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Novemberrevolution

Josephine Hirner war Lindaus erste Stadträtin

Lindau / Lesedauer: 3 min

100 Jahre Frauen in der Politik: Bürgerliche Liste „Einig“ stellte 1919 keine Frau auf, SPD nominiert zwei Frauen
Veröffentlicht:11.03.2019, 13:51

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Mit der Novemberrevolution von 1918 haben Frauen in Deutschland erstmals das aktive und passive Wahlrecht erhalten. Bereits der bayerische Revolutionsaufruf Kurt Eisners (USPD) vom 8. November hatte mit dem alten Wittelsbacher Ausschluss der Frauen vom Wahlrecht Schluss gemacht. Im bisherigen Herzogtum Braunschweig hatte die Revolution bereits am 10. November mit der neuen von der USPD gestellten republikanischen Landesregierung eine erste deutsche Ministerin hervorgebracht, Frau Minna Faßhauer. In Lindau-Reutin wurden bei den Nachwahlen zum örtlichen Bauernrat am 26. Dezember 1918 auch die beiden landwirtschaftlichen Dienstmägde Frieda Hofmann und Margareta Kindl in dieses Revolutionsorgan gewählt.

Neuwahlen im Sommer 1919

Das am 4. Januar von der Eisner-Regierung verkündete erste „Staatsgrundgesetz der Republik Bayern“ hatte ausdrücklich auch das aktive und passive Wahlrecht für Frauen festgeschrieben. Auf dieser Grundlage wurden für den Sommer 1919 in ganz Bayern Neuwahlen der kommunalen Parlamente abgehalten. Die alte königliche Aufteilung in einen sozial privilegierten männlichen städtischen Magistrat sowie eine rein männliche Gemeindebevollmächtigten-Vertretung wurde zugunsten eines allgemeinen Stadt-, beziehungsweise Gemeinderates beider Geschlechter aufgehoben.

Bei den folgenden Stadtratswahlen für die Inselstadt Lindau vom 12. Juni 1919 stellte die bürgerliche Liste „Einig“ keine Frau auf. Auf der Liste der damaligen Arbeiterpartei SPD dagegen kandidierten Maria Weinmann und die Bahngehilfenehefrau Josefine Hirner, geborene Sick. Die sozialistische Arbeiterpartei USPD reichte ihren örtlichen Wahlvorschlag nicht fristgemäß ein und die Lindauer Kommunistinnen und Kommunisten gründeten erst im Dezember 1919 eine Lindauer Ortsgruppe.

Josefine Hirner (1893 bis 1976) wurde auf der SPD-Liste auch gewählt. Ihre Tätigkeit im Stadtparlament begann sie in folgenden Ausschüssen: Gesundheitswesen, Elektrizitäts- und Gaswerk, im Bauausschuss für die Erbauung eines städtischen Warmbades, im Krankenhausausschuss, im Wohnungsausschuss, Armenpflegschaftsrat und im Gemeindewaisenrat.

Im Jahr 1922 forderte Hirner im Stadtrat für alle öffentlichen städtischen Waschküchen, wie beispielsweise jene im „Storchen“, endlich eine elektrische Beleuchtung einzubauen.

Sie wohnte mit ihrer Familie im ehemaligen Schulhaus am Alten Schulplatz, heute eine Pizzeria. Zusammen mit ihrem Mann Josef Hirner hatte sie fünf Kinder, wovon das erste allerdings bald nach der Geburt verstarb. Seit 1923 arbeitete sie als eine der Lindauer Hebammen. In den 1930er-Jahren zog sie nach München, 1941 aber, nachdem ihr dortiges Haus ausgebombt worden war, kam sie wieder zurück nach Lindau.

Weder Nachruf noch Todesanzeige

Als sie 1976 mit 83 Jahren starb, erschienenen in der Lindauer Zeitung weder eine städtische noch eine private Todesanzeige, sowie kein Nachruf auf sie. Zuletzt gewohnt hatte sie wieder am Alten Schulplatz 2.

In den damals noch selbständigen Festlandsgemeinden Reutin, Aeschach und Hoyern hatte 1919 keine Frau kandidiert. Auch 1924 befand sich auf keiner Wahlliste zum nun Groß-Lindauer Stadtrat eine Frau. 1929 kandidierten Chlodhilde Hug für die Bayerische Volkspartei BVP sowie Adelheid Donderer und Maria Sedlmeier für die SPD zum Lokalparlament. Keine dieser Frauen erreichte trotz dem neuen Frauenwahlrecht einen Stadtratssitz. Letztere gehörte 1932 als Beisitzerin dem Lindauer SPD-Vorstand an.

Im Jahr 2014 beschloss Lindaus Stadtrat, die neue Straße auf dem früheren Bahlsengelände, heute Engie, als „Josephine-Hirner-Straße“ zu benennen.