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Bürgerdialog

Gemeinsame Maut und gemeinsame Armee

Lindau / Lesedauer: 4 min

Beim Bürgerdialog der Europa-Union gibt es zwar viele Ideen – Es kommen aber nur wenige Bürger
Veröffentlicht:01.10.2018, 14:34

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Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat es vorgemacht: Mit den Bürgern wieder in einen Dialog zu kommen, kann die Begeisterung für ein geeintes Europa steigern. 16 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) haben diese Idee aufgegriffen und laden in diesen Monaten zu Bürgerdialogen ein. In Deutschland gehört die überparteiliche Europa-Union zu den Veranstaltern. Und sie war es auch, die jetzt in Lindau zu einem Bürgerdialog einlud. Die Mitglieder der Europa-Union blieben dabei allerdings weitgehend unter sich.

Wofür soll die EU zukünftig zuständig sein? Was gefällt dem Einzelnen sehr an der EU – und was nicht? Über Fragen wie diese sollen sich Bürger austauschen. Die Ergebnisse sammelt die Bundesregierung und will sie bis zum Jahresende auswerten. Wie weit das Spektrum dabei reicht, zeigte der Austausch in Lindau. „Der Brexit gefällt mir gar nicht“, stellte ein Teilnehmer fest. Denn dass ein Mitgliedsstaat aus der EU austritt, das widerspricht dem Gründungsgedanken der Europa-Union , die sich seit 1946 in Deutschland für ein föderales Europa einsetzt, in dem zwar die Regionen eine hohe Bedeutung haben, nicht mehr aber die einzelnen Nationalstaaten. Vor diesem Hintergrund störte sich ein anderer Teilnehmer auch an den „Rosinenpickern“ in der EU. Beispielhaft nannte er Polen, das unter der derzeitigen Regierung zwar Fördermittel aus dem EU-Haushalt gerne annehme, sich aber selbst wenig solidarisch zeige, wenn es etwa um die Aufnahme von Flüchtlingen gehe. Hier hakte Francesco Abarte ein. Er hinterfragte, warum die EU mit weniger Geldern für jene Länder drohe, die keine Flüchtlinge aufnehmen wolle: „Wieso bezahlen wir nicht jenen Ländern mehr, die es tun?“ Das hätte auch zur Folge, dass sich die eigene Bevölkerung weniger darüber beklage, dass Kosten für Flüchtlinge entstehen, ist Abarte überzeugt.

Keine großen Möglichkeiten

Allzu groß sind die finanziellen Möglichkeiten der EU gar nicht, stellte die Geschäftsführerin des bayerischen Landesverbandes der Europa-Union, Ute Hartenberger, heraus. Das Haushaltsvolumen der EU betrage in diesem Jahr rund 160 Milliarden Euro – und damit rund die Hälfte des Bundeshaushaltes. Inwieweit Nettozahler wie Deutschland überhaupt in den Genuss von Fördermitteln aus dem EU-Topf kommen sollten, war ebenfalls Thema. Denn die Folge sei ein großer bürokratischer Aufwand, um beispielsweise über ein EU-Förderprogramm Gelder in den Landkreis zu bekommen, die von dort in Form von Steuern zuvor abgeflossen sind.

Verschiedene Themen streiften die Teilnehmer – und stellten einige Male fest, dass vermeintliche Lösungen zwar auf den ersten Blick einleuchtend erscheinen, sich aber auch schnell neue Probleme auftun. Ein einheitlicher Mindestlohn in Europa könnte eine Lösung sein, um die Binnenwanderung von Arbeitskräften innerhalb der EU zu reduzieren. Doch könnte dies zu einem massiven Arbeitsabbau in ohnehin wirtschaftsschwachen osteuropäischen Ländern führen – und damit letztlich zu noch mehr Zuwanderung von Arbeitskräften. Eine gemeinsame europäische Armee fand schnell Zustimmung in der Diskussionsrunde, schließlich ließen sich Kosten senken und ein gegenseitiger Austausch von Wissen und Material wäre möglich. Jedoch: „Das setzt den Abbau von Misstrauen voraus“, so der nach Lindau gekommene schwäbische Bezirksvorsitzende der Europa-Union, Sebastian Rommel. Und das sei momentan noch groß, wie sich mit Blick auf die Geheimdienste zeige.

Unnötige kleine Hürden

Die Begeisterung an einem gemeinsamen Europa werde bei vielen Bürgern durch tägliche Erfahrungen ausgelöst, stellte ein Teilnehmer fest und verwies auf die größtenteils weggefallenen Grenzkontrollen, die einheitliche Währung in vielen EU-Mitgliedsstaaten und das mobile Telefonieren ohne Roaming-Gebühren innerhalb der EU. Allerdings verwies er darauf, dass es aus seiner Sicht unnötige kleine Hürden gibt – so die fehlende Akzeptanz deutscher Umweltzonen-Plaketten beispielsweise in Frankreich oder unterschiedliche Warnschilder bei der Befestigung von Fahrrädern in Italien und Spanien. Kleine Hürden, die seiner Meinung nach einer noch größerer Akzeptanz der EU durchaus im Wege stehen. Neben den Stichworten der Diskussion leitet die Europa-Union auch die Antworten von jedem Teilnehmer an die Bundesregierung weiter.