

Pfleger aus Gambia soll bleiben: Heimleiterin wehrt sich gegen „Schildbürgerstreich“

Lindau / Lesedauer: 4 min

Anke Franke kämpft für Altenpflegehelfer Madi Jammeh – Brief an Gesundheitsminister und Abgeordnete
Veröffentlicht:13.12.2018, 16:10

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Madi Jammeh macht eine Arbeit, die kaum ein Deutscher machen will. Und er macht sie mit Begeisterung. Der 28-jährige Gambier ist Altenpflegehelfer im Lindauer Maria-Martha-Stift und bei den alten Menschen, aber auch bei seinen Kollegen sehr beliebt. Doch obwohl er dort dringend gebraucht wird, droht ihm die Abschiebung. Heimleiterin Anke Franke will das verhindern. Sie appelliert in einem Brief an Gesundheitsminister Jens Spahn und andere Politiker, sich für Madi Jammeh einzusetzen.

Madi Jammeh ist der ideale Kandidat für mustergültige Integration: Er ist freundlich, fleißig und lernwillig. Seit seiner Flucht nach Deutschland 2014 lebt er in Achberg , wo er wegen seiner fröhlichen Art beliebt ist. Mit Erlaubnis des Landratsamtes Ravensburg beginnt er 2016 ein Praktikum im Maria-Martha-Stift. Dort findet er schnell Draht zu den alten Menschen, obwohl er anfangs nur schlecht Deutsch spricht. Er bekommt das Angebot, eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer zu machen und besteht die Prüfung. Jetzt arbeitet er, mit Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit, 36 Stunden in der Woche im Maria-Martha-Stift. Er ist fest eingeplant im Stellenplan des Heimes.

Alles könnte gut sein. Für Madi, der eine Arbeit hat und in einem Jahr sogar seine Ausbildung zum Altenpfleger machen will. Für das Heim, das einen guten Mitarbeiter bekommt und dessen Investition sich somit auszahlt. Ist es aber nicht. Denn die Lage für Gambier spitzt sich zu. „Ich habe das Gefühl, dass die Westafrikaner derzeit im Fokus stehen“, sagt Barbara Waag-Siffouri vom Sozialdienst für Flüchtlinge in Wangen, die für Madi zuständig ist. Es habe schon geglückte und versuchte Abschiebungen von Gambiern gegeben, sagt sie. Auch in Achberg.

Er ist ein Gewinn für unsere Einrichtung

, Heimleiterin Anke Franke

Da Madi Jammeh momentan nicht mehr in der Ausbildung ist, sei er nicht geschützt. Auch wenn seine Duldung jetzt bis März verlängert wurde: Waag-Siffouri rechnet damit, dass der 28-Jährige bald zur Passbeschaffung aufgefordert wird. Das kann Folgen haben: „Wenn die Identität gesichert ist, kann man abschieben“, weiß die Sozialarbeiterin. Diesen Nachweis nicht zu erbringen, sei aber auch keine Lösung. Denn dann drohe Arbeitsverbot.

„Er braucht noch mehr Praxis und muss noch mehr sprechen“, erklärt Anke Franke, weshalb Madi Jammeh nicht gleich nahtlos in die Ausbildung zum Altenpfleger eingestiegen ist. Jetzt befürchtet Waag-Siffouri, dass ihn diese Zwischenlösung zum Verhängnis werden könnte. Denn es sei unsicher, ob in diesem Fall die „3plus2-Regelung“ zum Tragen komme, die Flüchtlingen verspricht, ihre Ausbildung abzuschließen und eine zweijährige Anschlussbeschäftigung auszuüben, wenn der Asylvertrag abgelehnt wird. Und der sogenannte Spurwechsel, der abgelehnten Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern soll, ist noch nicht durch.

Wir haben viel Zeit, Energie und finanzielle Mittel in die Ausbildung des jungen Mannes investiert

Anke Franke

Unter der Unsicherheit leide Madi, aber auch das Maria-Martha-Stift, betont Franke. Für ihn, der sich hier eine Existenz aufgebaut habe, sei es „dramatisch“ mit der ständigen Angst zu leben, jede Nacht abgeschoben werden zu können. „Wir haben viel Zeit, Energie und finanzielle Mittel in die Ausbildung des jungen Mannes investiert und möchten ihn nicht verlieren“, schreibt Franke daher an Gesundheitsminister Jens Spahn und Abgeordnete aus Baden-Württemberg. Im Gespräch mit der Lindauer Zeitung betont sie, dass Madi Jammeh nicht nur die fachliche Qualifikation, sondern auch die passende Haltung für ihr Haus mitbringe. „Er ist ein Gewinn für unsere Einrichtung.“

Franke weist in dem Schreiben auf den akuten Personalmangel in der Pflegebranche und die verschiedenen Versuche der Politik, Pflegekräfte aus Drittländern anzuwerben, hin. Darüber kann die Lindauer Heimleiterin nur den Kopf schütteln: „Es gleicht einem Schildbürgerstreich, wenn auf der einen Seite einem seit vier Jahren in Deutschland lebendem, zwischenzeitlich gut integriertem und hier ausgebildetem jungen Gambier, den seine Kollegen wegen seiner Zuverlässigkeit und sehr guten Arbeitsleistung schätzen, den unsere Bewohner ins Herz geschlossen haben, die Abschiebung droht und auf der anderen Seite teilweise hilflos anmutende Anwerbeversuche in Drittländern unternommen werden.“

Sie appelliert daher an die Politiker, sich für Madi Jammeh einzusetzen und ihm schon jetzt zuzusagen, dass er in Deutschland bleiben und arbeiten darf. Anke Franke: „Sie nehmen uns die Befürchtung, plötzlich über Nacht den Personalschlüssel nicht einhalten zu können und ihm die Angst, seiner Existenz beraubt zu werden.“