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Bewährungsstrafe

Fall Kalinka: Krombach-Entführer kommt mit Bewährungsstrafe davon

Lindau / Lesedauer: 4 min

Gericht verurteilt Andre Bamberski zu einem Jahr Haft auf Bewährung
Veröffentlicht:18.06.2014, 17:34

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Mehr als 30 Jahre seines Lebens verfolgte André Bamberski nur ein Ziel: Er wollte Sühne für den Tod seiner Tochter Kalinka, für den er den Lindauer Arzt Dieter Krombach verantwortlich macht. Dafür schreckte der Franzose auch nicht davor zurück, Krombach aus Scheidegg nach Frankreich verschleppen zu lassen. Nun kam der 76-Jährige mit einer glimpflichen Strafe davon - ein Gericht im elsässischen Mülhausen verurteilte ihn zu einem Jahr Haft auf Bewährung.

Neben dem 76-jährigen Bamberski wurden zwei Mittelsmänner aus Georgien und dem Kosovo, die Krombach im Oktober 2009 an seinem Wohnort in Bayern überfielen und über die Grenze nach Frankreich brachten, zu Freiheitsstrafen von jeweils einem Jahr verurteilt.

Bamberskis Tochter Kalinka war im Sommer 1982 in Lindau tot aufgefunden worden - im Haus des Arztes, der damals mit ihrer Mutter zusammenlebte. Die deutsche Justiz stellte das Verfahren gegen Krombach 1987 mangels Beweisen ein. Für Bamberski aber war der Fall klar: Er ist bis heute felsenfest davon überzeugt, dass Krombach Kalinka sexuell missbraucht und anschließend mit einer Spritze getötet hat, um die Tat zu vertuschen.

Jahrelang setzte der Sohn polnischer Einwanderer alle Hebel in Bewegung, damit Krombach zur Rechenschaft gezogen würde. Er habe sich „keine Pause gegönnt“, seine „Ferien, Wochenende und Abende“ geopfert, schreibt der ehemalige Steuerberater in einem Buch. Eine Tochter Krombachs sagte später vor Gericht aus, sie und ihr Vater seien von dem Franzosen jahrelang beobachtet worden. Aus Angst, von ihm entführt zu werden, habe sie sich oft versteckt.

Weil die deutsche Justiz die Ermittlungen einstellte und später alle Anträge ablehnte, den 1995 in Frankreich in Abwesenheit verurteilten Krombach auszuliefern, tat Bamberski schließlich, was er für seine „moralische Pflicht“ hielt: Im Herbst 2009 ließ er seinen Erzfeind von Mittelsmännern aus seinem Wohnort in Bayern entführen. Krombach wurde am 17. Oktober gefesselt und mit Wunden im Gesicht auf einem Bürgersteig in der elsässischen Stadt Mülhausen aufgefunden. Wegen der Tat wurden am Mittwoch zwei Männern aus dem Kosovo und Georgien zu jeweils einem Jahr Haft verurteilt.

Bamberski gab in dem Prozess zwar zu, er habe die Entführung Krombachs „beschlossen“. Als „Auftraggeber“ aber sieht er sich nicht: Er habe „einem Vorschlag zugestimmt“ und kein Geld gezahlt. Die Ermittler hatten jedoch im Oktober 2009 in Bamberskis Hotelzimmer in Mülhausen 19.000 Euro in bar gefunden - nach Überzeugung der Gerichts war das Geld für die Handlanger bestimmt.

Staatsanwalt Hervé Robin machte bei dem Prozess sein Mitgefühl für Bamberski deutlich: Er könne den jahrelangen Kampf des Angeklagten „verstehen“, sagte Robin - und forderte gegen Bamberski nur sechs Monate Haft auf Bewährung. Die Strafe fiel nun zwar etwas härter aus, doch Bamberski muss nicht ins Gefängnis. Daher will er auf Berufung verzichten. „Ich habe die Nase voll von Gerichtsverfahren.“

Sein wichtigsten Ziel hat der Franzose mit dem durchdringenden blauen Blick und dem schlohweißen Haar ohnehin erreicht: Krombach wurde nach seiner Entführung in Frankreich vor Gericht gestellt und Ende 2011 wegen Kalinkas Tod zu 15 Jahren Haft verurteilt. Ein Berufungsgericht bestätigte das Urteil ein Jahr später, auch wenn die genauen Umstände von Kalinkas Tod unklar blieben.

In den Prozessen gegen Krombach saß Bamberski, der jedes Detail des Falles kennt, stets mit Bergen von Akten im Gerichtssaal, meldete sich immer wieder ungefragt zu Wort und schreckte auch nicht davor zurück, einen Anwalt der Gegenseite als „kleinen Scheißer“ zu beschimpfen. Ob er Krombachs Verschleppung jetzt nach seiner Verurteilung bereue, wollten Journalisten am Mittwoch von Bamberski wissen. „Überhaupt nicht“, antwortete dieser bestimmt. Mit Krombachs Verurteilung sei ihm „Genugtuung“ widerfahren. „Seitdem ist alles andere relativ nebensächlich.“

Der in Paris inhaftierte Krombach, der seinem Anwalt Yves Levano zufolge gesundheitlich angeschlagen ist, war nicht zu dem Prozess erschienen. Levano kritisierte die vergleichsweise milde Strafe als „Kuss auf die Stirn“ des Angeklagten. Der Anwalt will den Fall nun vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg bringen. Nach seiner Überzeugung haben die französischen Gerichtsverfahren EU-Recht verletzt, weil sie die Entscheidungen der deutschen Justiz nicht berücksichtigten.