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Kreisentwicklungsausschuss

Keine ständigen Busbegleiter für St.-Martins-Schüler

Lindau / Lesedauer: 4 min

Bei Stimmengleichheit lehnen Kreisräte den Antrag der Grünen ab, weil Schulleiter dies nicht für erforderlich hält
Veröffentlicht:27.10.2015, 14:08

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Leicht haben es sich die Kreisräte im Wirtschafts- und Kreisentwicklungsausschuss nicht gemacht: Fast zwei Stunden lang diskutierten sie am Montag Für und Wider zu ständigen Schulbusbegleitern für die Kinder und Jugendlichen der St.-Martins-Förderschule. Während die eine Hälfte mit einem Ja zu diesem Antrag der Grünen Schülern und besorgten Eltern Sicherheit geben wollte, ließen sich die anderen Kreisräte samt Landrat Elmar Stegmann von Schulleiter Jörg Sonnenberg überzeugen: Der legt großen Wert darauf, seine Schüler soweit wie möglich zur Selbständigkeit zu erziehen – ständige Begleiter in jedem Bus würden das hingegen [untergraben].

Die Grünen-Kreisrätin Ulrike Lorenz-Meyer hatte die Angst mancher Eltern von St.-Martins-Schülern in ihrem Antrag zusammengefasst: Etliche Familien befürchten danach, dass auch ihr Kind während einer Schulbusfahrt Opfer eines sexuellen Übergriffs werden – und sich aufgrund persönlicher Handicaps nicht dagegen wehren könnte.

Zwar gibt es nach Verwaltungsaussage in knapp zwei Drittel der insgesamt vierundzwanzig Schulbustouren zur St.-Martins-Förderschule bereits streckenweise Schulwegbegleiter, weil das ein oder andere Kind so schwer beeinträchtigt ist, dass es die Busfahrt allein nicht schaffen würde. Lorenz-Meyer hält es für wichtig, dass alle Bustouren von einem Erwachsenen begleitet werden. Das würde nach ihrer Ansicht nicht nur möglichem sexuellen Missbrauch vorbeugen, denn Kinder mit Behinderungen seien eben leichter Opfer eines solchen Fehlverhaltens. Es würde auch die Fahrt mit den Förderschülern für die Busfahrer leichter machen.

Schüler mit schweren Beeinträchtigungen haben meist bereits persönliche Schulwegbegleiter, verdeutlichte Schulleiter Sonnenberg. Sähen er und sein Kollegium diesen Bedarf, dann habe das Lindauer Landratsamt in Zusammenarbeit mit den beauftragten Busfirmen bisher schnell und unkompliziert gehandelt und einen solchen Begleiter gefunden.

Ständige Begleiter würden Kinder unselbständig halten

Allerdings fährt in neun Bustouren kein zusätzlicher Erwachsener mit – weil die Fahrschüler dort bereits selbständig genug seien und keine Hilfe benötigten, wie es der Rektor im Wirtschaftsausschuss beschrieb. Er legte vor den Kreisräten großen Wert darauf, dass seine Schule die Kinder, auch wenn diese ein Handicap haben, zu Selbständigkeit und Selbstvertrauen in ihre Fähigkeiten erziehe. „Mit einer ständigen Busbegleitung werden diese Schüler unselbständig gehalten und ihnen signalisiert, dass man ihnen nichts zutraue“, so der Pädagoge: Busfahren halte er „für eine Form der Autonomie“.

Unterstützt wird er in seiner Ansicht vom Jugendamtsleiter Patrick Zobel: Der hat laut Verwaltung in seiner Stellungnahme betont, dass „das Erproben und die Entwicklung eigener Fähigkeiten und das Vertrauen der Erwachsenen auf die Selbstbestimmungskräfte der Kinder eine zentrale pädagogische Aufgabe“ sei und dass „eine lückenlose Überwachung und Begleitung von Kindern diesem Ziel entgegensteht“. Die bisherige Regel, wonach Begleiter im Einzelfall gebilligt werden, trägt nach Ansicht des Jugendamts sowohl „der Entwicklung von Selbständigkeit und Eigenverantwortung wie auch dem Schutzbedürfnis umsichtig Rechnung“.

Für einige Kreisräte waren diese Aussagen nicht nachvollziehbar. So schilderte Walter Matzner, dass im Ferienhaus Hand in Hand kein einziger Bus mit behinderten Gästen ohne Begleiter fahre, das gebe während einer Fahrt einfach mehr Sicherheit, was sein Ausschusskollege Xaver Fichtl als wichtige Information betrachtete. Aus „einem Bauchgefühl“ heraus wollte auch Kreisrätin Sabine Schmid mit ständigen Begleitern in jedem Bus zur St.-Martins-Schule den Eltern die Sicherheit geben, dass ihre Kinder wohlbehalten dort ankommen. Auch Thomas Baumgartner und Christiane Thiesen sprachen sich vehement dafür aus.

Die sechste Stimme hätte von den Grünen kommen müssen

Die fünf Kreisräte konnten sich allerdings letztlich nicht durchsetzen: Das Nein zu ständigen Busbegleitern ihrer Kollegen Eberhard Rotter, Markus Reichart, Klaus Burkhard und Angelika Eller-Wiedemann sowie von Landrat Stegmann führte zur Stimmengleichheit von fünf zu fünf und damit zu einer Ablehnung von Ulrike Lorenz-Meyers Antrag. Wobei Burkhard (er ist einer der vom Kreis beauftragten Busunternehmer) versicherte, dass in seiner Firma jetzt jeder Fahrer ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen müsse, bevor er einen Vertrag erhalte.

Letztlich ausschlaggebend übrigens: Die Grünen haben eigentlich zwei Sitze im Wirtschaftsausschuss – da nach dem Mandatswechsel von Steffen Riedel zu Christian Schabronath die Grünen-Fraktion aber noch nicht festgelegt hat, wer welchen Ausschusskollegen im Verhinderungsfall vertritt, hatten sie bei diesem Beschluss nur eine Stimme statt zwei.